II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 67

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10. Das Vernaechtnis
These. Und um diese These durchführen zu können, muß jenen Schichten sein muß, sieht es an dieser einen That¬
illeton.
er sorgfältig Alles entfernen, was den Beweis dieser
sache besser, als aus dem ganzen ihr angehängten Stücke.
seiner These giltig machen könnte. Er arbeitet mit
Es ist wieder einmal das süße Mädel, das den kurzen
Zufälligkeiten von Anbeginn ab. Er häuft das Traurige.
Traum von einem Liebesglück durch die trostlosen
theater.
Weil aber dies Traurige nicht als ein Nothwendiges
Verhältnisse bei sich zu Hause mit seinem Leben bezahlt.
Das Vermächtnieß“. Schauspiel
empfunden wird, so verfehlt es seine Wirkung. Lessingisch
Aber Christine stirbt dem Geliebten weg; stirbt ihm, in
heater zum ersten Male aufgeführt
gesprochen: er vergnügt den Verstand und nicht das
ihren Gefühlen als Weib tödtlich getroffen, weg, denn
November 1898.]
Herz. Und so gings denn hier, wie in Berlin. Denn
nicht einmal an seinem Grabe durfte sie stehen, und dem
daß sich Hugo Losatti, Dr. jur.,
Schnitzler als Mensch wie als Dichter hat Freunde,
sie Alles gegeben, weil er ihr Alles war, dem war sie
n Prater eine innere tödtliche
nichts als Freunde: Den ersten Abend machten sie einen
gar nichts. Aber Toni? Was sind ihr die Lossati's?
ist sehr traurig, daß er in ster¬
tosenden Beifall. Den zweiten Abend, an dem ich erst
Nich, wie sie ihnen nichts war. Und den Geliebten
insch äußerte, seine Angehörigen
der Vorstellung anwohnen wollte, war der Besuch schwach
überleben mußte sie — da war das Kind; aber das hat
oni Weber und sein Kind, seinen
und es regte sich kaum eine Hand mehr im Hause.
sie auch nicht mehr. Wozu also der Selbstmord, wenn
er Schwester Franziska taufen
Es ist das Werk eines sehr geschickten Technikers
nicht um Gelegenheit zu einem wirksamen Actschluß und
statt wie es Einer mit nicht
dies Vermächtniß“. An einer gewissen Engbrüftigkeit
zu einer großen Tirade zu geben, die leider völlig ver¬
rdern würde, ihr und dem
der Erfindung hat Schnitzler immer gelitten. Er arbeitet
pufft, weil sie nicht weiß, was sie da soll? Franziska,
Rente zu sichern. Es ist weiter¬
mit dem Einzelzug; seine bestechendste Eigenschaft ist die
des Todten Schwester hält sie, nachdem sie ihrem Bränti¬
oni Weber in das sehr sittsame
große Anmuth der Form und die Kunst des Details.
gam den Laufpaß gegeben, weil er das arme Mädchen
er Nationalökonomie und Abge¬
I Damit wirkt er. Er kennt die Gesetze der Bühne, wie unter
mit hinausgeekelt; aber gegen wen richtet sich die ganze
um großen Mißvergnügen seiner
den Deutschen nur noch der kräftigere, aber auch wahrere
Anklage?
nders des Hausarztes Dr. Fer¬
Sudermann. Er baut erste Acte von einer entzückenden
Es fehlt nicht an feinen Details. Schroffe Lichter
der Lehrer Hugo's, nun Bräu¬
Sicherheit der Gliederung — er ist ein Facadenarchitekt,
fallen auf die innere Fäulniß jener Schichten. Da hätte
ingemein traurig, daß auch das
je mehr man aber ins Haus selber kommt, desto unan¬
der Vater gar nichts dagegen, wenn sein Sohn die
nachstirbt; am allertraurigsten
genehmer empfindet man den Widerspruch der prächtigen
Tochter derselben Frau heiraten würde, der er vergeblich
weil man sie deutlich an das
Außenseite und der dürftigen, nur mit Geschmack deco¬
nachgestellt mit der der würdige Nationalökonom seinen
Kind ist todt, die Gevatterschaft
rirten Innenräume. Er wird sehr gerne sentimental, wo
Sohn im Verdachte gehabt. Diese künstlich gehütete und
ihrem jungen Leben ein Ende
er tragisch sein müßte. Er will erweichen, weil er den
construirte Reinheit unserer Mädchen wird gezeichn
erst 22 Jahre und alle Welt
einen entscheidenden Hauptschlag nicht thun kann.
Diese Treibhausblume, der ein frischer Lufthauch, Wie
hönheit. Wer da weiß, daß sie
Er kennt ein sehr kleines Ausschnittchen der Welt.
er an Toni Weber haftet, schon eine Gefahr bedeutet.
wie die schöne Frau Schratt in
Es ist das die Welt, in der man sich amüsirt, und auch
Und die Frage selber: was wird mit den Gefallenen
ird das begreifen.
das Amüsement Anderer duldet, vorausgesetzt, daß es
wohl geschehen, wenn Derjenige, der sie zu Falle ge¬
d also mit weiser Oekonomie
mit der eigentlichen Lebensaufgabe in keinen Conflict
bracht, nicht mehr ist, war wohl werth, gestellt zu sein.
Stückes vertheilt. In jedem Auf¬
geräth. Diese Lebensaufgabe aber besteht im Carrière¬
Nur so ließ sie sich nicht beantworten; so nicht. Auch
barmungsloser Consequenz rastet
machen und reich Heiraten. Das ist ja wohl auch wirk¬
hat sichs Schnitzler in anderer Hinsicht gar leicht
er nicht die ganze illegitime
lich so in unseren „besseren Kreisen“ und wird so bleiben,
gemacht. Er nahm einfach seine bewährten Figuren und
Erdboden vertilgt hat. Er thut
ehe nicht die Umwälzung unserer socialen Begriffe voll¬
stellte sie auf die Bühne. Anatol stirbt, hoffentlich sammt
Anklägers. Toni Weber soll ein
endet ist. Es ist bezeichnend für Schnitzler: ehe einer seiner
seinen süßen Mädeln endgiltig. Gut und neu ist nur
Perhältnisse sein. Das aber wäre
Helden auf den Einfall geräth, er könne das Mädchen
Professor Losatti. Er allein, in seiner falschen Gut¬
Hugo am Leben bliebe und sie
auch heiraten, das er verführt hat, auf einen Einfall
müthigkeit, in seinem Spielen mit Thesen, in ewigem
oder, wenn schon diese Zu¬
also, der in der Regel ziemlich nahe liegt und nicht ein¬
Betonen seines Mannesmuthes, der doch nicht vorhanden
dessturz zugegeben wird, wenn
mal so gar selten zur That gemacht wird, muß er einen
ist, er allein bedeutet eine Bereicherung des Schnitzlerischen
t stürbe, so daß nicht einmal
unheilbaren Schaden an seinem Gehirn genommen haben.
Besitzstandes. Ein großes Muster schlägt durch: Hjalmar
band zwischen Großeltern und
Und auch dann spricht er davon nur als von einer
Eckdal. Aber Hjalmar ist überall zu Hause, überall ein
schützen würde. So aber — was
vielleicht möglichen Sache: und die Verpflichtung, die er
Anderer, und so mag er wohl in Wien in gewissen
imgang noch bei einer Familie, zu
selber nur von ferne empfunden, die schiebt er seelenruhig
Ständen aussehen.
sicht gehört, der sie immerdar
seinen Eltern zu. Das ist für ihn und für seinen Dichter!
Gespielt wurde glänzend. Glücklicher als im „Viel¬
? Schnitzler stellte sich eine bequemer; man sieht aber, wie stark der Kastengeist in geprüften“ trat diesmal Frau Schmittlein, diese