II, Theaterstücke 10, Das Vermächtnis. Schauspiel in drei Akten, Seite 240

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10. Das Vernaechtnig

B
der Typus des Wiener liberalen Mannes. Währendszeihen? Vermessen ist das. Strafen dürfen wir — und stimmen läßt, kündigt Dr. Schmidt, sentimen
talitätsfrei und schwunglos, Toni Weber an, daß*
die anderen Personen nicht geräde plastisch charatierisirt rächen meinethalben . . . .. Aber zu verzeihen ist doch
#sind, ganz dem Wesen des Problemdramas entsprechend,Keiner gut genug.“ Lieber wäre es dem Herrn Professorlman von jetzt ab außerhalb des Hauses für sie
Kipler.
dem die Hauptsache der Fall ist, ist dieser Normalmann freilich gewesen, sein Sohn hätte sein Leben genossen sorgen werde. Die Vereinsamte, der nichts geblieben,
.Sept.)
eingehender und schärfer gezeichnet. Seine Frau Betty,wie das nun mal Sitte ist und wie er auch, der die woran sie sich halten könnte, zieht aber den Tod diesem
icht gewagt, die zu ihm in keinen „wirklichen Beziehungen steht“, ist] Dinge stets in ihrer wahren Bedeutung und nicht nach! Dasein von bürgerlichen Gnaden vor. Die sozialen
der landläusigen Moral auffaßt, es verstanden hätte. Ein Rücksichten, die Standesinteressen, der Klasseninstinkt
Gnade
weich und gutmüthig, aber ohne allen Fonds. Weiter
haben gesiegt — auf der ganzen Linie — von dem bru¬
hätten ein¬
Verhältniß haben als junger Mann — natürlich, aber
ist da die Schwägerin Emma, die vertraute Freundin
talen Emporkömmling und Selfmademan Schmidt bis zu
das Hängenbleiben muß ausgeschlossen sein. Und wer
zieht der Hugos, jungverwittwet, aber offen und resolut und voll
Frau Emma, die ihren hochherzigen Entschluß, Toni zu
weiß, ob er nicht Recht hat, wenn er weiter kalkulirt:
m Fall, der Theilnahme für die Toni, die wie sie selbst Freud und
sich zu nehmen — mit Rücksicht auf ihre Tochter fallen
Wäre Hugo am Leben geblieben, er hätte dies Verhält¬
Also ein
Schmerz der Liebe durchgemacht hat. Dann ihre Tochter
läßt.
niß gelöst und eine Frau aus der anständigen Gesell¬
Welten wird
Agnes, die backfischartig für den Hugo schwärmte. Im
Franzi, die Schwester Hugos, fühlt allein das ganze
schaft genommen, wie es ausschließlich alle jungen Männer
schroffen Kontrast dazu Dr. Ferd. Schmidt, der Haus¬
Unrecht, das man dem Wesen, das ihrem Bruder jahre¬
thun, die in der Welt und mit der Welt leben wollen.
Dr. Hugoarzt Losattis, von der Familie ihrer Tochter Franziska
lang Alles war, angethan hat — in einer esellschaft,
Das Band, das die beiden einander fremden Welten
mit einem zum Gatten bestimmt. Wie Frau Emma die versöhn¬
der Alles heilig zu sein pflegt, was an einen theuren
zusammenhält, ist das Kind. Für Toni ist es Alles und
seinetwegen siche, wenschliche Gesinnung verkörpert, so er das kon¬
Todten erinnert. Und so klingt das Vermächtniß aus
Eins, nachdem sie den Vater und den Geliebten verloren
reichlichen ventionelle Prinzip. Ein freudenloses hartes Leben hat
in den Worten, die ich oben als den moralischen Gehalt
hat und in hilfloser Verlassenheit dasteht. Für die Lo¬
unterhalten alles Freie und Heitere in ihm erstickt. Pflicht und Sitte
des Dramas bezeichnete. Daß dieses Mädchen, das sich
sattis ist die Mutter nur das Zubehör zum Kinde —
keit fnüpfte und die starre bürgerliche Moral bilden einen undurch¬
über die Anschauungen ihrer Klasse erhebt, einem Dr.
von vornherein, wenn es ihnen auch zunächst nicht voll
Ein hübscher, dringlichen Panzer um ihn.
Schmidt, als der leibhaften Verkörperung dieser Klassen¬
In diese Gesellschaft tritt Toni Weber mit ihrem ins Bewußtsein tritt. Auf den Lippen, in den Augen
Glück leben
gefühle, entsagt, ist nur natürliche Konsequenz.
des Buben da sind für Frau Betty all' die Tage, die
Kinoe ein. Was in der Rührung versprochen wurde,
, was die
Schnitzler hat die Gefahren des Thesenstückes nicht
wird gehalten von der Familie Losatti's. Ja der Pro=sihr der Hugo nicht gegeben hat. Das Kind legitimirt
#ird es ge¬
ganz vermieden; in den beiden letzten Akten verdrängt
fessor, der sich rühmt, allezeit ein liberaler Mann ge=gewissermaßen die Mutter. Der Konflikt bleibt latent.
de gestürgt.
das Räsonnement bisweilen das Leben, man hört dann
wesen zu sein und ein liebender Vater, findet eine ge= Was wird aus unserem Problem — der Unvereinbarkeit
us gebracht.
Advokatenplaidoyers. Die drei Akte hindurch andauernde
wisse Genugthuung darin, die Freiheit seiner Ansichten der beiden Lebenstreise? Schnitzler läßt den Bubi krän¬
Geheimniß
Trauerstimmung, die den Zug zum Melodramatischen
Ehmen, daß zu beweisen. Mit posirendem Stolze ist er bereit, auf keln und sterben. Die Gegenpartei in Gestalt des Dr.
den Verkehr mit Leuten aus seiner Gesellschaft zu ver=Schmidt, greift jetzt ein. Für ihn ist die Mutter jetzt nicht immer vermeidet, wird dagegen glücklich unter¬
men werde,
zichten, die ihn nunmehr meiden wollten. „Eine Pflicht szur Maitresse geworden, die in einem anständigen bür= brochen durch Herrn Prof. Losatti. Die feine Kunst des
vesen wäre.
Novellisten Schnitzler breitet sich auch im Drama aus:
haben wir zu erfüllen, das ist das erlösende Wort“, sagt igerlichen Hause nichts mehr zu suchen hat. Denn in
erbeigeholt.
er mit wohlklingendem Pathos. Ja er spricht sogar von dieser Welt gelten andere Gesetze, auf denen die ganze die Menschen haben alle ihre Atmosphäre um sich, und
versammelt.
und Gegen= einem Rechte, das man solchen Geschöpfen wie Toni Ordnung beruht, als in jener, in der man sich einfach zu plaudern wissen sie, wie nur immer die Wiener es
Todesstunde gegenüber in Anspruch nehmen di se, dem Recht zu ver=nimmt, was einem gefällt — ohne Skrupel, ohne vermögen. Ibsen und Sudermann (Graf Trast) und
#ter Hugos,zeihen, worauf ihm Frau Emma erwidert: „Verzeihen? [Reue. Im Einverständniß mit dem Professor und Maupassant nicht minder haben Pathe gestanden beim
Lossati, ist!. .. was hat überhaupt ein Mensch dem andern zu ver=dessen Gattin, deren Schwäche sich gasch um=1 „Vermächtniß“ — aber es ist doch ein eigenartiges Neues