II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 528

Dramatische Aufführungen.
„Die Gefährtin.“ „Paracelsus.“ „Der grüne Kakadu.“ Drei
Einacter von Arthur Schnitzler. (Deutsches Theater.)
Wie weiland den Webern, so hat jetzt die Cenfur dem Grünen
Rakadu übel mitgespielt, in beiden Fällen mit dem gleichen Erfolge.
Wahrlich, zwischen dem brüllenden Jubel, der Gerhart Hauptmann's
Elendstragödie begrüßte, und dem tollhäuslerischen Radau, der die „Gro¬
teske“ des Herrn Schnitzler auf ihrem Zuge in die Unsterblichkeit be¬
gleitete, ist nicht einmal ein gradueller Unterschied. Allerdings fehlte
bei der Première am Sonnabend Herr Singer, dessen Anwesenheit der
Erstaufführung der Weber besondere Weihe verliehen und dessen dicker
Bauch sich so stimmungsvoll von den Jammergestalten der Hundefleisch¬
fresser auf der Bühne abgeheben hatte. Den Singer waren wir los,
doch die um ihn waren geblieben, die Hunnen, die das Theater für eine
Parteidestille halten und Kunstwerke mit dem in verräucherten Ver¬
sammlungslocalen üblichen Begeisterungsgeheul überschütten.
Dabei ist Herrn Schnitzler's Groteske gar nicht so übel. Sie zeigt
uns freilich, daß dieser Autor kein freischaffendes Genie ist, dessen Phantasie
sich aus seinem Herzblut nährt, sondern daß er alle Wirkungen und
Schlager mühsam ergrübelt. Je dröhnendere Effecte Schnitzler anstrebt,
desto deutlicher wird die Mache, die künstliche Ueberhitzung. Doch unser
Dichter ist ein Mann von vielem Geist, und sein mühsames Bestreben
unterhält, seine Tüsteleien und Bosseleien interessieren, so wenig sie auch
erwärmen. Die Idee, auf dem blutigen Untergrund der großen Revo¬
lution eine frech satirische Carricatur im Placatstil zu zeichnen, ist sogar
meisterhaft und einzelne Umrisse, einzelne Schattenstriche sind meister¬
Für
haft ausgeführt. Das Ganze leidet indeß am eigenen Uebermaß. Zu
deutlich zeigt Schnitzler, daß er durchaus den Ossa auf den Pelion
24 thürmen, Unerhörtes geben will, eine unmögliche Vereinigung grobstoff¬
5 licher Cirkusscenen und intimer, raffinirt feiner Kunstoffenbarungen.
. 10 Die Form widerspricht dem Inhalt, und höchstens diese Stillosigkeit
kann als Groteske gelten. Im Grünen Kakadu spielt eine wilde Komö¬
Abon diantenbande einem Parterre überreizter Aristokraten allerlei blut¬
Abomt künstigen Unfug vor. Man renommirt mit Verbrechen, die man nie
Tbegangen hat, klagt sich furchtbarer Unthaten an, deren Genesis und
Verlauf höchst naturalistische Schilderung findet, und stellt sich in picantem
Gegensatz zu dem neben diesen eingebildeten, schwärmenden Missethätern
höchst matt ausschauenden, wirklichen Mörder. Der hochbegabte Mime
Henri erzählt den gespannt lauschenden Zuhörern mit unheimlicher An¬
schaulichkeit, wie er den Herzog Soundso, der seine Frau verführt hat,
in rasender Eisersucht niederstach. Das Publicum steht erschüttert vor
der graudiosen Aufschneiderei. Und plötzlich wird das Geflunker zur
Wahrhen. Henni erjahrt, daß sein Welb ihn wirklich mit dem Herzoge
betrogen hat, und wie der hohe Herr nun ahnungslos den Grünen
Kakadu betritt, stößt er ihn rasch entschlossen nieder. In die Mordthat
hinein rauscht die wilde Kunde von der Erstürmung der Bastille, und
mit einem gedoppelten Effect schließt das farbige Bühnenbild. Die
große Revolution muß beim Actschluß mitwirken; im übrigen fehlt dem
Stück alle historische Perspective. Ein Drama ist es nicht, auch kein
Drämchen. Dafür hinterläßt es zu sehr den Eindruck des Verworrenen,
Gehäuften, ist allzuwenig naiv und ursprünglich.
Neben dem auf jeden Fall geistreichen Spiel vom Grünen Kakadu
nehmen sich die beiden anderen Einacter kläglich genug aus. Paracelsus.,
erinnert ausdringlich an desselben Verfassers Frage an das Schicksal,
nur daß die Komödie sich diesmal schwerer, beziehungsvoller giebt. Der
große Wundermann Theophrastus Bombastus, alias Hohenheim, zaubert
seinem lieben alten Bekannten hypnotischen Spuk vor. Die hübsche
junge Frau des Neugierigen bekennt im somnambulen Schlaf einen Ehe¬
bruch, den sie nie begangen hat. Als Theophrast sie dann ermahnt, die
Wahrheit, die volle Wahrheit zu bekennen, gesteht sie in der zweiten
Hypnose ein, daß er selbst dereinst ihr vergötterter Liebling gewesen ist:
und daß sie ihm alles gewährt hätte, wenn er nur mutig genug gewesen
wäre zu fordern. Mit weisheitsvollen Worten beschließt Pararelsus
das Getändel:
Es fließen ineinander Traum und Wachen,
Wahrheit und Lüge. Sicherheit ist nirgends.
Wir wissen nichts von Andern, nichts von uns
Und spielen immer. Wer es weiß, ist klug.“
Warum Schnitzler das Stück in Jamben geschrieben hat, ist gleichfalls
eines der unentwirrbaren Räthsel des Daseins. Dergleichen sollte doch
nur Jemand wagen, der mindestens an die Raupach'sche Formschönheit
heranreichende Verse zu machen weiß.
Werthloser noch, höchstens durch seine unfreiwillige Komik auf¬
fallend ist das Schauspiel „Die Gefährtin“. Den braven, milden, herz¬
lieben Professor hat seine eben verstorbene Frau zeitlebens mit seinem
Assistenten hintergangen. Er wußte es, duldete es und tröstete sich mit
der Erwägung, daß die Theure eben nicht zur Gefährtin, sondern nur
zur Geliebten geschaffen sei. Jetzt ereignet sich aber doch etwas, das
diesen beträchtlichen Stoiker aus seiner bewundernswerthen Ruhe bringt.
Der schuldige Assistent kommt, sein Beileid auszudrücken. Er scheint
von dem Herrn Professor gelernt zu haben, denn auch er zeigt keinerlei
auffallende Erregung. Ja, so ganz beiläufig theilt er ihm sogar mit,
daß er sich im Seebade, wo er auf Urlaub weilte, verlobt habe. Und
nun flammt es im Busen des Erhabenen, Stillen, auf. Der Assistent
hat seine Frau doch geliebt — wie war es ihm möglich, ihr so rasch
die Treue zu brechen? Diese Erwägung verstimmt den guten alten!
Herrn tief, er befreit sich von dem Anblick des Assistenten, den er nun
plötzlich nicht mehr ertragen kann. Aber noch weitere, schwere Prü¬
fungen stehen seinem vornehmen Gemüthe, das so subtil zu unterscheiden
weiß zwischen wahrer Treue und wahrer Untreue, bevor. Er muß er¬
fahren, daß seine selige Gemahlin gewußt hat von der Verlobung des:
Assistenten und daß sie trotzdem seine willige Geliebte geblieben ist.
Eine seine Familie! — Der Stoff ist echter Schnitzler, pure Unmöglich¬
keit und Unnatürlichkeit, aber auf mathematischem Wege ergrübelt und
mathematisch correct in Seene gesetzt. „Mit Menschenseelen spiele ich.“
Paracelsus' Princip ist auch das seines Dichters. Ob er es im Ernst
für ein Kunstprincip hält?

—.
T
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von 3½/197
Aus Berlin wird und telegraphirt
Schnitlers brei Einaeter „Die Gefährtin“, „Ter¬
grüne Kakadu“ und „Paracelsus“ hatten bei der heutigen.
Erstaufführung im Deutschen Theater einen schöner
Erfolg. Am stärksten war der Applaus nach dem zweiten
Stücke, theils als Demonstration gegen die der Auf¬
Führung bereiteten Censurschwierigkeiten, theils well durch
schüchterne Opposition die Beifallsklatscher zu erneuerter
Ovation befeuert wurden. In „Voracelsub“ holle sich
Kainz in der Titelrolle seinen separaten Applaus bei
offener Seene.
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