II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 573

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9.4. Der gruche kakadn zyklus

—.——
(Nachdruck verboten.)
Augenblick, da es nur noch eines muthigen Handgriffs
Teuillekon.
bedarf, um ihr den Schleier abzureißen, ist ein Manko
der dichterischen Seele Schnitzler's. Es wäre interessant

und der Mühe werth, genan darzulegen, wieso heutzutage
## Berimer Theaterbrief.
gerade ein Oesterreicher leicht der Versuchung erliegen
N
30. April.
kann, sich vor seinem eigenen Wissen zu fürchten und die
Der erfolgreichste und an Talent nicht ärmste von
unerbittlichen Realitäten seiner Zeit, die er nur allzu
der aufkeimenden Wiener Literatengemeinde, Arthur1 genau erkennen mußte, sich zu verheimlichen. Aber dies
Schnitzier ##tgestern wieder einmal seine Visstenkarte
gehört in die Politik, und die Zensur hat das
###er ulis im Deutschen Theater abgegeben. Er wurde
Hauptstück des gestrigen Abends, die Groteske „Der
empfangen wie ein liebgewordener Bekannter von außer¬
grüne Kakadu“ unter den sorgfältigsten Kaulelen
halb, dessen fremde Art interessirt und der für gewöhn¬
nur deshalb endlich freigegeben, weil sie sich überzengt
lich einige nette Neuigkeiten erzählt, sich manierlich be¬
hatte, daß Schnitzler wirklich nur ein literarisches und
nimmt und in den großen Taschen seines Dichtermantels
nicht ein politisches Stück haue schreiben wollen. Man
allerhand Spielzeng für die nachsuchenden artigen Kinder
muß nicht immer klüger sein wollen als die Polizei.
mitgebracht hat. Seine neuesten Auekdoten hörte man
Vielleicht ist der grüne Kakadu wirklich nur künstlerisch
mit behaglichem Lächeln an und ward des Beifalls nicht
zu betrachten. Und auch dann, wenn man außer Acht
müde. Eine Schnurre aber war darunter, die sich plötzlich
äßt, daß ein Oesterreicher das Stück geschrieben hat,
aus aller Lustigkeit zu bitterstem Ernst zu gestalten schien.
bleibt es merkwürdig und betrachtenswerth genug. Nur
Von den Gesichtern der Personen, die Schnitzler uns
muß man sich erinnern, daß Arthur Schnitzler bisher zur
vorführte, schienen wie auf ein gegebenes Zeichen die
Gruppe der sozialen Tendenzdichter gehörte, daß „Liebelei“,
neckischen Masken zu sinken, statt des grotesken Lachens
„Vermächtniß“ und besonders „Freiwild“ Kampfstücke
könte der Klang der Sterbeglocken und aus den jauchzen¬
gewesen sind und daß er, dessen bestes Werk, die Novelle
den Tänzern wurden gespenstische Schemen, die zu
„Sterben“ in erschütternder Weise die brutale Armselig¬
unheimlichen Melodien einen danse macabre vorführten,
keit unseres physischen Lebens erhellt, von Berufswegen
der alle dummen Töffel das Gruseln lehren konnte. Als
denn Dichten ist doch nur eine Kunst — Arzt ist.
aber Schnitzler sein Publikum so weit hatte, daß es ihn
Der grüne Kakadu ist unter diesem Gesichtspunkt
erschreckt anblickte und irre wurde an der Bonhomnie,
eine Abkehr von seines Schöpfers Vergangenheit. Schon
die er als Wiener doch ex officio haben muß, da wurde
die Wahl und Ausgestaltung des Stoffes führt weit weg
ihm selbst ein bißchen bang vor seinem Spuk, und er
von der modernen Welt, in die Schnitzler bisher streng
beeilte sich, die muthwillig beschworenen Geister wieder
nach den Lehren des Realismus, bloß mit einem Zuschuß
loszuwerden.
liebenswürdiger Nachsicht, unsgeführt hat. „Der grüne
Diese Furcht vor den geahnten letzten Konsequenzen,
Kakadu“ ist eine Kellerkneipe in Paris. Ihr Wirth
das Zurückweichen vor der lang gesuchten Wahrheit im
Prospère, ein früherer Schmierendirektor, ist auf den guten
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