II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 593

vom 7/179
Die Berliner Theatersaison 1898-99.
Von unserem Berliner Bureau.
(Nachdruck verboten.)
Berlin, 5. Juli.
Die Berliner Theaterspielzeit ist am letzten Juni=Abend mit un¬
gewöhnlicher Feierlichkeit geschlossen worden, denn der Abschluß dieser
Saison brachte den Abschied von Josef Kainz. Ueber die Einzelheiten
des Abschiedsabends haben Sie ja bereits berichtet: Man hat mit
warmer, bis zum Enthusiasmus gesteigerter Dankbarkeit den Künstler
gefeiert, von dem man in Berlin. so schöne und anregende, ja vielfach
grandiose Leistungen empfangen hat. Wir verdanken Kainz den Bruch
mit der conventionellen Darstellung klassischer Rollen: sein Carlos im
Jahre 1883 eröffnete diese Reihe von Leistungen eines neuen Styls
innerhalb des klassischen Dramas. In Gestalten Schiller's, Kleist's,
Shakespeare's und eines Tempelherrn im „Nathan, dann in einigen
bedeutsamen Grillparzer=Dichtungen, die nun von der Bühne des Deut¬
schen Theaters aus ihren Eroberungszug über die Bühnen Deutschlands
und Oesterreichs gemacht haben— besonders „Weh dem, der lügt“ und
„Die Jüdin von Toledo“ — in solchen Aufgaben hat er Grandioses
geschaffen und in frischem Wagemuth eine Renaissance für eine große
Reihe von Dichtungen herbeigeführt. Für diese Rollenarbeit Ersatz zu
schaffen, dürfte sehr schwer, in einigen Leistungen wohl unmöglich sein,
und nach dieser Richtung bedeutet für uns das Scheiden des großen
Künstlers einen starken Verlust. Aber die eigentliche Aufgabe des
Deutschen Theaters, die Pflege der modernen Dichtung, wird in keiner
Weise eine Einbuße erleiden. Seine stärksten, nachhaltigsten und
bedeutsamsten Erfolge hat das Deutsche Theater ohne Kainz ersochten,
Für durch das unvergleichlich vollendete Ensemble dieser Bühne und durch ve
Künstler wie Rittner, Oskar Sauer, Nissen, durch Künstlerinnen wie:
Luise Dumont und Else Lehmann. Und darum ist denn auch die letzteir
Spielzeit an glänzenderem Erfolge reich gewesen trotz der Befürchtun=us.
gen der Kleingläubigen, die der Ansicht waren, ohne Agnes Sorma; 149
würde es nicht gehen.
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Die Hauptsache bleibt aber doch der Dichter — daher die Erfolge
af
des Deutschen Theaters und daher die Bedeutungslosigkeit des König¬
lichen Schauspielhauses, das schauspielerisch doch gleichfalls ersten
nenft. Tolen wir hier den Schmerz erneuern und all' die Siege
aufzählen, die die Hofbühne mit Blumenthal, Kadelburg, Oskar
Walther u. A. errungen hat? Die einzige Neuheit der Hofbühne, die
litterarisch zu nennen war, ist Fuldas Drama „Herostrat“ — aber eine
bezwingende, dichterische Kraft gab sich darin nicht kund und bald mußte
das an poetischen Feinheiten nicht eben reiche Stück dem „Fünften
Rade“ weichen. Moser=Trothas Schwank „Strafurlaub“ bildete die
letzte Novität der Hofbühne: Ende schlecht, Alles schlecht. Es war im
Ganzen eine trübe Saison für die Hofbühne, nur die glänzenden Julius
Caesar=Aufführungen waren zu rühmen und von anhaltender Wirkung.
Noch schlimmer erging's dem Lessingtheater. Das Schauspielhaus
hat doch zur Reserve noch die Klassiker, das Lessingtheater aber nur das
„Weiße Rößl“ und aus der Krippe dieses Rößleins hat sich die Di¬
rection Neumann=Hofer zehn Monate nähren müssen. Fast sämmtliche
Novitäten versagten: die mit Spannung erwarteten Dramen von Halbe
„Der Eroberer“ und „Die Heimathlosen“ wurden — das eine unter
scandalösem Tumult, das andere mit wohlwollender Nachsicht — ab¬
gelehnt. Einige andere Stücke „Großmama“, „Die Lumpen“ „Die
Erziehung zur Ehe“ hielten sich ein paar Abende, ebenso zwei unbe¬
deutende Einacter von Fulda. Anderes verschwand sofort in der Ver¬
senkung. Die Regie war vielfach mangelhaft, die Direction ihrer Auf¬
gabe durchaus nicht gewachsen, ohne das „Weiße Nößl“ und ohne das
Sorma=Gastspiel wäre das Lessingtheater ebenso finanziell herunterge¬
kommen, wie es litterarisch und künstlerisch gesunken ist.
Nicht viel besser ist's dem Berliner Theater ergangen. Die Haupt¬
nummer der Saison, Wildenbruchs kraftlose Gewitternacht“ ver¬
schwand nach drei Abenden. Die einzigen Schlager des Berliner
Theaters waren „Zaza“ und „Das Erbe“, um sie herum aber eine
Ueberfülle von Nieten! Das „Neue Theater“ scheint finanziell leidlich
prosperirt zu haben — der blöde „Hofgunst"=Schwank konnte 200
Mal gegeben werden. Für die Litteratur kommt die Bühne der Frau
Butze also nicht in Betracht, es ist ein Theaier im früheren Garten¬
laubenstyl. Immerhin hat sich ein ganz nettes Ensemble dort heraus¬
gebildet. Von dem wirklichen Residenztheater ist nur zu berichten, daß
dort „Der Schlafwagen=Controleur“ die ganze Saison beherrscht hat.
Im Centraltheater behauptete sich die graciöse Operette „Die
Puppe“. Vom Thalia=, Metropol= und Belle=Alliance=Theater schweigt a
des Sängers Höflichkeit. Und vom Königlichen Opernhause ist als
charakteristisch zu vermelden, daß der einzige musikalische Gewinn der
Hofbühne „Die Fledermaus“ ist. Im Uebrigen gilt von den Novi¬
täten des Opernhauses „ein großer Aufwand nutzlos ist gethan!“
So hätten wir also eine werthlose Saison gehabt, wern das
Deutsche Theater nicht wieder Bedeutendes gebracht hätte. Als der
eigentliche Gewinn des Theaterjahres ist Hauptmanns „Fuhrmann
Henschel“ anzusehen, dann Schnitzlers drei Einacter, von denen „Der
grüne Kakadu“ als ein vollauf geglückter Versuch zur Renaissance des
historischen Dramas gelten darf. Die schönen Dichtungen von Hoff¬
mannsthal Die Hochzeit der Sobeide" und „Der Abenteurer“ erwiesen
sich jedoch ebensowenig theaterstark wie Sudermanns „Drei Reiher¬
federn“. Eine schöne, wärmere Wirkung übte Dreyers Schauspiel
„Häns“ aus, und Rostands wunderschöne Dichtung „Cyrano ven
Vergerac“ brachte es auf über 60 Vorstellungen.