II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 620

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9.4. Der gruene Kakadu zyklus
das erste Mal, um ihr im Schlafzustand den Wahn einzu#scelsus". Vielleicht verführte Herrn Savits die Freude am
zitternden Stimmungen weiß er so duftig und zart in
flüstern, sie habe ihrem gestrengen Eheherrn mit einem Kontrast der beiden Stile, in denen sich Schnitzler dort und
galanten Junker die Treue gebrochen; das zweite Mal, dar hier ergeht, zu der allzu lärmenden Herauskehrung der
Worte zu verkörpern, daß wir ihm unsere Bewunderung
heater.
mit sie einmal ihrem Gemahl die volle Wahrheit sage — Holzschnittmanier. Gewiß, das Versspiel verträgt eine
nicht versagen können.
gute Portion derber Komik. Aber gerade daran gebrach es
Ein alter Professor, der um die Untreue seiner viel
„Der
die Wahrheit, daß sie einst Paracelsus heiß geliebt, jetzt
z. B. Herrn Remond, der den verliebten Junker spielte,
jüngeren Gattin gewußt, aber als weiser Lebenskenner
aber in ihrer ruhigen Ehe mit Meister Cyprian recht glück¬
ganz und gar. Er deklamirte so bombastisch, daß man

großmüthig dazu geschwiegen hat, erfährt nach dem Tode
lich sei. So rächt sich der edle Wunderdoktor an dem Zunft¬
ihn beim ersten Blick fast für den berüchtigten
res Misch¬
seiner Frau, daß auch diese neue Liebe für beide Betheiligten
meister, der in seinem nüchternen Sinn den Werth des
Bombastus selbst gehalten hätte. Auch Herr Geis,
wein, dem
nur eine flüchtige Spielerei gewesen ist. Was bleibt ihm
Wahns und des Augenblicks nicht begreifen will.
der den protzigen, biderben Meister Cyprian recht charak¬
beigekeltert
übrig, als nach einem letzten Seufzer über seine Selbst¬
teristisch gab, ging auf gar zu schweren Stiefeln und be¬
„Es fließen ineinander Traum und Wachen,
den eigen¬
täuschung die Unwürdige zu vergessen? Vielleicht hätte
tonte jedes Wort, als wär' es ein Bleigewicht, das ihm
Wahrheit und Lüge. Sicherheit ist nirgends.
schen Trunk
ein anderer Dichter diesen einfachen Stoff zu einer er¬
aus dem Munde fiel. Dagegen hatte Herr Basil einen sehr
Wir wissen nichts von Andern, nichts von uns.
r nur der
schütternden Tragödie gestaltet. Schnitzler begnügt sich
glücklichen Tag. Sein Paracelius war wirklich der über¬
Wir spielen immer; wer es weiß, ist klug.“
rubriziren.
mit einer gedämpften Plauderei zur Dämmerstunde. Aber
legene geniale Ironiker, der nicht mit großen Worten, son¬
er wandel¬
das Halbdunkel, das über den Seelen der drei Menschen
Das ist in kurzen Worten die etwas wohlfeile Lebens¬
dern mit verblüffenden Thaten überzeugte. Freilich unter¬
se von der
liegt, die sich hier, am Abend nach dem Begräbniß der
philosophie, die uns der Dichter in dem leichten Versspiele
stützten ihn Frl. Dandler (Justina), die alle Stadien der
iterarischen
Frau, zum ersten Male offen aussprechen, ist mit all seinen
mit viel Behagen vorträgt. Doch ist der in Haus Sachs,
Hypnose prächtig wiedergab, und Frl. Giesecke (Cäcilia),
ndnißiunig
schwankenden Lichtern und Schatten so meisterhaft gemalt,
scher Holzschnittmanier gehaltene Einalter so sehr er
die den Schrecken vor dem bösen Zauberer drastisch zum
er neuesten
daß Niemand sich dem Banne dieser Dämmerstimmung
feinere Charakterisirungskunst vermissen läßt, so geschickt
Ausdruck brachte, so wirksam wie nur möglich. Und
n anderen
entziehen kann, und die innexe Handlung, die sich
aufgebaut, daß sich der Zuschauer den etwas grobkörnigen
so war es denn kein Wunder, daß das Publikum
d Witziges
ganz in der Seele des Professors Pilgram abspielt,
Humor gerne gefallen läßt. Ja, er wirkt auf der Bühne
nach beiden Stücken lebhaften Beifall zollte und
so viel wir
die allmälige Enthüllung der ganzen traurigen Wahr¬
vor einem größerem Publikum, wie der gestrige Abend
die Darsteller wiederholt vor die Rampen rief.
Kravatten,
heit, ist so wahr und so einfach dargestellt, daß
zeigte, noch stärker als die duftige Stimmungsmalerei der
Was war aber dieser Beifall im Vergleich zu dem Jubel,
Hoffmanns¬
wir die ganze Vergangenheit, die doch blos als Er¬
„Gefährtin“ mit ihrem keuschen Verzicht auf jeden
mit dem auch diesmal wieder „Der grüne Kakadu“ aufge¬
r, was wir
innerung an uns vorüberzieht, thatsächlich mit dem alten
äußerlichen Theatereffekt. Freilich ist ihm nicht nur darin,
nommen wurde? Wieder rief das dankbare Publikum
ischen dieser
Manne miterleben. Wer das Geheimniß moderner
sondern auch an innerer dramatischer Wucht „Der
nicht nur die Darsteller, sondern auch Herrn Oberregisseur
lbst darüber
dramatischer Dichtung belauschen will, der sehe sich einmal
grüne Kakadu“ der den Abend beschloß, bedeutend
Savits wiederholt vor die Rampen und zeigte unserer
atriotismus
Schnitzlers „Gefährtin“ an! Auf der Bühne drei Per¬
überlegen. Was ich gelegentlich der letzten Aufführung der
Intendanz so gleichsam eigenhändig, daß es außer
zu nennen.
sonen in bald gedämpftem, bald heftig erregtem Zwie¬
literarischen Gesellschaft über diese Schnitzler'sche Groteske
dem „Weißen Rößl“ noch andere moderne Dicht¬
ge Luft, die
gespräch, ein bischen Dämmerlicht im Zimmer, ein Aus¬
sagte, hat für mich wenigstens gestern seine Bestätigung
ungen zu schätzen weiß. Im Uebrigen war diesmal
Enüde. Wenn
blick auf den Garten vor dem Hause, auf das frische Grab
gefunden: theatralisch ein Meisterstück geschickter Mache,
an Stelle des erkrankten Herrn Stury Herr Schröder
ese, geht mir
der verstorbenen Frau — das ist der ganze Bühnenzauber.
rein künstlerisch genommen ein schöner Blender, jeden¬
eingesprungen, um den phrasendreschenden Volksredner
Und trotzdem zwingt uns der Dichter, zumal wenn er von
falls aber eine erfreuliche Bereicherung unseres Theater¬
zu spielen. Abgesehen von einigen Uebertreibungen, zu!
einem so seinfühligen Regisseur, wie Meister Savits,
repertoirs.
Die gestrige Aufführung der drei Einakter bewies auf's denen die Rolle gerne verführt, war auch diese Leistung
unterstützt wird, in der kurzen Frist einer halben Stunde
Neue, daß das Personal unserer Hofbühne unter guter aller Anerkennung werth. Mit einem Wort: ein Ehrentag
ein ganzes, an Glück, Entsagung und bitterer Enttäuschung
unseres Hoftheaters, der hoffentlich für die Zukunft unseres
reiches Menschenleben durchzukosten!
Regie den modernen Stil der Menschendarstellung sehr
Schauspiels reiche Früchte tragen wird!
Verglichen mit der „Gefährtin“ (der Titel besagt, wielueus
wohl zu treffen weiß. Das gilt insbesondere von der
cherz. Nein,
Edgar Steiger.
anon lucendo, daß Pilgrams Frau eben nur dessen gesetz¬
Darstellung der „Gefährtin“, die Herr Savits so fein ab¬
in paarwohl¬
lich angetraute Frau, aber nicht dessen Lebensgefährtin
getönt hatte, daß es für den Freund moderner Stimmungs¬
bkeit hinweg¬
war), ist das Versspiel „Paracelsus“, der zweite Ein¬
malerei eine Freude war, das wechselnde Bühnenbild zu
wagt niemals
akter des gestrigen Abends, sehr leichte Waare. Was hätte
schauen und den Worten der Darsteller zu lauschen.
Menschen und
ein anderer Dichter aus der merkwürdigen Renaissance¬
Aber wie wurde auch gespielt! Herr Schneider
pft nicht, son¬
figur des Theophrastus Bombastus Paracelsus von
(Professor Pilgram), Herr Lützenkirchen (Dr.
gen oder man
Hohenheim gemacht! Zugleich Bahnbrecher der Wissen¬
und Fräulein Heese wetteiferten
ksein in eine
Hausmann)
schaft, Lehrer der occultistischen Geheimlehre und mark¬
miteinander, den gedämpften Ton des Ganzen
klang farben¬
schreierischer Charlatan, wäre der Basler Wunderdoktor
sestzuhalten und dabei doch, jedes in seiner Art, eine
geknickte Tra¬
ganz dazu angethan, selbst einen Shakesveare zu begeistern.
ganze Welt verhaltener Leidenschaft zu offenbaren. Ja, so
Prillparzer wie
Schnitzler aber zerbrach sich nicht lange den Kopf über diese
und nicht anders spricht man in einem Sterbehause. Da
Dichter fin de
zwiespältige Natur, sondern verwandelte ihn flugs in
gab es — Frl. Heese rechne ich das doppelt hoch an —
res erwarten?
einen modernen Hypnotiseur, der einem protzigen Basler

keine einzige gespreizte Betonung, keine einzige theatralische
in der Donau¬
Handwerksmeister durch seine Zauberkünste etwas Be¬
Geberde. Nur Herr Schneider hätte sich vielleicht beim
en zu erliegen
scheidenheit beibringt. Der Tausendsassa hypnotisirt näm¬
eln, eine stille
lich die ehrsame Waffenschmiedsgattin Justina, die früher Abgang den letzten langen Stoßseufzer sparen können.
ben übrig hat,
or. Aber diese! seine eigene Jugendgeliebte war, zweimal bintereinander. Viel weniger gelungen war die Aufführung des „Para¬