II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 3), Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt, Seite 625

daß sich der Zuschauer den etwas grobkörnigen Humor gerne gefallen
„Schlesische Zeitung'II.:
läßt. Ja, er wirkt auf der Bühne vor einem größerem Publikum, wie
„Der grüne Kakadu“ ist von seinem Autor, den wir besonders
der gestrige Abend zeigte, noch stärker als die duftige Stimmungsmalerei
um seiner „Liebelei“ willen schätzen, mit noch zwei Einaktern, „Die
der Gefährtin“ mit ihrem keuschen Verzicht auf jeden äußerlichen
Gefährtin" und „Paracelsus“, ebenfalls zu einem Bande vereinigt
Theatereffekt Freilich ist ihm nicht nur darin, sondern auch innerer
worden, doch ohne einen gemeinsamen Titel, der sich wohl auch kaum
dramatischer Wucht, „Der grüne Kakadu“, der den Abend beschloß,
herumtüfteln ließe, denn die Verschiedenheit dieser interessanten Schöpfungen
bedeutend überlegen. Was ich gelegentlich der letzten Aufführung der
ist zu groß. Von den bisherigen Aufführungen derselben in Wien,
litterarischen Gesellschaft über diese Schnitzler'sche Groteske sagte, hat
Dresden und Berlin her ist die am Sonntage hier gegebene „Groteske“
für mich wenigstens gestern seine Bestätigung gefunden: theatralisch
durch die so vielfach an sie geknüpften Erörterungen schon allgemein
ein Meisterstück geschickter Mache, rein künstlerisch genommen ein schöner
bekannt geworden — ihren Inhalt hat Ludwig Pietsch im letzten Berliner
Blender, jedenfalls aber eine erfreuliche Bereicherung unseres Theater¬
Briefe bereits kurz erzählt — und da sie am nächsten Mittwoch im
repertoires. Mit einem Wort: ein Ehrentag unseres Hoftheaters, der
Lobetheater mit jenen beiden anderen Dramen öffentlich in Scene gehen
hoffentlich für die Zukunft unseres Schauspiels reiche Früchte tragen wird!
soll, können wir uns heute damit begnügen, über die Aufführung des
auf einem originellen Gedanken kühn aufgebauten Stückes, einer mit
„Bayerischer Kurier“:
glänzenden Einzelheiten ausgestatteten wunderlich grausigen Episode des
Samstag Abend erzielte unser Hofschauspiel im kgl. Residenztheater
Bastillesturmtages (14. Juli 1789), die aber weniger historisch als
ich darf wohl sagen, den einzig ehrlichen
einen großen Erfolg —
psychologisch anziehend ist, zu berichten. Ob die starken Striche, ohne
der ganzen langen, an bitteren Enttäusungen so reichen Saison. An
welche die Wirkung des geistreichen Schnitzler'schen Werkes noch
diesem Samstag ist Arthur Schnitzler hoftheaterfähig geworden. Spät
packender gewesen wire eine der Schauspielerscenen war vollkommen
aber doch. Wie manches für die Intendanz harte Wort mußte ge¬
fortgefallen — auf Rechnung des Regisseurs zu setzen sind, bleibe dahin¬
schrieben und gedruckt werden, bis man sich entschloß, dem Dichter der
gestellt. Das zahlreich versammelte Publikum folgte beiden Stücken mit
„Liebelei“ des „Freiwild“ und des „Vermächtnisses“ die heiligen
gespannter Aufmerksamkeit und ließ es en lebhaftem Beifalle nicht fehlen.
Hallen des Tempels zu öffnen. Freuen wir uns, daß ein Lichtstrahl
leuchtend und freundlich das scheidende Theaterjahr grüßt. Arthur
„Breslauer General=Anzeiger“.
Schnitzler hat sich in dem Einakter=Abend, bestehend aus dem Schau¬
Die Sonntags=Matinée der „Freien litterarischen Vereinigung“ hat
spiele „Die Gefährlin“, dem Versspiel „Paracelsus“ und der Groteske
uns die Bekanntschaft zweier Novitäten vermittelt, deren eine sogar
„Der grüne Kakadu“ als Mann der Vielseitigkeit zeigen wollen.
entschieden litterarischen Werth beansprucht. Arthur Schnitzler bewegt
„Schaut her, was ich Alles kann!“ Und wirklich, er kann sehr viel.
sich in seiner einaktigen Groteske „Der grüne Kakadu“ auf historischem
In der „Gefährtin“ ist Schnitzler am meisten in seinem Element.
Terrain. Das Stück schildert uns das Präludium der großen französischen
Das ist echtester Schnitzler. Er trifft den Ton des abgedämpften,
Revolution; es spielt an dem Tag der Erstürmung der Bastille in einer
dämmerigen Milieus ganz meisterlich. Man könnte in dem Stücke nach
Art von Verbrecherkeller, der den anziehenden Namen „Der grüne
Ibsen'schen Rezepten suchen und doch wird man immer auf die Eigen¬
Kakadu“ führt. Schnitzler hat den Sprung auf das historische
art Schnitzlers stoßen. Der Dichter der „Liebelei“ der so gut beob¬
Gebiet mit großem Glück unternommen. Die Charakteristik der zahl¬
achtet, den Menschen so tief in die Seele schaut, der stille Lauscher, be¬
reichen handelnden Personen ist eine scharfe und lebenswahre und die
gegnet uns auch in der „Gefährtin". Er versteht es, das Interesse
geschichtliche Episode selbst ist durchaus dramatisch verwerthet. Freilich
mit den drei Personen nicht nur rege zu erhalten, er steigert es in uns
läßt diese Groteske noch keine Schlüsse zu, ob das Talent Schnitzler's
mit zwingender Gewalt. Das Stück erzielte lebhaften Beifall
auch einer größeren Composition auf historischem Gebiete gewachsen ist.
beim Publikum. Im „Paracelsus“, einem Verslustspiel, das an
Immerhin hat der Dichter gezeigt, daß er ein Meister im Kleinen ist
den Stil des Nürnberger Schusters und Poeten erinnert, erscheint uns
und das können nicht viele von sich behaupten. Herr Regisseur Niedt
Schnitzler als Fremder. „Paracelsus“ ist kein schlechtes Stück, die
hatte den „Grünen Kakadu“ in trefflichster Weise in Scene gesetzt.
Sache ist nicht ohne Humor, eine lustige Schnurre. Auch „Paracelsus“
Das Publikum nahm die Novität recht beifällig.
hat dem Publikum sehr gefallen. Den Schluß des Abends bildete die
Groteske „Der grüne Kakadu“. Das Stück wurde zuerst von der
„Schlesische Volkszeitung“.
literarischen Gesellschaft gegeben. Unter ihrer Flagge machte es Herr
Am Mittwoch Abend wurden im Lobetheater drei „Wiener Schnitzel“
von Possart residenztheaterfähig. „Der grüne Kakadu“ ist vom
von dem Wiener „Pocten“ Arthur Schnitzler servirt. Eines davon,
Publikum mit Jußel aufgenommen worden. Das Resultat des
das letzte, ist bereits bei Gelegenheit der letzten Matinée der freien
Abends war ein für unser Hofschauspiel sehr ehrenvolles: ein durch¬
literarischen Vereinigung besprochen. Bleiben noch die Nummer
schlagender, voller Erfolg, der bewies, wo der Lorbeer zu pflücken ist.
eins und zwei. — Es kann nicht geleugnet werden, daß beide Arbeiten
von dem bedeutenden Talente Schnitzler's Zeugnis ablegen und unter
„Neues Münchener Tagblatt“
den dramatischen Novitäten der Gegenwart einen keineswegs unter¬
Der Wonnemonat Mai hat uns ein künstlerisches Ereigniß gebracht.
geordneten Rang einnehmen. Ja, der Berliner Feuilletonist Ludwig
Arthur Schnitzler, dessen Werke das Münchener Publikum durch das
Pietsch nennt sie sogar „die bedeutendsten und fesselnds theatralischen
Schauspielhaus kennen gelernt hat, sieht die Thore der königlichen
Ereignisse Berlins innerhalb der letzten acht Tage Beide Einakter
Theater für sich geöffnet. Am Sonnabend hielt er mit den drei Ein¬
wurden freundlich ausgenommen.
aktern „Die Gefährtin“, „Paracelsus“ und „Der grüne Kakadu“
seinen Einzug. „Gefährtin“ ist ein düsteres Stimmungsbild aus dem
„Münchner Neueste Nachri###en“:
modernen Leben. Es würde vielleicht unerträglich sein, in solch' sittliche
Die Wiener Dichtung ist ein ganz sonderbares Mischgewächs. Sie
Verkommenheit blicken zu müssen, wenn nicht der Einakter bewunderungs¬
gleicht einem verschnittenen Landwein, dem beides zusammen, die fremde
würdig durchgeführt wäre. Die Figuren treten scharf, klar und lebens¬
Traube, die ihm beigekeltert ist, und der Erdgeruch des mütterlichen
wahr vor uns, gereinigt von jeder Unnatürlichkeit der Komödie. Die
Bodens den eigenthümlichen prickelnden Reiz giebt. Die durch Sentimen¬
Entwicklung ist eine präcise, die dramatische Steigerung und endliche
talität geknickte Tragik ist echt wienerisch. Wir finden sie bei Grillparzer
Katastrophe gewaltig und erschütternd, so daß wir völlig vergessen, auf
wie bei Anzengruber. Sollen wir da von einem Dichter fin de siècle,
die jammernde Stimme der schwer gekränkten Frau Moralität zu hören.
wie Arthur Schnitzler, etwas Anderes erwarten? Nein, das wäre
An diese „Gefährtin“ schloß sim „Paracelsus“ eine harmlose, ge¬
heute, da das Deutschthum in der Donanstadt, mehr und mehr dem
reimte Komödie aus dem Leben des großen Heilkünstlers Theophrastus
Ansturm der Slaven zu erliegen droht, doch zu viel verlangt. Ein
Paracelsus Bombast in Hohenheim. Als drittes Stück erschien „Der
müdes Lächeln, eine stille Thräue ist Alles, was der Dichter für das
grüne Kakadu“, Groteske in ein Akt.
#### üorig hat, im bestem Falle noch ein bischen Galgenhumor. Aber
#e#e zitternden Stimmungen weiß er so duftig und zart in Worte zu
„Münchener Zeitung":
verkörpern, daß wir ihm unsere Bewunderung nicht versagen können.
Wieder einmal drei Stücke, diesmal nahe Verwandte. Sprößlinge
Schnitzler begnügt sich mit einer gedämpsten Plauderei zur Dämmer¬
Arthur Schnitzlers. Wiener also. Gute Kerle. Charmante Plauderer.
stunde. Aber das Halbdunkel, das über den Seelen der drei Menschen
Bißl stutzerhaft. Und doch sich gehen lassend. Und sehr beweglich. Drei¬
liegt, die sich hier, am Abend nach dem Begräbniß der Frau, zum ersten
vierteltakt des Herzens und der Gedanken. Ein wenig Walzer auch in
Male offen aussprechen, ist mit all seinen schwankenden Lichtern und
der Trauer. Ein wenig Zärtlichkeit auch im Spott. Und mit einer
Schatten so meisterhaft gemal., daß Niemand sich dem Banne dieser
linden Müdigkeit in den Bewegungen, einem verhaltenen Ach im Lachen.
Dämmerstimmung entziehen kann, und die innere Handlung, die sich
Herzkrank, vielleicht blutarm. .. Jeder der drei Brüder selbstverständlich
ganz in der Seele des Professors Pilgram abspielt, die allmälige Ent¬
eine Persönlichkeit für sich. Der eine Melancholiker, der andere Choleriker,
hüllung der ganzen traurigen Wahrheit, ist so wahr und so einfach
der jüngste Sanguiniker. Dieser ein Grübler, jener ein Spötter, der
dargestellt, daß wir die ganze Vergangenheit, die doch blos als Er¬
letzte ein Orgiast. Aller Anfang ist schwer. Man lernt mit seinem
innerung an uns vorüberzieht, thatsächlich mit dem alten Manne mit¬
Herzen nicht so leicht Verstecken spielen. Und so ist, trotz aller Vorsätze,
erleben. Wer das Geheimniß moderner dramatischer Dichtung belauschen
in eines der drei neuen Stücke eine breite, warme Welle persönlichen
will, der sehe sich einmal Schnitzlers „Gefährtin“ an! Vergleichen
Empfindens des Dichters hinübergefluthet. — Mir ist eben darum „Die
mit der „Gefährtin“ (der Titel besagt, wie lucus a non lucendo, daß
Gefährtin“ das liebste unter diesen drei Stücken. Besseres als sich
Pilgrams Frau eben nur dessen gesetzlich angetraute Frau, aber nicht
selbst hat Niemand zu verschenken. Auch Schnitzler nicht. Und
dessen Lebensgefährtin war), ist das Versspiel „Paracelsus“, der zweite
Schnitzler hat hier von seinem Köstlichsten gegeben: von seiner Lyrik.
Einakter des gestrigen Abends, leichte Waare. Das ist in kurzen Worten
So ungefähr empfinde ich „Die Gefährtin“. Aufflackern einer Kerze
die etwas wohlfeile Lebensphilosophie, die uns der Dichter in dem
vor dem Verlöschen. Abschiednehmen von Unwiederbringlichem. Ein
leichten Versfpiele mit viel Behagen vorträgt. Doch ist der in Hans
Sachs'scher Holzschnittmanier gehaltene Einakter, so geschickt aufgebaut, hellseherischer, illusionsloser Abschied, der die ganze Nichtigkeit der Dinge