II, Theaterstücke 9, (Der grüne Kakadu. Drei Einakter, 1), Paracelsus. Versspiel in einem Akt, Seite 45

aracelsus
9. 1. J
box 14/6
österr. behördlich konzessioniertes Unternehmen für
Zeitungsausschnitte, Wien, I., Wollzeile 11, Tel. R 23-0-43
ABENDAUSG A9
Ausschnitt aus:
BrünnerTagesbote, Brünn
vom 26. JAN. 1937
Der Tor und der Tod. — Paracelsus.
Gastspiel von Mitgliedern des Burgtheaters im
Landestheater.
G. — Mag wahrscheinlich die gleiche kleine
Anzahl von handelnden Personen in erster Linie
bei der Zusammenfügung der beiden einaltigen
Dichtungen für Provinzgastspiele des sechsköpfigen
Burgtheaterensembles maßgebend gewesen sein,
so war gewiß auch die gedankliche Harmonie, die
im Loben und Schaffen die beiden Wiener Ro¬
mantiker Hugo v. Hofmannsthal und Arhur
Schnitzter einte, nicht übersehen worden. Die
Tragodie des ewigspielenden, nie im Leben ver¬
woben, nie an dieses verloren gewesenen Toren,
der erst im Angesicht des Todes erkennt, an wel¬
chen Glücksmöglichkeiten er blind und in ästheti¬
sierendem Egoismus vorübergegangen ist, findet
in der Renaissancegestalt des mit Menschenseelen
erperimentierenden Arztes Paracelsus, das komö¬
dienhafte Gegenstück. Als er der einst geliebten
Justina wieder begegnet, ist sie die Gattin des
engstirnigen, prahlerischen Waffenschmiedes Cy¬
prian, dessen Verachtung seiner ärztlichen Seelen¬
kunst Paracelsus durch eine Justina erteilte Sug¬
gestion strafen will. Dabei „schlägt ihm jedoch
des eigenen Zaubers Schwall überm Haupt mit
Hohn zusammen“ er erfährt, — zu spät — daß
einst ein Feuster in der Stadt nächtlich offen¬
stand für ihn, der nicht kam.=Ob sich dann frei¬
lich aus dem Bombastus Theophrastus Hohen¬
heim, wenn er in die Netze des Eros geraten
wäre, der große Seelenarzt entwickelt hätte, dessen
Bahre vom Archeus, dem unbewußt wirkenden
Lebensprinzip, Schnitzler in die Kunst umdeutet,
durch Hypnose das Tor der Seelengeheimnisse zu
öffnen, bleibt uncrörtert. Raoul Aslan spielte
die beiden Abenteurer des Lebens Claudio, der
Tor Hofmannsthals, blieb leider hohles Vir¬
tuosentheater. Und die Regieidee, das tragische
Spiel entgegen den Absichten und genauen
Milienangaben des Dichters in einen imaginären
Raum zu verlegen, in dem dann stillos doch
ein Stuhl stand. Die Mätzchen, den Diener einen
unsichtbaren Teller in die leere Luft stellen zu##
lassen, aus einer nicht vorhandenen Lade un¬
sichtbare Briefe herauszureißen, Landschaftsschil¬
derungen und Porträtbetrachtungen in den aus
einer Loge kommenden Lichtkegel zu sprechen,
brachten das an Stimmungswerten und sprach¬
lichen Kostbarkeiten in der gesamten Weltliteratur
einzig dastehende Werk des 18jährigen Hofmanns¬
thal fast um jeden Zauber, zumindest für alle,
denen es bisher unbekannt geblieben ist, und sol¬
cher werden nicht wenige gewessen sein. Claudio
ist auch nicht der überreise Mann, als den ihn
Aslau gestaltet. Die äußere Rhetorik ließ über¬
dies die innere Musik der herrlichen Verse un¬
erlöst und der erschütternde Schmerz, den jede
Loktüre des Dramas immer wieder vermittelt,
blieb diesmal aus. Aslans Claudio drang nur
zum Trommelfell. Nicht wenig trug zur Des¬
illusionierung des Zuschauers die Unbeteiligung
des stummen Claudio an den um ihn sich abspie¬
lenden Ereignissen bei, da sich der Darsteller in¬
zwischen angelegentlichst mit dem Beleuchter und
dem Souffleur beschäftigte. Um Aslaus Paracelsus
hingegen wob eine fesselnde Atmosphäre des ge¬
heinmisvollen Schicksalslenkers, durchblitzt von
köstlicher Ironie und lächelndem Humor, mit
denen er Sieg und Niederlage dieser entscheiden¬
den Lebensstunde zur Schau trug. Auguste Pün¬
kösdy sprach das Mutterleid ergreifend und
schlicht und gab auch der Justina im Banne des
Jugendfreundes Farben und Töne zartester soe¬
lischer Aufgeschlossenheit. Julia Janssen lag
die verhaltene Klage der toten Geliebten Clau¬
dios nicht minder überzeugend als der kindliche,
Trotz Cäcilias. Aus dem stilvoll=statuarischen
Erlöser=Tod verwandelte sich Reinh. Siegert
in den lauten, von starker Drastik getragenen
Prahlhaus Cyprian. Philipp Zeska lieh dem
anklagenden Jugendfreund Glaudios die bedrän¬
gende Wucht eines „Nachtmahrs“ und entfaltete
hierauf als zuerst stürmischer, dann verdutzter
Junker Ansolm feuriges Temperament und er¬
heiternde Nuancen. Als Doktor Copus belustigte
Viktor Braun durch künstlerisch gebändigte
Groteslkomik. Die Wiener Gäste wurden nach bei¬
den Stücken herzlichst gefeiert.