II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 280

8.
Freiwil¬
.
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gung beisammen
teren wirklich nicht mehr ansah, wie
ihn eine halbe Stunde vorher der er¬
stere mitten durch's Herzchen geschof
en hatte. Und die Kameraden vom
Rement, der Jaques Horwitz und der se
Rudolf Senius, der als Husarenlieu
tenant ganz besonders verführerisch
ausgesehen hatte, sowie Othello Han¬
no, der Baron von Seiffertitz, nicht
weit davon die niedliche Olga d'Estree
und die Gussie Fränkel — aber ohne
den Spitzenvorhang, den sie in dem
Stücke trug — lieferten zusammen
mit jenen den Beweis, daß ihr Direk¬
tor sie nicht auf halbe Gage gesetzt
hatte.
Ueberhaupt — wem's gestern im
Irving Place Theater nicht klar ge¬
worden ist, daß wir Wilde doch bessere
Menschen sind, dem kann ich nicht hel¬
fen. Es sollte sich nur mal Jemand
erlauben, zum Beispiel unsere Eugenie
Schmitz für Freiwild zu halten und
sie zu einem mitternächtlichen Cham¬
pagner=Supper einladen — na, zum
zweiten Male würde er es nicht thun.
Oder die Pauline Hall, welche jetzt
grade bei Hyde und Behman die schön¬
sten Jugenderinnerungen wachruft.
Nein, so etwas thun sie nicht, unsere
Bühnengrößen, und selbst die kleinsten
Chormädel, deren schöne Beine nicht
im Hintergrunde zu verkümmern
brauchen, ziehen einen soliden älteren
Herrn aus Wallstret jeglichem jungen
Hero aus Manila vor.
Abgesehen davon, lassen sich aber
auch die sämmtlichen österreichischen
und reichsdeutschen — äh — Lieute¬
nants und Fahnenjunker, deren Blüthe
bekanntlich hier in New York die Ser¬
viette schwingt, auf die Schießerei
principiell nicht ein. Nicht für das
höchste Trinkgeld.
Aber äußerst interessant und span¬
nend ist das Schnitzlerische Freiwild
deshalb doch. Sie sollten sich das
Stück unter allen Umständen ansehen;
es lohn der Mühe. Weshalb es jedoch
auf dem Programme als Komödie be¬
zeichnet wird, ist mir allerdings uner¬
findlich geblieben; wenn zum Schlusse
Einer mausetod geschossen wird, so
hört die Komödie doch auf.
Für den Generalkonsul Stockinger
hat sie, für das Hudsondabel wenig¬
stens, auch aufgehört; die K. K. Re¬
gierung will ihn durchaus wieder in
der vielsprachigen Heimath haben.
Und ich kenne hier mehr als einen bes¬
seren Menschen, welcher diese Zurück¬
berufung sehr bedauern wird. Er
war ein ungemein liebenswürdiger
Gesellschafter, der Stockinger, und ge¬
hörte zu den nicht häufig zu findenden
Leuten, welche treue Freundschaft zu
hälten wissen. Ob er grade großen
Scharfblick in der Beurtheilung der
industriellen und Handelsverhältnisse
gezeigt hat, ist ja eine andere Frage;
große Nationalökonomen sind die
österreichischen Diplomaten im Allge¬
meinen nicht. Aber hier für New
York liegt ihre Hauptaufgabe auch
garnicht auf diesem Gebiete, sondern
in dem berühmten Ausgleich zwischen
den widerstreitenden Nationalitäten,
über welchen in dem schönen Wien
schon so viele Minister gestolpert sind.
Und dem is auch er zum Opfer ge¬
fallen. Wenn nur etwas besseres
kommt!