II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 314

8.
box 14/4
-
il
Telephon 12801.
Alex. Weigls Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
„OBSERVER
I. österr. behördl. konz. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, New-York,
Paris, Rom, Mailand, Stockholm, Christiania, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus: Montags-Revue, Wien
30.05
vom
(Deutsches Volkstheater.) „Freiwild
von Arthur Schnitzler, das vor Jahren schon im Carl¬
theater sehr gefallen hat, wurde gestern der Tendenz und der
dramatischen Kraft wegen demonstrativ beklatscht. Die Hand¬
lung ist bekannt. Ueber das Schauspiel wurde seinerzeit
ausführlich berichtet. Es erübrigt nur der Darstellung Aner¬
kennung zu zollen. Herr Kutschera ist stets vorzüglich,
wenn er einfache, ehrliche Menschen mit. Herr Kramer
lieh seinem Offizier viel Eleganz und eckige Schärfe. Herr
Jensen war sein ebenbürtiger Kamerad. Herr Tewele
wirkte schon durch die Maske des Schmierendirektors. Frl.
Erl gab das Freiwild, schlicht und innig, ohne Ueber¬
treibung, aber auch ohne tiefe Wirkung.
et
Telephon 1200.
Alex. Weigls Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
„OBSERVER¬
I. österr. behördl. konz. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, New-York,
Paris, Rom, Mailand, Stockholm, Christiania, St. Petersburg.
le Journal
Ausschnitt aus:
vom 29.03
(Deutsches Volkstheater.) Artur Schnitzlers drei¬
aktiges Schauspiel „Freiwild, das vor einigen Jahren,
noch unter Jauner, im Carl-Theater in wahrhaft glänzender Be¬
setzung gegeben worden ist, hat gestern im Spielplan des Deutschen
Volkstheaters eine Auferstehung erlebt. Wie man fürchten muß,
eine von sehr kurzer Dauer. Der Beifall des ausverkauften
Hauses, sehr kräftig nach dem ersten Fallen des Vorhanges, ließ
von Akt zu Akt nach. Das Stück krankt eben an einem inneren
Leiden, das sich durch zunehmendes Alter keineswegs bessert.
Man könnte nur beanständend wiederholen, was schon
gelegentlich der ersten Wiener Aufführung gesagt worden ist.
Schon der Titel trifft nicht den Kernpunkt des Stückes, in die
Duellfrage, sondern seitwärts, in die freilich besser gezeichneten
Nebenumstände. Freiwild sind die kleinen Theaternovizen, denen
in irgend einer Schmiere der Schmetterlingsstaub die künstlerischen
Illusionen abgestreift wird und die in ihrer Mädchenehre zu be¬
leidigen sich jeder Lehrbursche das Recht herausnimmt. Ein solcher
Herr ist der verschuldete Leutnant Karinsky, den gestern Herr
Kramer recht wirkungsvoll mimte. Er wettet im Kameradenkreise,
daß die Naive Anna Riedel die Einladung zu einem intimen Souper
annehmen werde und ärgert sich nach dem Verlust der zwanzig
Champagnerbouteillen, nicht des Geldes wegen — denn er bleibt es
schuldig, das Geld mithin für ihn keinen Wert besitzt — sondern
über das zufriedene Lächeln des Herrn Rönning, (Herr Kutschera
etwas zu bieder!) der ein wirklicher ehrlicher Freund
der Schauspielerin ist, kein Freund mit Anführungszeichen. Herr
Rönning, der bisher alle Umgangsformen, auch die vor der
Contrahage üblichen jener Gesellschaftsklasse peinlich beobachtete,
in der nach solchem Vorgehen der Zweikampf als die
einzig mögliche Lösung betrachtet wird, nimmt jedoch die For¬
derung nicht an. Man mag über Sinn oder Unsinn wie immer
denken, die philosophischen Grundsätze, mit denen Herr Rönning die
Genugtuung mit der Waffe ablehnt, sind schon mehr als ver¬
dächtig. Er verachtet alles Vorurteil; er läßt sich von
seinen Freunden ruhig als „Auskneifer" behandeln.
Und derselbe überlegene Geist, der inzwischen der
geliebten Naiven einen Heiratsantrag gemacht, also Pflichten
übernommen hat, bleibt „justament" in dem Badeorte, weil
er erfährt, daß der von ihm gezüchtigte, das heißt ruinierte
Offizier im Zustand der Verzweiflung zu jeder Rache bereit
ist. Er setzt sich nicht unter gleichen Chancen, im Zweikampf, der
Todesgefahr aus, aber er läßt sich wehrlos von dem Leutnant
niederknallen. Er ist demnach kein prinzipienfester Charakter, er ist
trotz seiner schönen Reden ein von Knabentrotz erfüllter Hohlkopf.
Das hat gestern schließlich, wie bei der Erstaufführung, eben¬
falls die so schnöde im Stiche gelassenen Duell¬
gegner gegen die Hauptfigur empört oder doch verstimmt.
Noch weniger Vergnügen hatten die Anhänger der ritterlichen
Genugtuung von ihren Gesinnungsgenossen auf der Bühne. Das
sind nämlich allzu kuriose Gesellen. Fräulein Erl, die Darstellerin
der weiblichen Hauptgestalt, vergoß wirkliche Tränen. Das war
0. t.-b.
vielleicht das Echteste des gestrigen Theaterabends.