II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 131

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Kunst und Litteratur.
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überhaupt nicht vorkommen.
Liebelei. Schauspiel von Arthur Schnitzler.
breitet. Der erste Akt schon läßt das tragische Ende vor¬
(Berlin, S. Fischer, 1896.)
aussehen, da der junge Lebemann die Herausforderung des
Wir hatten das Vergnügen, bereis vor zwei Jahren,
beleidiglen Gatten während einem Souper empfängt, das
als Arthur Schnitzler unter dem Titel: „Anatol“ eine Reihe
er und ein Freund in traulichem Tét „-Tête mit Christine
raffiniert feiner Dialoge aus dem „Liebesleben“ großstädti¬
und eren Kamerädin Miezi veranstaltet haben. Wer
scher Genußmenschen als Buch erscheinen ließ, auf das
„Anarol“ kennt, kann sich vorstellen, in welchen dem Wiener
außerordentliche Talent dieses jungen Wiener Schriftstellers
Leben abgelauschten, charakteristischen und intimen Tönen
hinzuweisen Es schien uns bereits damals unzweifelhaft,
dieses Junggesellen= und Grisettenmilieu gemalt ist. Und
daß Schnitzler, wenn er innerhalb derselben Beobachtungs¬
welche Reden praktischer Lebensphilosophie da fallen! Z. B.:
sphäre einen nicht bloß zur Phantasie und zum Verstand,
Theodor (zu Fritz, mit Anspielung auf dessen Verhältnis
sondern auch zum Herzen sprechenden Stoffsfinden sollte,
zur verheirateten Dame, auf Christine deutend):
ein Bühnenwerk von Bedeutung schaffen würde. Dies ist
Für so ein süßes Mäderl geb’ ich zehn dämonische
nun geschehen. „Liebelei“ hat am deutschen Theater in
Weiber her.
Berlin am 4. Februar einen enormen Erfolg davongetragen
Fritz.
und alle Zeitungen der deutschen Hauptstadt stimmten so
Das kann man nicht vergleichen.
ziemlich darin überein, daß dieses Stück, ähnliche Stim¬
Theodor.
mungen vermittelnd wie Halbe's „Jugend“, auch gleich
diesem Schauspiel auf lange Zeit hinaus fest auf dem Re¬
Wir hassen nämlich die Frauen, die wir lieben — und
pertoire derjenigen Bühnen stehen werde, welche die mo¬
lieben nur die Frauen, die uns gleichgültig sind.
derne dramatische Kunst pflegen.
Fritz (lacht).
Die Handlung läßt sich kurz dahin zusammenfassen,
An einer andern Stelle macht Theodor diesen etwas
daß ein junger Lebemann, der seine Zeit mit Liebeleien
paradox ausgedrückten Gedanken durch folgende Worte klarer:
zubringt, an ein gutes, unverdorbenes Mädchen, die Tochter
„Zum Erholen sind die Weiber da; darum bin ich auch
eines braven, alten Orchestergeigers, geraten ist, mit der er
immer gegen die sogenannten interessanten. Die Weiber
auch nur ein kleines Tächtel-Mächtel anzubandeln vermeint,
haben nicht interessant zu sein, sondern angenehm.
während das Mädchen ihm eine tiefe, starke und bis in
Sie sind ja glücklich in ihrer gesunden Menschlichkeit —
den Tod getreue Liebe entgegenbringt. Und sie stirbt wirk¬
was zwingt uns denn, sie um jeden Preis zu Dämonen
lich daran. Während er nämlich mit Christine tändelte
oder zu Engeln zu machen?“
und dabei allerdings auch selbst allmälich Feuer fieng, setzte
Der zweite und der dritte Akt spielen in Christines
er eine Liebschaft mit einer verheirateten Frau fort und
Wohnung. Ueber diesen Teil der Dichtung könnte man als
wurde von deren Gatten im Duell erschossen. Als nun
Motto schreiben: „Tadle nicht der Nachtigallen bald ver¬
das arme Mädchen erfährt, der Mann, der ihr Alles war,
hallend süßes Lied;“ ein Frühlingstraum, wie Fliederduft,
habe die Liebe zu ihr nur so nebenher als eine Unterhal¬
verschwebt und nur die weißen Rosen des Grabes bleiben
tung aufgefaßt bringt der doppelte Verlust — einmal sein
zurück.
Tod, sodann die Entdeckung, daß er ihr niemals ganz ge¬
sie um alle Fassung. Sie stürzt fort aus dem
hörte —
Hause des Vaters und dieser weiß -
und wir wissen es
mit ihm - daß sie nie mehr zurückkehrt, in den Wellen
der Donau wird sie ihr Grab finden. (Ich muß hier ein¬
schalten, daß der Theaterberichterstatter der „Vossischen
Zeitung", Paul Schlenther, der über Werke der modernen
Richtung sehr schön referiert — nicht schnöde, wie metlich
über Wildenbruchs Heinriche — seltsamer Weise das Ende
der Handlung dahin auslegt, das Mädchen stürze sich „im
ersten Aufruhr ihrer Empfindungen viele Stock hoch zum
Fenster hinaus“. Das Stück schließt aber damit, daß
Christine zum Zimmer hinauseilt. Der Vater, der sie nicht
halten konnte, geht mühsam von der Thür bis zum Fenster.
„Was will sie... was will sie“ sagt er und sieht durchs
Fenster ins Leere. Dann spricht er: „Sie kommt nicht
wieder — sie kommt nicht wieder!“ — Er sinkt laut schluch¬
zend zu Boden und der Vorhang fällt. Schlenther nimmt
also an, der Vater habe sehen können, daß sie sich hinab¬
stürzte. Aber die Lage des Zimmers ist vorher als eine
zu oberst in dem hohen Hause, über alle Dächer weg bis
zum Kahlenberg die Aussicht gewährende geschildert wor¬
den, so daß es gar nicht möglich wäre, in die Gasse hinab¬
zusehen. Auch heißt es ausdrücklich „sieht ins Leere“. Mit¬
hin ist diese Auffassung keine berechtigte, es müßte denn
auf dem deutschen Theater der Schluß etwas anders ge¬
geben worden sein, als er im Buche steht. Die Darstellerin
der Christine war die an Holdseligkeit und bezaubernder
Weiblichkeit unter allen lebenden Schauspielerinnen einzige
Frau Agnes Sorma.)
Man sieht aus unserer kurzen Inhaltangabe, daß
Schnitzlers Stück trotz dem Titel „Liebelei“ doch ein echtes
Liebesdrama ist. Es spielt an ein paar Wiener Maien¬
tagen, über die sich eine elegische süß=schmerzliche Stimmung,