II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 183

unter 2.
Arthur Schnitzler aber schildert uns das Leben mit] Krug“ und die Darstellung des Kleist'schen Werkes
[Schere
frischer Ursprünglichkeit, mit eindringlicher Wahrheit. übrig bleibt. Hermann Müller hat als Dorf¬
Er ist ein scharfer Beobachter, mehr ein feinfühliger! richter Adam eine ganz vortreffliche Leistung geboten
Herr
Empfinder als ein großer Erfinder und verlebendigt und
in vielen Zügen diesen alten Sünder
Pianist,
das, was er zum Theil „an eigener Haut“ erfahren, und Dorftyrannen wohl getroffen, ohne aber alles
sitz hatte,
zum Theil mit dem tieferschauenden Blick des Poeten heraus zu holen, was in dieser wunderbaren
Concert
Komödiengestalt steckt. Für die Marthe Rull ist die
erspäht und durchdrungen haben mag.
Komik Marie Meyer's sozusagen nicht feist genug.
Der erste Act, der uns das Leben in dem eleganten
Das
Als verbissene Frau Strumpfwirker hingegen in der
Heim eines leichtlebigen Junggesellen zeigt, muß
seiner E
„Liebelei“ zeigte sich die Charakterkunst der aus¬
geradezu als meisterhaft bezeichnet werden. Ein
Streichau
gezeichneten Darstellerin in ihrer ganzen Schärfe,
eigener Zufall fügte es, daß wir erst unlängst in
Vortrag
B. J.
die hier auch erforderlich war.
Bracco's Komödie „Untreu“, die nur mit dem Feuer
8
spielt, in ein ähnliches Milien hineinblickten, auch in
Man schreibt uns aus Turin vom 2. Februar:
die Wohnung eines ledigen Lebemanns, wo in allen
Gestern Abend wurde im Teatro Regio die neue
Winkeln die Liebesgötter zu wispern scheinen und
Oper Puccini's „La Vohéme“ zum ersten
Dem
über den schwellenden Divans den zierlichen
Male aufgeführt. Puccini ist der Benjamin und die
die neue
Bibelots, den rosenübervollen Vasen ein duft¬
Hoffnung des Verlagshauses Ricordi, wie Mascagni
vorgefüh¬
schwüler Hauch der Sinnlichkeit weht. Was in der
der Bahnbrecher des Sonzogno'schen Verlages, aber
Es ist e
graziösen Form des geistvollen, tändelnden Italieners
er gilt, obwohl er keinen Erfolg aufzuweisen hat, der
Stück, u
zu einer schillernden Komödie wurde, das verinner¬
dem der Cavalleria gleichkäme, für den bedeutenderen
Museen
lichte der Deutsche zu einem ergreifenden Stück Leben,
zum Menschenschicksal. Wunderbar echt und sein sindMusiker. Für die „Bohème“ hat Ricordi eine Reclame
erworben
die Contrastwirkungen, die Schnitzler durch die völlig machen lassen, die an die schlimmsten Ausartungen
verbliebe:
Sonzogno's auf diesem Gebiete erinnert. Den Musik¬
ungezwungene Gegenüberstellung grundverschiedener
so schön
berichterstattern selbst der Provinzblätter hat Herr
Charaktere und Lebensanschauungen erzielt. Wie
Art sonst
Ricordi die Reise= und Hotelkosten und auch die Tele¬
3 m
in Henry Murger's herrlicher, leider noch immer
graphengebühren bezahlt, so daß sich heute früh ganz
vergoldmr
nicht nach ihrem vollen Werth geschätzten „Vie de
Italien mit spaltenlangen Lobpreisungen „der hervor¬
Bohème“ Mimi das unbekümmerte lachende Kind der
Ringen i
ragendsten musikalischen Erscheinung der letzten Jahre“
Liebe, die ewig zirpende, des Winters nicht gedenkende
aus nack
Grille ist, und Franeine elend dahinsiecht an Liebe überhäuft sieht. In Wahrheit fehlt Puccini's „Bohême“
Bodenstü
und Hunger, so sehen wir gleichsam in den beident bei allen Vorzügen seiner musikalischen Gestaltung das
durch die
Wienerinnen Mizi Schlager und in Christine die Liebeleis eigentliche dramatische Leben. Murger's „Scénes de
Ausführi
la vie de Bohème“, die dem Buche den Stoff gegeben
Werthe.
und die Liebe verkörpert. Mizi Schlager wechselt ihre
haben, eignen sich eben nicht für die Bühne. Was
ist die
Liebhaber so gleichmüthig und frohlaunig wie ihre
den Reiz der Novelle bildet, die musterhafte Dar¬
schimmer
Walzertänzer, wenn beim Heurigen die Fidel erklingt,
stellung des Milien, die psychologische Feinheit der
sitzen Be
und in dieser feschen, drallen Modistin, die nach einem
Charakteristik, das geht in der grellen Beleuchtung der
lichtem (
sehr ungenirten Souper fragt, ob es auch „anständig“
Bühne verloren und kann auch durch die Vorzüge der
ornamen
ist, etwas von den Speiseresten einzupacken und mit¬
Musik nicht ersetzt werden. Im ersten Acte fand ein
grundes
zunehmen, ist viel von jenem einstigen, entzückenden
Liebesduett zwischen Rudolf und Minni lebhaften
Blumen
Grisetten=Leichtsinn, den man in dem Paris von heute,
Beifall. Der zweite Act ließ das Publikum kühl,
Orname
wenigstens in so anmuthender Gestalt, schwerlich noch
dagegen steigerte sich der Erfolg wieder im dritten
H. R. 9
findet. Die Christine aber hat einen leisen Zug der
Acte und erreichte seinen Höhepunkt nach dem Quar¬
in ihrer.
Schwermuth und aus ihrem zärtlichen Empfinden bricht
tette der beiden Liebespaare. Im Schlußacte ergriff Handbu¬
zuweilen jene leidenschaftliche Wildheit des Herzens
die Sterbescene Mimi's. Der Musik Puecini's eignet liches zu
hervor, die Unheil kündet. Man fühlt es sofort,
ein natürlicher Fluß und neben warmer Empfindung
Seelend
daß sie vom Stamm der Asra ist. Und — nach
ein erfreulicher Reichthum melodischer Kraft. Der
äußeren
der alten Erfahrung von Gleich und Gleich gesellt
Aufführung wohnten fast alle jüngeren italienischen
aus Kie
sich gern — hat die Mizi ihren Theodor gefunden,
Componisten von Namen bei, unter ihnen Mascagni.
mit Lede
Leben
einen frohsinnigen, flotten Jungen, der das
eine Cer
Fritz
nur von der heiteren Seite nimmt.
In Rheims hat vor einigen Tagen die erste
sucht
schlossen
Lobheimer aber, der Galan Christinen's,
Aufführung des „Zigeuerbaron“ von Johann
lichen
schwer
Lustigkeit die
nur durch lärmende
Strauß mit einem glänzenden Erfolge um ein Uhr
gerade
eines
auf seine Seele drückende Ahnung
Nachts geendet. Das Publikum ließ die Finales drei¬
Denn de
herandämmernden Unglücks zu scheuchen, oder
bis viermal wiederholen und konnte sich an der schönen
tigen K¬
wenigstens zu betäuben. Wie diese beiden Pärchen
Musik nicht satt hören. Die Aufführung übertraf jene
Plichen*
sich necken und scherzen und umschlingen, wie sie ein
von Paris in jeder Hinsicht, wozu insbesondere die
bilder
Souper improvisiren und wie plötzlich zu später
vorgügtiche-Berstellung der Herren Thomas Salignac
Constra
Stunde dieses Liebesmahl schrill und jäh durch
und Godefroy (von der Komischen Oper in Paris),
werden,
den Rechenschaft fordernden, betrogenen Gatten ge¬
sowie der Damen Ollivier, Caro=Lucas, Lassalle und
eine Ka
stört wird, das ist dem Leben bis in die kleinsten
Lefévre beigetragen hat. Der „Zigennerbaron“ gelangt
Helmba
Züge förmlich abgelauscht.
jetzt in allen größeren Städten Frankreichs zur Auf¬
wird.
Die feinste dichterische Empfindung Schnitzler's
führung. Musikverleger Cranz wohnte der ersten Auf¬
ist die
aber quillt im zweiten Acte aus der Gestalt des alten
führung in Rheims bei, welche die Journale „Natio¬
zweckme
Theater=Geigenspielers Weiring hervor. Auf diesem
nal“ und „Le Public“ enthusiastisch besprechen.
die alte
verkümmerten Graukopf, dem Vater Christinen's,
lerischer
der — eine grausame Ironie — das Recht auf den
Formei
Lebensgenuß verkündet, ruht etwas unendlich Weh¬
die hen
Binker den Coulissen.
müthiges. Selten ist in schlichterer Form, mit
vorkomi
Hans Olden's neues fünfactiges Schauspiel
größerer Wahrhaftigkeit das tragische Schicksal einer
weil si
armen, abgenutzten Menschenseele zum Ausdruck
„Helene“ ist von Herrn Intendanten Prasch für das
fähigkei¬
gekommen.
„Berliner Theater“, sowie von Herrn Angelo
besten 6
Im letzten Act, wo es sich zu Ende neigt, ist auch
Neumann für das „Deutsche Landes=Theater“ in Prag
Gegenst
ein merklicher Niedergang des Werkes zu spüren, aber
zur Aufführung angenommen.
Ueber d
gerade hier kam die ergreifendste Darstellungskunst
Dunkel,
Im „Theater Unter den Linden“ geht
dem Dichter zu Hilfe und half über alles hinweg.
davon
heute Millöcker's „Bettelstudent“ in Seene und wird
Frau Agnes Sorma war die Christine der
burger
morgen wiederholt. Am Freitag gelangt Offenbach's
„Liebelei". Diese unvergleichliche Künstlerin hat hier
carum“
„Die schöne Helena“ zur Darstellung. In der Titel¬
wieder einmal aus tiesstem Empfinden her¬
vermeh
die sich un¬
rolle eröffnet Frau Pettersson=Norrie ein Gastspiel.
aus eine Gestalt geschaffen,
und 2
Herr Klein wird zum ersten Male die Rolle des
vergeßlich dem Gedächtniß einprägt. „Weißt',
„gülder
Kalchas spielen.
Dein G'sicht zeigt immer was Du verspürst“
beiden
so ungefähr sagte einmal die Mizi zu ihrer
Kaufmi
Die Autoren des „Hungerleider", welches im
Freundin Christine. Das trifft auch genau auf die
Reichs
„Friedrich=Wilhelmstädtischen Theater“
Künstlerin Sorma zu. Aus ihren Augen, aus ihren
Gründ
andauernd seine Zugkraft ausübt, haben für Herrn
Mienen spricht die überquillende Zärtlichkeit und der
Rohre
tiefste Seelenschmerz mit einer so hinreißenden Ge=Hanno, den Darsteller der Titelrolle, ein neues Couplet
kein Z
geschrieben.
walt, daß es kaum noch des Wortes bedürfte.
Art ui
in Fülle der zartesten
1