II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 193

Liebelei
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5. Tenenng

Max Karfunkel's Nachrichten-Bureau, Argus“
Berlin C., Poststrasse 29. Telephon V. 1227.
Paris.
New-Vork.
London.
(Liest alle Zeitungen der Welt und liefert aus denselben
Ausschnitte über jeden Gegenstand.)
Schlesische Ztg.
Bres1au
9-FEB. 96
r
— Die zu Ende gehende Woche hat einmal wieder dem Deutschen
Theater einen nach den letzten wiederholten Fehlschlägen doppelt
vollkommenen Erfolg gebracht. Es verdankt ihn dem rührenden
modernen Sittendrama „Liebelei“ des wiener Schriftstellers Arthur
Schnitzler und mindestens ebenso seiner Darstellung durch Frau
Sorma, Gisela Schneider, Marie Meyer, die Herren Reicher,
Rittner, Jarno und Nissen. Den Gegenstand bildet die alte, aber
immer neue und immer moderne und „zeitgemäße" Geschichte von
dem reichen Jüngling (diesmal eine echt wienerische Pflanze), der
durch die interessante, „dämönische“ Frau eines Anderen in ein
geheimes, leidenschaftliches, aber ihn selbst quälendes, mit bangen
Ahnungen erfüllendes Liebesverhältniß verstrickt worden ist und
seinerseits von einem einfachen, armen, holden Geschöpfe, mit dem
er „zur Erholung“ von jenen Aufregungen angebändelt hat, noch
viel heißer und treuer geliebt wird. Er ist dieser ernsten, schwer¬
müthigen, freudlos bei dem guten alten Vater, dem Geiger im
Orchester eines kleinen Theaters, lebenden jungen Näherin und
Notenabschreiberin alles. Bei ihm allein ist Seligkeit und ohne
ihn der Tod für sie, während ihre Freundin, die kleine muntere
Modistin, sich gar keine Illusionen und Gedanken darüber macht,
daß ihr eigenes Verhältniß zu dem lustigen Freunde jenes Herrn
Fritz höchstens für ein paar Monate geknüpft ist und sie dann
einer anderen den Platz räumen wird. Fritz besucht jenes scheue,
stille, heiß liebende Kind in ihrer Wohnung zum ersten Mal, um
Abschied zu nehmen, ohne ihr zu sagen, daß er Wien nur ver¬
fäßt, um der Pistole des Rächers seiner Ehre gegenüber zu treten.
Die Nachricht, daß der Geliebte gefallen ist, treibt das Mädchen
in den selbstgewählten Tod. Das Ganze ist ein Lebensbild,
kin Sitten= und Seelengemälde von ebenso anmuthiger als er¬
greifender Wahrheit, das in seiner hiesigen ganz vollendeten Dar¬
stellung die Zuschauer freudig überraschte, innig fesselte und immer
wieder zum wärmsten Beifall und zu zahlreichen Hervorrufen des
Verfassers hinriß.
L. P
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Max Karfunkel's Nachrichten-Bureau, Argus“
Berlin C., Poststrasse 29. Telephon V, 1227.
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Paris.
New-York.
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Neuer Theater- Diener
Berlin
9. 2.96.
Das „Deutsche Theater“ hat Dank der gusge¬
zeichneten Darstellung mit der bereits am Burgtheater
gegebenen Novität „Liebelei“ v. M. Schnitzler sinen
großen Erfolg erzielt. Mit seinem Schauspiel hat der
Autor ein starkes Talent bekundet; es ist ein warm
pulsirendes Temperament, es ist
Race in diesem
Werk. Die ergreifendste Darstellungskunst kam dem
Dichter zu Hilfe. Frau Agnes Sorma spielte die
neue Rolle mit unnachahmlicher genialer Größe. Wir
verweisen auf den ausführlichen Bericht in dieser Nummer.
Die ganze Aufführung war eine der besten, die das
„Deutsche Theater“ seit Langem geboten hat. Als Mo¬
distin Mizi war Gisela Schneider von einer pracht¬
vollen Frische und appetitlichstem Humor, und Herr
Jarno als echt Weaner'sches Früchtl bot eine köstliche
Leistung von flottester Liebenswürdigkeit. Rudolf Ritt¬
ner spielte den Fritz mit schlichtester Natürlichkeit, und
der alte Musikant war in der aus dem Leben schöpfen¬
den Kunst Reicher's eine so echt wirkende Gestalt,
daß man sich unwillkürlich fragte: „Wo hast Du nur
den Alten schon gesehen?“ Die Episode des Gatten
brachte Hermann Nissen zu eindringlichster Wirkung. Der
Novität voran ging der unverwüstliche „Zerbrocheen Krug“.
Hermann Müller hat als Dorfrichter Adam eine ganz
vortreffliche Leistung geboten und in vielen Zügen diesen
alten Sünder und Dorftyrannen ausgezeichnet getroffen.