Liebele
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3. Mennenmmen
lang die rot=weiß= grüne Reklametrommel gerührt, und an.
Premièrentag waren die politischen Reporter der Wiener Zeitungen
in furchtbarer Aufregung, denn der Ministerpräsident von jenseits
der Leitha, Herr v. Szell, war eigens nach Wien gekommen, um
der Aufführung beizuwohnen. Es nützte nicht viel. Um im Stil
der Ausgleichsverhandlungen zu sprechen: Für das Volkstheater
Ledeutete „Der Wein“ noch immer nicht die Aufnahme der Bar¬
zahlungen, auf die ungeduldige Aktionäre warten. Daran konnte
auch eine gute Aufführung, in deren Rahmen Frl. Wallentin,
Frau Glöckner und Herr Kutschera glänzende Leistungen
boten, nicht viel ändern. Der nächste Premièrenabend dieser Bühne
c
brachte einen Einakter, „Der Arzt“ von Leo Hirschfeld —
und einen Dreiakter,
behandelt einen traurigen Ehebruch —
„Diskretion“, dessen Thema ein lustiger Ehebruch bildet, der aber
womöglich noch trauriger wirkte. Die Frau des Arztes ist zwei
Stunden vor dem Aufziehen des Vorhangs gestorben, — an den
Folgen einer Landpartie, auf der sie mit einem ehebrecherischen Baror
einen Hügel erstiegen hat. Sie war nämlich einigermaßen beleib:
und hat einen Herzkrampf bekommen. Moral von der Geschichte
Man unternehme mit dicken Frauen keine Hügelpartien. Das hat
aber der Herr Baron nicht beachtet. Er ist auf den Hügel gestiegen,
die Frau ist dann gestorben, und jetzt besucht er den Arzt, um diesen
zu seinem diphtheritiskranken Kinde zu holen. Im Gespräch errät nun
der Arzt die Todesursache der Frau Gemahlin und will zur Strafe
das Kind nicht besuchen. Zum Glück mischt sich ein Diener in die
Angelegenheit und meint, die beiden Herren sollten die Sache unter
einander austragen, das Kind könne ja nichts dafür. Was der
Arzt einsieht und wonach er handelt und womit das Stück zu Ende
— Der Inhalt der anderen, auch theaterzettelgemäß als Lust¬
sp..! gemeinten Läpperei erzähle ich Ihnen nicht. Genug, daß es
eines der nach französischer Manier zusammengebeutelten Permu¬
tationsstücke ist, wo die bekannten Elemente: betrügerischer Ehegatte,
Provinzgänschen als Ehefrau und Pariser Kokotte, durcheinander¬
gewürfelt werden. Das einzige Originelle an „Diskretion“ ist, daß
die Autoren, übrigens eine nicht gerade schlecht akkreditierte Wiener
Schwankfirma, sich hinter erfundenen französischen Autorennamer
versteckten. Der Durchfall der „Diskretion“ ist übrigens zum
„mindesten gleichen Teil der unzulänglichen Darstellung zuzuschreiben.
Herr Tewele kannte seine Rolle nicht, und fügte der gewöhnlichen
Coulissenreißerei die peinlichste Zotenreißerei hinzu, Frl. Dewal
war von einschläfernder Monotonie und Langweiligkeit, Fräulein
Wallentin mußte eine Rolle spielen, die ihr nicht recht gelegen
war, und Herr Kramer schien empfunden zu haben, daß es sein
Grundfehler ist, in allen Rollen stets eine zum Ueberdruß oft gehörte
Note anzuschlagen. Leider hielt es dieser sonst recht verwendbare
Schauspieler für einen originellen Jux, sich einen unförmigen Kaut¬
FA.#. X beienlegen
Porr
Jene ungarische Excellenz wird bei ihrem nächsten Wiener Auf¬
enthalt nicht wenig überrascht sein, wie herrlich weit wir es unter¬
dessen gebracht haben. Ueber Nacht zu einem Nachtleben. So be¬
haupten wenigstens die reklamefreudigen Begründer eines neuen Ver¬
gnügungsetablissements „Maxime in Wien“, das seinen Namen der
allbekannten Pariser Posse „La dame de chez maxime“ entlehnt
hat. Ich bin ein eingefleischter Skeptiker, ein unverbesserlicher
Thomas. Es gibt Kleinigkeiten, die sich von Cholerabazillen dadurch
unterscheiden, daß sie sich nicht züchten lassen. Dazu rechne ich
Kunst, Literatur und Nachtleben. Und ebensowenig, wie wir es trotz
aller pomphaften Ankündigungen bis zur Stunde zu einer Wiener
Kunst gebracht haben, dürfte uns in nächster Zukunft ein Wiener
Nachtleben erstehen. Daran werden weder „Maxime in Wien“ etwas
ändern, noch ein zweites Nachtlokal, das der Wiener Operette zu
Ehren mit dem verführerischen Titel „Zum süßen Mädel“ ausge¬
Dr. Julian Sternberg.
stattet werden von.
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3. Mennenmmen
lang die rot=weiß= grüne Reklametrommel gerührt, und an.
Premièrentag waren die politischen Reporter der Wiener Zeitungen
in furchtbarer Aufregung, denn der Ministerpräsident von jenseits
der Leitha, Herr v. Szell, war eigens nach Wien gekommen, um
der Aufführung beizuwohnen. Es nützte nicht viel. Um im Stil
der Ausgleichsverhandlungen zu sprechen: Für das Volkstheater
Ledeutete „Der Wein“ noch immer nicht die Aufnahme der Bar¬
zahlungen, auf die ungeduldige Aktionäre warten. Daran konnte
auch eine gute Aufführung, in deren Rahmen Frl. Wallentin,
Frau Glöckner und Herr Kutschera glänzende Leistungen
boten, nicht viel ändern. Der nächste Premièrenabend dieser Bühne
c
brachte einen Einakter, „Der Arzt“ von Leo Hirschfeld —
und einen Dreiakter,
behandelt einen traurigen Ehebruch —
„Diskretion“, dessen Thema ein lustiger Ehebruch bildet, der aber
womöglich noch trauriger wirkte. Die Frau des Arztes ist zwei
Stunden vor dem Aufziehen des Vorhangs gestorben, — an den
Folgen einer Landpartie, auf der sie mit einem ehebrecherischen Baror
einen Hügel erstiegen hat. Sie war nämlich einigermaßen beleib:
und hat einen Herzkrampf bekommen. Moral von der Geschichte
Man unternehme mit dicken Frauen keine Hügelpartien. Das hat
aber der Herr Baron nicht beachtet. Er ist auf den Hügel gestiegen,
die Frau ist dann gestorben, und jetzt besucht er den Arzt, um diesen
zu seinem diphtheritiskranken Kinde zu holen. Im Gespräch errät nun
der Arzt die Todesursache der Frau Gemahlin und will zur Strafe
das Kind nicht besuchen. Zum Glück mischt sich ein Diener in die
Angelegenheit und meint, die beiden Herren sollten die Sache unter
einander austragen, das Kind könne ja nichts dafür. Was der
Arzt einsieht und wonach er handelt und womit das Stück zu Ende
— Der Inhalt der anderen, auch theaterzettelgemäß als Lust¬
sp..! gemeinten Läpperei erzähle ich Ihnen nicht. Genug, daß es
eines der nach französischer Manier zusammengebeutelten Permu¬
tationsstücke ist, wo die bekannten Elemente: betrügerischer Ehegatte,
Provinzgänschen als Ehefrau und Pariser Kokotte, durcheinander¬
gewürfelt werden. Das einzige Originelle an „Diskretion“ ist, daß
die Autoren, übrigens eine nicht gerade schlecht akkreditierte Wiener
Schwankfirma, sich hinter erfundenen französischen Autorennamer
versteckten. Der Durchfall der „Diskretion“ ist übrigens zum
„mindesten gleichen Teil der unzulänglichen Darstellung zuzuschreiben.
Herr Tewele kannte seine Rolle nicht, und fügte der gewöhnlichen
Coulissenreißerei die peinlichste Zotenreißerei hinzu, Frl. Dewal
war von einschläfernder Monotonie und Langweiligkeit, Fräulein
Wallentin mußte eine Rolle spielen, die ihr nicht recht gelegen
war, und Herr Kramer schien empfunden zu haben, daß es sein
Grundfehler ist, in allen Rollen stets eine zum Ueberdruß oft gehörte
Note anzuschlagen. Leider hielt es dieser sonst recht verwendbare
Schauspieler für einen originellen Jux, sich einen unförmigen Kaut¬
FA.#. X beienlegen
Porr
Jene ungarische Excellenz wird bei ihrem nächsten Wiener Auf¬
enthalt nicht wenig überrascht sein, wie herrlich weit wir es unter¬
dessen gebracht haben. Ueber Nacht zu einem Nachtleben. So be¬
haupten wenigstens die reklamefreudigen Begründer eines neuen Ver¬
gnügungsetablissements „Maxime in Wien“, das seinen Namen der
allbekannten Pariser Posse „La dame de chez maxime“ entlehnt
hat. Ich bin ein eingefleischter Skeptiker, ein unverbesserlicher
Thomas. Es gibt Kleinigkeiten, die sich von Cholerabazillen dadurch
unterscheiden, daß sie sich nicht züchten lassen. Dazu rechne ich
Kunst, Literatur und Nachtleben. Und ebensowenig, wie wir es trotz
aller pomphaften Ankündigungen bis zur Stunde zu einer Wiener
Kunst gebracht haben, dürfte uns in nächster Zukunft ein Wiener
Nachtleben erstehen. Daran werden weder „Maxime in Wien“ etwas
ändern, noch ein zweites Nachtlokal, das der Wiener Operette zu
Ehren mit dem verführerischen Titel „Zum süßen Mädel“ ausge¬
Dr. Julian Sternberg.
stattet werden von.