II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 726

5. Liebelei
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BAEDEHET

Strumpfwirkerin und ihr Töchterlein — wie dilettantisch Aphorismen hin auszuschlachte
Käminerspiele
sind all diese Menschen der Handlung aufge=nicht energisch genug bekämpf
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des Deutschen Theaters.
pfropft! Dabei gehen und kommen die
Per=Barbey d'Aurevilly in der
sonen wie auf einem öffentlichen Platze. Cristinens
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Franzosen — seine Einfälle über
Liebelei.
Zimmer betritt jeder, des es gefällt und den der und unredigiert zum besten
Schauspiel in drei Akten von Arthur Schnitzler.
Dichter gerade nötig hat; offenbar besitzen die Herrschaften zu veröffentlichen, das ist die
Vielleicht macht sich nach zwanzig oder fünfundzwanzig
sämtlich Korridorschlüssel. Daß der Souperszene Originali= Der z. B. über Stendhal gem
Jahren ein ironisch veranlagter Theaterdirektor den Spaß,
tät und Humor völlig mangeln und daß deshalb die unauf= in der Tat auch nichts als ei
seinem Publikum all die Stücke vorzuführen, die in der
hörliche Heiterkeit des Fräuleins Mizzi über gar nicht ge= Seiten langen Essay heraus
„Blütezeit des realistischen Dramas“ als Meisterwerke ge¬
machte Witze sehr befremdlich anmutet; daß die weltmänni=Barbey d’ Aurevilly, Les 0e
golten haben. Wenn einheitliches Kopfschütteln über den
schen Lebensanschauungen des Freundes — bei Schnitzler
Les Romanciers: Stendhal,
unerklärlich schlechten Geschmack unseres Zeitalters und all¬
hat der Held immer einen Freund mit Lebensanschauungen
folgende Stelle finden: „F
gemeiner Gähnkrampf die Merkmale des durchschlagenden
schon sehr oft von anderer Seite zu Gehör gebracht wor¬
les ambitieux qui fini
Erfolges sind, dann wäre dem wagemutigen Witzbold der
den sind; daß schließlich die milde Auffassung des alten jugeant, de ne ponvoir
größte Erfolg des Jahrhunderts sicher. Und den Preis trüge
Herrn Weiring über Cristinens Fehltritt nicht aus dem thrope vrai au fond, m
unter all den verstaubten Langweilereien wahrscheinlich
Herzen eines Vaters, sondern aus der befleckten Phaniasie
comme on cache une blessu
Schnitzlers „Liebelei“ davon. Sie würde als der schrecklichste
eines Mädchenjägers kommt, das alles sei nur noch nebenher
Stendhal fut — ]’oserai le d
der Schrecken ausgerufen werden.
bemerkt. Aber es verstärkt die Abneigung gegen das mi߬
choses, quoiqu'il put étre fr
Diese Unzulänglichkeit in drei Akten nennt man noch
lungene Stück, das man aus seiner Grabesruhe nicht hätte
Qui, un Tartuffe, entendons
heute, wo doch auch hartnäckig Blinden die Augen aufgegangen
aufscheuchen sollen.
II le fut de naturel, d’origin
sein müßten, Schnitzlers „liebenswürdigste und feinste“
Fräulein Höflich lieh der Christine von vornherein
sa tartufferie jus’qu'à la sec
Arbeit. Ich hätte gegen die Charakteristik nichts einzu¬
einen Jammerton, der auf die Nerven fiel und jeden Lieb¬
par jouer sa comédie aux
wenden, wenn sie ganz objektiv Schnitzlers, und nur Schnitz¬
haber sofort abgeschreckt hätte. In Erscheinung und Wesen
les tartuffes, son propre bor
lers Stücke untereinander abwöge. Kann ich mir doch denken,
war nichts von dem vielberufenen süßen Wiener Mädel zu
ordinaire et bien merctié de
daß einer oder der andere die „Liebelei“ verhältnismäßig
spüren. Ihr Schatz, das Lebeknäblein Fritz, blieb in der
Im ganzen Zusammenhan
immer noch höher als den „Schleier der Beatrice“, den „Ruf
Darstellung des Herrn Dumont ein kläglicher dummer
Nuance. Vermutlich sind auch
des Lebens“ und dergleichen Schöpfungen stellt. Leider ist
Junge ohne Hirn und Gemüt. Besser faßte, wenigstens im
über Dumas, Humboldt und
aber mit der oben erwähnten Kennzeichnung der „Liebelei“
ersten Akt, Herr Eckart den vergnügten, leichtsinnigen
worden. Es wäre nicht uni
ein ganz bestimmtes Werturteil, ein Lob allgemeiner Natur
Freund; später kam auch er nicht mehr gegen die Leichen¬
fabrikanten zu erfahren.
verbunden; man versucht uns die mißlungene Sache immer
bitterstimmung der anderen auf. Im dritten Akt begnügte
noch als Meisterwerk aufzuschwatzen. Dagegen wollen wir
sich, abgesehen von dem trefflichen Herrn Pagay, dem
uns schon heute wehren um bei den Nachkommen nicht den
Eine kühne Klettertour fi
Vater Christinens, alles damit, neben Fräulein
Eindruck völliger Kritiklosigkeit zu erwecken.
Nachrichten“ beschrieben. Es
Höflich Statisterie zu treiben. Es war diesmal keine Muster¬
Bereits in der zweiten Szene des Stückes kennt man
selbst erstklassige Steiger bish
aufführung, wirklich nicht. Aber man kann's den Schau¬
seinen Ausgang. Irgendwelche Spannung kommt nicht auf.
kletterung der etwa
spielern kaum übel nehmen. Die ihnen gestellte Aufgabe ver¬
Und ebenso wenig irgendwelche Sympathie. Was schert
[des Totenkirchls. Her
lockte nicht zu irgend welchem Höhenfluge.
r. n.
uns dieser Lebejüngling, über dessen Geistesgaben und
große Wurf gelungen. Nac
Herzensart wir genau so wenig wie seine Christine erfahren?
eine Nekognoszierungskletter
Ob der Flachkopf im Duell fällt oder nicht, ist dem Zuschauer
Der neue Roman Sudermanns. Für den ersten Druck seines
gelang ihm in 5½ Stunden d
äußerst gleichgültig. Deshalb setzt uns auch die haltlose
neuen Romans in einer hiesigen Zeitung sind dem Dichter an¬
am nächsten Tage. Der Toue
Verzweiflung des angeblich süßen Mädels über den Tod
geblich 100 000 Mk. geboten worden. Sudermann hat dieses An¬
Rekognoszierungskle
dieses Armseligen in Erstaunen. So wenig Liebenswertes
gebot abgelehnt mit der Begründung, er wolle sein Kind
1907. Ungefähr 20 Meter 1
haben wir an ihm entdecken können, daß die wütende Leiden¬
nicht zerstückelt sehen. Wie schade, daß er diesen Grundsatz
couloirs Einstieg in die Felser
schaft Christinens fast wie Perversität anmutet. Ein Weib
Fels an 40 Meter empor, I
nicht auch schon früher gehabt hat, sondern ehedem sogar seine
von ihrer Gefühlstiefe wirft sich nicht so fort. Liebe ist zwar
Dramen fetzenweise in Wochenschriften hat veröffentlichen lassen!
herabkommenden Wasser streb
blind, aber nicht für den Dramatiker. Wir würden Julia
einen kleinen überhängenden
auslachen, wenn ihr Romeo ein Idiot wäre. Entweder wir
zu einem 50 Meter langen Be
Barbey d'Aurevilly und Stendhal. Man schreibt uns im An¬
lieben mit ihr, oder wir zucken die Achseln über ihre Ver¬
bar exponierte, grasbewache
schluß an unsere Notiz in der Nummer vom 7. September: Unter
irrung. Der umständliche und ungeschickte Apparat, den
bricht die Wand überhängend
dem Titel „Aphorismen Barbey d' Aurevillys“ ver¬
Schnitzler für sein Stück aufbietet, verstärkt den Widerwillen
Zinkel ab. An sehr schlechte
öffentlicht irgend ein Unbekannter eine Anzahl von Sätzen, inden.
noch. Dieser plump in den ersten Akt hineingeworfene fremde
gesetzte und unsichere Stück ü
er dabei die literarische Fälschung begeht, zu behaupten: „Sein
Herr, der sich damit begnügt. dem Verführer seiner Frau
Ruhm und seine Stärke waren die Aphorismen, die er aus dem
(20 Meter hoch) verfolgt. N
ein Päckchen Liebesbriefe zurückzubringen, und der dann Stegreif dichtete ..“ Bekanntlich ist es heutzutage geradezu eine
auf eine kleine Terrasse (G
schweigend durch die Mitte abgeht; die geschwätzige Frau! Seuche, die großen Schriftsteller und Dichter der Weltliteratur auf Kamine in die Höhe. Der li