II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 728

Liebelei
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5. Snee
Telephon 12801.
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∆ l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
60
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
4
O in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
6 Ausschnitt aßserliner Börsen Zeitung

20 9. 1907
E vom:
— Die Kammerspiele brachten gesterlge####
dreiaktiges Schauspiel „Liebelei“ erstmanf zur
Aufführung. Unvergessen ist es, welche Hossnungen
dieses Bühnenwerk bei seinem Erscheinen erweckte.
[Es zeigte gegenüber
den Anatolszenen des
(Dichters das Streben, die
leichte Erotik
mit
ernsterem Wirklichkeitsgehalt
auszustatten;
stellte Wiener Typen auf
die Szene,
von ausgezeichneter Beobachtungsgabe zeugten. Elf
Jahre sind vergangen, seitdem die Wiener Maderln
im Stück im benachbarten Deutschen Theater zum
erstenmal hier lachten, das Erheiternde wie das
Typische der Dichtung aber hat an Wirkung seitdem nichts
verloren. Schade ist's, daß die Hoffnungen von da¬
mals sich nicht erfüllten. Weder in seinen Prosaschriften
noch in seinen Bühnendichtungen seitdem hat der
Dichter die Wahrheit und Einfachheit der „Liebelei“
wieder erreicht, obgleich er nachmals im „Zwischen¬
spiel“ versuchte, menschliche Dokumente zu bieten. In¬
dessen Schnitzler ist noch in der Blüte seiner Mannes¬
jahre, es wird ihm hossentlich noch ein oder der
undere größere Wurf gelingen.
Die Aufführung im Kammerspieltheater war sein
abgetönt und erzielte einen vollen Erfolg. Als be¬
sonders rühmenswert heben wir die Leistungen von Grete
Berger (Mize) und Alex. Eckert (Theodor) hervor.
Erstere entwickelte eine fortreißende Natürlichkeit
und blieb bei aller Ausgelassenheit voll ge¬
winnender Echtheit und Einfachheit. Frl. Höflich
spielte die Rolle der Christine von vornherein
zu ernst. Ob Herr Dumont ein Bonvivant
ist, muß sich noch zeigen. In Herrn Ekert besitzt die
Bühne aber eine ungewöhnliche Lustspielkraft. In
jedem Falla=tak Direktor Reinhardt gut daran, dieses,
Schgumtel den Kammerspielen einzuverleiben.
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□ l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
60
Wien, I., Concordiaplatz 4.

Vertretungen
00 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
0
(Quelienangabe ohne Gewähr)
00
5
# Ausschnitt aus:
20 9 1907
335
Berliner
E vom:
Bersencourier
Die Kammerspiele des Deutschen Theaters
bauten gestern Abend auf einem alten Erfolge auf.
Auf dem von #
Liebelei, dem
Schauspiel voll banalster An#geceit und doch voll
unmittelbarsten Lebens.
Zwei Lokalnotizen aus einem Zeitungsblatte ge¬
schnitten — ein Pistolenzweikampf und der Selbst¬
Es sind wirklich
mord eines liebenden Mädchens:
Banalitäten des Alltags. Wenigstens in jener Form,
wie der Reporter darüber berichtet. Zwei Schick¬
sale sind vollendet — die große Welt liest es mit
jenem flüchtigen Interesse, mit dem sie alles liest, was
sie nicht näher berührt. Und nur im kleinen Kreise
derer, die unmittelbar von dem Geschehen betroffen
wurden, schlägt es noch Wellen.
Zwei Zeitungsnotizen — der Dichter blickt durch
ihre Zeilen in die Seelen hinein. Und seine—ge¬
staltende Kraft formt aus den bürren, trockenen,
nüchternenWorten Menschenschuld und Menschen¬
sühne, ein Drama, in dem schmerzliche Entsagung und
wilde Verzweiflung sprechen. So sprechen, daß nun
die große Welt mehr, als ein flüchtiges Interesse
empfindet. Daß ihr Fühlen wachgerüttelt wird — seies
auch nur für die knappen Stunden eines Theater¬
abends
Schnitzlers Tragödie des „süßen Mädels“ des
lieben, dummen Mädels, das sein Herz allzu tief in
den Liebestraum eingesponnen hat, ist heute, wie vor
Jahren, ein Bild der Wirklichkeit. Ein Mann, der
mit offenen Augen durch das Dasein schreitet, hat
diese einfache Geschichte vom Meiden und Leiden ge¬
schrieben. Hat denen, die sie erleben, die Züge der
Wahrheit aufgeprägt. Und mit einem Schuß frischen
Wienertums hat er ihnen noch einen besonderen
Geleitbrief gegeben.
Aber gerade jenes frische Wienertum kam in den
Kammerspielen nicht so recht heraus. Vielleicht ist
es der Charakter des Hauses, di#e Fröhlichkeit in
feierlichen Ernst zu tauchen, ein mendes Lachen zu
ersticken scheint, vielleicht etwas anderes — die Tat¬
sache bleibt bestehen, daß die Aufführung Längen
hatte, tote Punkte. Die wirbelnde Lustigkeit bei
dem kleinen Gastmahl des ersten Aufzugs war schal
und gezwungen — es lag schon zuviel Vorahnung in
der Luft. Erst im dritten Akt kam rasches Vorwärts¬
drängen in das Spiel. Und hier hob sich Frl.
Höflichs Christine, die bis dahin keine sonderlich
eindringende Wirkung gehabt hatte, mit eins hoch
empor. Die Gewalt des Schmerzes bei der Botschaft
vom Tode des Geliebten, der erschütternde Aufschrei,
das tastende, zage Fragen, das Erraten der Antworten,
die nie gegeben werden, die haltlose Verzweiflung —
das war überraschend und mehr, als blondes
Temperament.—
Herr Eugen Dumont gab den Fritz — gewandt,
ohne Zweifel. Aber auch nicht viel darüber hinaus.
Ein bißchen physiognomielos, nicht so recht warm
erschien der schwerblütige junge Bursch. Sein
Freund Theodor, der weder Skrupel, noch Zweifel
kennt, fand durch Herrn Ekert eine sehr geschickte
Darstellung, in der Humor sich glücklich mit Ernst
mischte — wie die Situation es forderte. Vortrefflich
war Frl. Bergers Mizi, der unverfälschte Typus
des „süßen Mädels“, das über den Tag nicht hinaus¬
denkt und den Himmel voller Geigen sieht.
Pagays Weiring war tief ergreifend in seiner ab¬
geklärten, aus reifer Erfahrung gewonnenen Güte
und Milde, und Frau Pagay spielte die kleine Rolle
der Frau Binder mit kräftigem Realismus.
Der dekorative Hintergrund des Stückes bewies
guten Geschmack. Nur sah man aus einem Fenster
in Christines Erker die graue Leinwand statt des
I. W.
blauen Himmels ...