II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 918

Liebelei
5. LELLELE box 11/5

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werk stellt sich somit als eine durchaus wert¬
Schnitzlers „Tiebelei“ als Oper.
volle Arbeit oar, die jeder Bühne eine dank¬
bare Aufgabe bieten würde.
. Fränkfurt a. M., 19. Septbr.
Theater und Musik.
Die Aufnahme des Werkes war geradezu
Der zweite Kapellmeister der Frankfurter
begeistert. Nach jedom Akte mußte sich der
Oper, Franz Neumann, hat bisher ein
Komponist unzählige Male dem Puvlikum
bescheidenels künstlerisches Dasein geführt.
Die neue Revue
zeigen. Die gute Aufführung, mit Fräulein
Wenigstens in den Augen der Leute, die nur
Sellin und Herrn Gentner an der
Er war als
auf Namen oder Rang sehen.
des Berliner Metropol=Theaters.
Spitze, tat das ihrige zu dem großen Erfolge.
Operetten=Dirigent beliebt und geschätzt. Ein¬
„Hurral Wir leben noch!“
geweihte aber wußten längst, daß in dem Auch Arthur Schnitzler, der seit einigen
Tagen in Frankfurt weilte, wurde gerufen.
Revue von Julius Freund und Viktor Holländer
der so
jungen, bestimmten Kapellmeister,
schwungvoll Walzer zu dirigieren verstand, Es war ein Erfolg, wie man ihn hier lange
Berlin, 18. September.
H. Schy
mehr steckte als ein simpler Kapellmeister. In nicht erlebt hatte.
Seit Jahren bilden die ersten Aufführungen!
Wahrheit ist er ein Künstler ersten Ranges,
der „bunten Jahresschau im Metropol=Theater
der nur widerwillig in die Bahnen der leich¬
deu eigentlichen Anfang der neuen Spielzeit
teren Muse gelenkt wurde und nicht die Kraft
für Berlin und sind ein wirkliches Ereignis
besaß, sie für immer zu verlassen. Wenigstens
hauptstädtischen Leben geworden. Man
nicht als Dirigent. Als Komponist hat er jetzt
muß die ungeheure Wagenreihe in der Behren¬
mit seiner Oper „Liebelei“ die im
Itraße an einem solchen Abend gesehen haben,
Opernhause gestern ihre Uraufführung
die sich vor den Pforten des Theaters stquende
erlebte, bewiesen, daß es ihm Ernst um die
Menge, die den Kartenbesitzern den Eingang
Kunst ist, und daß er nicht nach billigen Er¬
erschwert, muß die Aufregung mitgefühlt haben,
s ist ein Werk von höchster
folgen strebt.
e sich des ganzen engeren Viertels um das
künstlerischer Potenz. Das gleichnamige drei¬
Theater, zwischen den Linden, der Friedrich¬
aktige Schauspiel von Arthur Schnitzler
aße und der Mauerstraße an einem solchen
bildet mit nur ganz geringfügigen Aenderungen
Ranzabend bemächtigt, um zu begreifen, daß
die textliche Unterlage der Oper. Die Musik
immer für das Theaterleben der tiefste
ist modern im besten Sinne und legt ihren
b jeder Zuschauerschaft die erste Rolle
Schwerpunkt in das Orcheste
t. Dieses Die
lt: das Zuschauen. Sehen wollen die
mit vollendeter Meisterschaft behandelt.
Menschen, die ins Metropol=Theater gehen, das
Instrumentation ist bildschön und nutzt alle
Hören ist verglei zweise Nebensache.
Zum
Effekte mit fast raffinierter Natürlichkeit aus.
Sehen gibt es jevesmal außerordentlich viel,
Ohne in Ertreme zu verfallen, versteht es der
so viel daß, wer bis zum Schluß ausdauert,
Komponist, in jedem Tatte neue Ueberraschun¬
mit müden Augen das Haus verläßt, und das
gen zu ersinnen. Daß sich diese mit den Vor¬
Gesehene ist fast immer so anmutig oder doch
heute
gängen auf der Bühne decken, ist
lustig mannigfaltig, daß der Geist standhält,
selbstverständlich. Da ist jede Bewegung ge¬
mögen auch die Augen matt werden. Für das
deutet und musikalisch illustriert. Am treffend¬
das
Zuhörende sorgt Julius Freund Jahr für Jahr
sten vielleicht in dem ersten Akte, der
mit einer Erfindungsgabe und einem launigen
lustige Souper der beiden Freunde mit ihren
Humor, die auch dem strengsten Beurteiler Be¬
Hier kommt echte
Freundinnen schildert.
wunderung abzwingen. Es ist wirklich nicht
Bohémien=Stimmung zum Ausdruck. Dabei
so leicht, wie sich das anhört, zu einer langen
wahrt der Komponist die musikalische Charak¬
Reihe der buntesten unl gestehen wir es nur,
der sentimentalen
Christine,
teristik der
zusammtenhängenden Bilder
sehr wenig
Schwärmerin die Liebelei für Liebe, Spiel
etwas zu schreiben, das ein literarisch gebilde¬
für Ernst nimmt, am schärfsten. Wenn dann
ter Mensch doch auch mit einem gewissen Ver¬
die tragische Duell=Affäre auf kurze Zeit das
Freund besitzt zwei lustige Spiel dieser Szene mit rauher Brutali¬
gnügen anhören kann.
gute Gaben, die hierzu trefflich taugen:
tät unterbricht, findet auch der Komponist die
und des
trifft in seinen Liedlein den guten Ton der herben Akzente der Spannung
guten alten Berliner Posse, findet z.
mit Ahnungsvollen, wie sie dem Dichter in gleichem
wohlverdientem Finderglück die Schlußverse
Maße zur Verfügung stehen. Die Gestalt der
mit ihrem Schlager, und er hat das sichere
Christine nimmt dann im Verlauf des Stückes
Gesühl. für die Menge und die Grenzen des eine immer mehr überragende Stellung ein,
E
Wortwitzes, den er uns verabreicht.
sie wird fast zur Heldin mit ihrer Qual und
mnischt zwischen die reinen Wortwitze, die mit
Ihr hat der
ihrer ahnungsreichen Unschuld.
Absicht fürchterlich kalauern, was aber gerade
Komponist auch die rührenden Töne seiner
für den Berliner „etwas Schönes ist“ den ganz
Muse gegeben. Daß der musikalische Kon¬
einsachen, ganz harmlosen und gerade darum
versationston sich oft recht breit macht und
überwältigend wirkenden Sachenwitz, etwa von
stellenweise auf der Beweglichkeit der Hand¬
der Art wie gestern, wo der „Gerson von
lung zentnerschwer lastet, liegt in der Wahl
Pinne“ das Bild seiner mit einem „kleinen
des Textbucheg. Es ist nicht immer angebracht,
Verdruß“ behafteten Frau Malchen vorzeigt
ein literarisch wertvolles Stück mit Haut und
und auf die Bemerkung: „Na, schön ist das
Hgaren in Musik zu setzen. Es mutet dann
gerade nicht“ gemütlich erwidert: „Nee, scheen
komisch an, Worte wie „Pfropfenzieher“ oder
s es nich, aber ähnlich.“ Ich bekenne offen,
„Konversationslexikon“ gesungen zu hören.
ich finde gerade solche Witze beinahe genial.
Fast wie eine Entweihung der Musik. Bei
Was in der Revue vorgeht, ist ja Neben¬
solchen Gelegenheiten flüchtet dann das Ohr
sache; doch sei bemerkt, daß, wie schon der
des Hörers ins Orchester, und dort wird
es sich um den Halleyschen
Titel andeutet,
wie bereits gesagt, auf das reichste entschädigt.
Kometen dreht, der verkörpert mit Frack und
Noch eine andere Merkwürdigkeit wies die
Zylinder, durch Berlins Straßen schreitet und
neue Oper auf: das Fehlen jeder Reminiszen¬
die Hauptereignisse des letzten Jahres an sich
zen. Man wird nie sagen können: das da ist
Wagner und das ist Puccini. Herr Neumann
vorüberziehen läßt.
kannte eben die Literatur so gut, daß er allen
Eduard Engel.
Anleihen aus dem Wege gehen und aus eige¬
ner Kraft schöpfen konnte. Das neue Opern¬