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5. Liebelei
Mn in. un k. a a. —
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erscher Cen Inr
:
den gleichen Takt schlägt wie das unsere. Da war alles Wirk¬
Deutsches Theater.
lichkeit, schmerzhafte, holdselige Wirklichkeit; da verschwand
Theaterflitter und Bühnennüchternheit, da war alles Erleben
Gastspiel von Ida Wüst: „Liebelei“, Schauspiel in drei
und Erleiden, das zum Schluß nicht gleich den dankenden
Akten von Arthisx Schnib###
Beifall auslöste, sondern erst jenes langsame, zaghafte,
Dieser erste literarische Abend vermittete einen großen
schweigende Zurechtfinden in den Alltag zeitigte. Man stand
#und reinen künstlerischen Genuß. Das ist von guter Vorbe¬
wieder einmal im Banne restloser, beinahe erschreckender Er¬
deutung für das, was wir an den kommenden literarischen
griffenheit. Solch ein Menschenbild haftet. Wie Christine
Abenden zu erwarten haben: Die Darbietung von Werken,
nach dem letzten Abschied mit zitternder Hand die Tür
die nicht nur für einen kleinen Kreis bestimmt sind, weil nur
streichelt, durch die ihr Fritz hinausgegangen ist, wie sie in
in einem kleinen Kreise die Voraussetzungen für die Auf¬
unwissender Gewißheit unbewußt mit suchenden Blicken und
nahmefähigkeit und die Aufnahmewilligkeit bestehen, sondern
suchenden Händen sich selbst zu verlieren scheint, das ist ebenso
von Werken, für die geworben werden soll, von Werken, die
machtvoll packend, wie ihr entsetzliches Erkennen, was sie dem
sich als echte und starte Kunstwerke doch an das ganze Volk,
Geliebten war, was sein Treubruch bedeutet, wie ihr auch nach
an die ganze Gemeinschaft der Kunstfreudigen wenden.
seinem Tode nicht bleiben soll, keine ungetrübte Erinnerung,
Zu solchen Werken gehört Schnitzlers „Liebelei", ein
kein heilender Trost
ihr Sichdurchringen aus lähmender
Starrheit zu rascher befreiender Tat.
Gabe ist. Sie ist aus des Dichters innerstem Wesen ent¬
Neben Ida Wüst aber standen Mitspieler, denen allzu¬
standen, ist echtes Oesterreich, echtes Urwien. Gemütstiefe und
sammen nur uneingeschränktes Lob ausgesprochen werden
oberflächliches Spiel mit dem Leben, Leidenschaftlichkeit und
kann. Robert Taube als weicher, gutiger, verzeihender
Tändelei auch mit dem Heiligsten werden hier in kämpfenden,
Vatex, Meta Harden als klatschende, ränkesüchtige Nach¬
ringenden Gegensatz gebracht und in lebenswahrer, rein
barin, Toni Rupprecht und Leopold Murauer als
menschlicher Tragik vereint und gelöst. Aber während in fast
leichtlebiges Pärchen, das hernach sich so plötzlich vom
allen anderen Arbeiten Schnitzlers das Spielen mit dem Ueber¬
schwersten Ernste des Geschehnisses berührt sieht (beide waren
geistreichen, das Liebäugeln mit der so gern ins Heikle ab¬
in dem stummen Spiel der letzten Szene bewundernswert),
schweifenden Witzigkeit der Franzosen auffällig vorherrscht,
Gustav Semler in der besonders wohlgelungen durchge¬
während man es anderwärts störend fühlt, daß Schnitzler
führten Rolle des betrogenen Ehemanns, vor allem aher
nicht frei ist von der Neigung, als Theaterfiguren verkleidete
Ewald Schindler als Christines Geliebter. Die Auf¬
Privatdozenten eine beliebige Frage erörtern zu lassen, die
gabe dieser Rolle ist unsagbar schwer, denn das, was sie
nur für den Augenblick Denken und Fühlen bewegen kann,
eigentlich erfüllt und gestaltet, liegt in einem Erleben, das
bleibt er in „Liebelei“ streng bei der so einfachen und doch
hinter den sichtbaren Ereignissen vor sich geht. Daß Schindler
größten und schwersten Aufgabe der Gestaltung eines
aber uns dieses Erleben dennoch nicht nur nahe brachte,
Menschenschicksals; und daß er diese Aufgabe so schön und
sondern uns überzeugten Anteil daran nehmen ließ, ist seiner
edel gelöst hat, stellt sein Werk neben die Werke von Ewigkeits¬
überragenden, klugen Schauspielkunst zu danken. Wie er auf
„Liebelei“ wird wohl niemals aus der
wert aller Zeiten.
einem der Welt der „Liebelei“ sternenfernen Gebiete gezeigt
Reihe der bühnenwirksamen Stücke gestrichen werden,
hat, daß er sich nur der guten und vornehmen Mittel zu be¬
Schillers
wenig wie Halbes „Jugend“ so wenig wie
dienen pflegt, so verschmahte er auch als Fritz jedes Ueber¬
„Kabale und Liebe“. ... Und immer wieder wird es große
treiben oder Unterstreichen; ganz leise deutet er an, mit den
Künstlerinnen reizen, die Gestalt der Christine darzustellen,
feinsten und zartesten Linien zeichnet er die Umrisse dieser
dieser Schwester von Annchen und Louise Millerin.
Figur, die doch gleich vom ersten Augenblick an vertraut und
Die erste Seligkeit der Liebe und ihr letztes Leid wird
liebenswert vor uns stand und uns mitriß durch alle ihre
verkörpert in diesem geraden, stillen, guten Mädchen, dessen
Nöte und Zweifel bis zum grausam schlimmen Ende.
Herz unter dem ersten Kusse des Mannes zum Leben erwacht
Direktor Stein hatte die Regie geführt und das Ganze
und bei seinem noch im Tode begangenen Treubruch ver¬
mit innigstem Verständnis ganz auf die Stimmung angelegt,
Ida Wüst, die wir als Liese Lustig Abend für
blutet.
Abend bewundern können in ihrer überströmenden Laune und
die dem Charakter der Schnitzlerschen Dichtung innerlich und
Ausgelassenheit, zeigte am Sonnabendabend, daß sie eine von
äußerlich entsprach. Diese Regie hat ihren nicht zu unter¬
den ganz Großen ist. Eine von denen, die die Gabe besitzen,
schätzenden Anteil an dem erfreulichen Gelingen dieses ersten
Menschen zu bilden voll göttlichen Feuers, Menschen von literarischen Abends im Deutschen Theater.
Seele, die Seele ist von der unseren, Menschen von Herz, das 1
Das Publikum, das dankbar reichsten Beifall spendete, ih
hatte sich ziemlich zahlreich eing
aber nicht nur die künftigen lite
besucht, sondern es wird auch son
heit nochmals ausgesprochen
lerische Pflicht, deren Erfüllung
der nur irgend dazu in der Lag
hannoverschen Bühnen durch g#
bringen, durchzuhalten. Auch sie
im Dienste des Vaterlandes,
gebliebenen durch die Gewährung
erbauen, sei es, daß sie in das e
Zeit ein'paar fröhliche, lustige,
5. Liebelei
Mn in. un k. a a. —
278FR 1611
erscher Cen Inr
:
den gleichen Takt schlägt wie das unsere. Da war alles Wirk¬
Deutsches Theater.
lichkeit, schmerzhafte, holdselige Wirklichkeit; da verschwand
Theaterflitter und Bühnennüchternheit, da war alles Erleben
Gastspiel von Ida Wüst: „Liebelei“, Schauspiel in drei
und Erleiden, das zum Schluß nicht gleich den dankenden
Akten von Arthisx Schnib###
Beifall auslöste, sondern erst jenes langsame, zaghafte,
Dieser erste literarische Abend vermittete einen großen
schweigende Zurechtfinden in den Alltag zeitigte. Man stand
#und reinen künstlerischen Genuß. Das ist von guter Vorbe¬
wieder einmal im Banne restloser, beinahe erschreckender Er¬
deutung für das, was wir an den kommenden literarischen
griffenheit. Solch ein Menschenbild haftet. Wie Christine
Abenden zu erwarten haben: Die Darbietung von Werken,
nach dem letzten Abschied mit zitternder Hand die Tür
die nicht nur für einen kleinen Kreis bestimmt sind, weil nur
streichelt, durch die ihr Fritz hinausgegangen ist, wie sie in
in einem kleinen Kreise die Voraussetzungen für die Auf¬
unwissender Gewißheit unbewußt mit suchenden Blicken und
nahmefähigkeit und die Aufnahmewilligkeit bestehen, sondern
suchenden Händen sich selbst zu verlieren scheint, das ist ebenso
von Werken, für die geworben werden soll, von Werken, die
machtvoll packend, wie ihr entsetzliches Erkennen, was sie dem
sich als echte und starte Kunstwerke doch an das ganze Volk,
Geliebten war, was sein Treubruch bedeutet, wie ihr auch nach
an die ganze Gemeinschaft der Kunstfreudigen wenden.
seinem Tode nicht bleiben soll, keine ungetrübte Erinnerung,
Zu solchen Werken gehört Schnitzlers „Liebelei", ein
kein heilender Trost
ihr Sichdurchringen aus lähmender
Starrheit zu rascher befreiender Tat.
Gabe ist. Sie ist aus des Dichters innerstem Wesen ent¬
Neben Ida Wüst aber standen Mitspieler, denen allzu¬
standen, ist echtes Oesterreich, echtes Urwien. Gemütstiefe und
sammen nur uneingeschränktes Lob ausgesprochen werden
oberflächliches Spiel mit dem Leben, Leidenschaftlichkeit und
kann. Robert Taube als weicher, gutiger, verzeihender
Tändelei auch mit dem Heiligsten werden hier in kämpfenden,
Vatex, Meta Harden als klatschende, ränkesüchtige Nach¬
ringenden Gegensatz gebracht und in lebenswahrer, rein
barin, Toni Rupprecht und Leopold Murauer als
menschlicher Tragik vereint und gelöst. Aber während in fast
leichtlebiges Pärchen, das hernach sich so plötzlich vom
allen anderen Arbeiten Schnitzlers das Spielen mit dem Ueber¬
schwersten Ernste des Geschehnisses berührt sieht (beide waren
geistreichen, das Liebäugeln mit der so gern ins Heikle ab¬
in dem stummen Spiel der letzten Szene bewundernswert),
schweifenden Witzigkeit der Franzosen auffällig vorherrscht,
Gustav Semler in der besonders wohlgelungen durchge¬
während man es anderwärts störend fühlt, daß Schnitzler
führten Rolle des betrogenen Ehemanns, vor allem aher
nicht frei ist von der Neigung, als Theaterfiguren verkleidete
Ewald Schindler als Christines Geliebter. Die Auf¬
Privatdozenten eine beliebige Frage erörtern zu lassen, die
gabe dieser Rolle ist unsagbar schwer, denn das, was sie
nur für den Augenblick Denken und Fühlen bewegen kann,
eigentlich erfüllt und gestaltet, liegt in einem Erleben, das
bleibt er in „Liebelei“ streng bei der so einfachen und doch
hinter den sichtbaren Ereignissen vor sich geht. Daß Schindler
größten und schwersten Aufgabe der Gestaltung eines
aber uns dieses Erleben dennoch nicht nur nahe brachte,
Menschenschicksals; und daß er diese Aufgabe so schön und
sondern uns überzeugten Anteil daran nehmen ließ, ist seiner
edel gelöst hat, stellt sein Werk neben die Werke von Ewigkeits¬
überragenden, klugen Schauspielkunst zu danken. Wie er auf
„Liebelei“ wird wohl niemals aus der
wert aller Zeiten.
einem der Welt der „Liebelei“ sternenfernen Gebiete gezeigt
Reihe der bühnenwirksamen Stücke gestrichen werden,
hat, daß er sich nur der guten und vornehmen Mittel zu be¬
Schillers
wenig wie Halbes „Jugend“ so wenig wie
dienen pflegt, so verschmahte er auch als Fritz jedes Ueber¬
„Kabale und Liebe“. ... Und immer wieder wird es große
treiben oder Unterstreichen; ganz leise deutet er an, mit den
Künstlerinnen reizen, die Gestalt der Christine darzustellen,
feinsten und zartesten Linien zeichnet er die Umrisse dieser
dieser Schwester von Annchen und Louise Millerin.
Figur, die doch gleich vom ersten Augenblick an vertraut und
Die erste Seligkeit der Liebe und ihr letztes Leid wird
liebenswert vor uns stand und uns mitriß durch alle ihre
verkörpert in diesem geraden, stillen, guten Mädchen, dessen
Nöte und Zweifel bis zum grausam schlimmen Ende.
Herz unter dem ersten Kusse des Mannes zum Leben erwacht
Direktor Stein hatte die Regie geführt und das Ganze
und bei seinem noch im Tode begangenen Treubruch ver¬
mit innigstem Verständnis ganz auf die Stimmung angelegt,
Ida Wüst, die wir als Liese Lustig Abend für
blutet.
Abend bewundern können in ihrer überströmenden Laune und
die dem Charakter der Schnitzlerschen Dichtung innerlich und
Ausgelassenheit, zeigte am Sonnabendabend, daß sie eine von
äußerlich entsprach. Diese Regie hat ihren nicht zu unter¬
den ganz Großen ist. Eine von denen, die die Gabe besitzen,
schätzenden Anteil an dem erfreulichen Gelingen dieses ersten
Menschen zu bilden voll göttlichen Feuers, Menschen von literarischen Abends im Deutschen Theater.
Seele, die Seele ist von der unseren, Menschen von Herz, das 1
Das Publikum, das dankbar reichsten Beifall spendete, ih
hatte sich ziemlich zahlreich eing
aber nicht nur die künftigen lite
besucht, sondern es wird auch son
heit nochmals ausgesprochen
lerische Pflicht, deren Erfüllung
der nur irgend dazu in der Lag
hannoverschen Bühnen durch g#
bringen, durchzuhalten. Auch sie
im Dienste des Vaterlandes,
gebliebenen durch die Gewährung
erbauen, sei es, daß sie in das e
Zeit ein'paar fröhliche, lustige,