II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1506

Liebeler
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Dr. Max Goldschmidt
Füro für Zeitungsausscnnitte
Teleion: Norden 305
BERLIN N4
Ausschnitt aus:
Neueste Nachrichten
Dresdner
2 5. März 1927
Zwei neue deutsche Großfilme
Liebelei
Artbur Schnitzlers süß=schmerzliche Tragö¬
dic der jungen Lieve ist zu einem Filmroman um¬
gestaltet worden, der wieder einmal beweist, daß das
wahrhaft Dichterische, also das wahrhaft Menschliche,
unzerstörbar ist, in welche Gestalt es auch umgeformt
werden mag. In diesem Hegewald=Film, den die
Zentrum=Lichtspiele zur Erstauffüh¬
rung bringen, hat die Regie J. und L. Fleck in Ge¬
meinschaft mit der künstlerischen Ober¬
leitung des Dichters den weit ausgesponnenen
Liebesroman des jungen Fritz Lobheimer von An¬
fang bis zu Ende mit solchem künstlerischen Takt aus
dem Stoff von Schnitzters Drama umgedeutet, daß
kaum eine Kleinigkeit aus der Atmosphare der Dich¬
tung gerückt ist. Und was ist alles neu!
Die Wiener Sphäre des Dramas, die so sparsam
und still gegeben wird, ist in die modernste Großstadt¬
welt der Autos, der Tanzdielen versetzt. Die Welt
Christines und ihres Vaters, die des Fritz und der
beiden Freunde ist erweitert durch die mondäne Welt
der gefährlichen Frau Doris und ihres Gatten. Der
ganze Roman, der in Schnitzlers Werk nur hinter
den Szenen spielt, nur in der Figur des „Herrn“
erscheint, ist hier ausführlich sichtbar gemacht.
Der Film beginnt mit der Geschichte der Liaison
der schönen Frau Doris, mit dem jungen, hübschen
Fritz Lobheimer. Diese verführerische Frau spielt be¬
ängstigend mit der Gefahr der Entdeckung. Und diese
aufregende Liebelei wird für Fritzens Freund so be¬
denklich, daß er ihn auf andre Gedanken bringen will.
Ein Schlittenausflug bringt die Bekanntschaft mit
Christine. Und während dieses Mädchens Liebe er¬
wacht und wächst, ballt sich unabwendbar die
Katastrophe, bis der Gatte alles entdeckt und die Duell¬
forderung bringt. Von da an hält sich der Film
ziemlich an den Ablauf des Dramas.
Diese Darstellung ermöglichte diese Regieleistung
und diese Wirkung. Evelyn Holt, die Darstellerin
der Christine, muß zuerst genannt werden. Die junge
Künstlerin erfüllt alles, was diese rührende Mädchen¬
gestalt haben muß. Kindlichkeit, Herbheit, Reinheit
und Sanftheit sind in diesem Gesicht und sprechen
wunderbar daraus. Louis Lerch wurde für die
Rolle des Fritz gefunden. Auch er entspricht dem
Typ dieses Melancholikers, der sich in alle diese Ver¬
wirrungen treiben läßt. Ebenso glücklich war die
Wahl von Vivian Gibson für die Frau Doris,
sie hat tatsächlich das Verführerische der Orchideen, die
sie immer trägt, und die zu Verrätern werden.
Robert Scholz gibt ihren Gatten, vornehm, seiner
schönen Frau hingegeben und wild ausbrechend, als
er ihre Untreue entdeckt. Auch die andern Figuren
sind ausgezeichnet. Bis auf Kleinigkeiten, die nicht¬
ganz glücklich sind (etwa die Aufbarung des Toten),
ist fast jede Szene des vielgestaltigen Films unz
gewöhnlich gelungen.

Dr. Max Goldschmigt
Büro für Zeitungsausschnitte
BRRLIN N4
Teleion: Norden 3051
Ausschnitt aus:
Hamburger Fremdenblatt
26. Marz 1927
Neue Filme.
„Liebelei“.
Passage=Theater.
Es gibt in diesem Film eine kurze Szene,
In der ein junges, argloses, zum ersten Mal in
seinem behüteten Leben so recht bis über beide
Ohren verliebtes Mädel erkennen muß, daß die
erträumten und ersehnten Freuden dieser Welt
trostsuchend an die Brust ihres Vaters, und wie
unter dessen gütigem Zuspruch sich auf dem
sodtraurigen Gesichtchen das Leuchten einer
nieuen Hoffnung zeigt, einer zarten Freude, die
aus dem Erstaunen über die einfache, selbstver¬
ständliche Lösung des Problems sich zuversicht¬
lich in Gewißheit wandelt: das die Darstellung
stark und— schön erfaßt, daß diese Szene
so
allein schon genügen würde, dem Film eine
freundliche Aufnahme zu sichern. Auch sonst
hat Evelyn Hoet, die jugendliche Haupt¬
darstellerin, noch manche eindrucksvolle Momente,
so, wenn sie vor einem Bilde steht und ver¬
sonnen meint: ich denke immer, dieses Bild
müßte „Verlassen“ heißen, oder wenn sie in
lähmendem Entsetzen nicht begreifen kann, daß
der erwartete Freund statt wiederzukehren still
und ohne Abschird von ihr gegangen ist in jenes
dunkle Reich, aus dem es kein Zurück mehr gibt.
Die Handlung selbst ist schwe# und erhält
dadurch noch eine besonders tragische, von Sen¬
stimentalität leicht berührte Note weher Trau¬
#rigkeit, daß
J. und L. Flecks sonst sehr
Flluge und umsichtige, niemals aufdringliche
Reaie nichts tut, um den Ernst ein wenig zu
zmildern, mit dem die Gesamtdarstellung selbst
kleichteren und flüssigeren Dingen begegnet.
Weder Louis Lerch (Lobheimer) noch Henry
[Stuart (Kaiser) bringen immer die ersorder¬
liche Beweglichkeit auf, vor allem aber versagt
leider Robert Scholz, der von seiner Frau
betrogene Bankier Velten, gerade dann, wenn
es darauf ankommt, eine besonders schwierige
Aufgabe zu lösen.
Sehr gut der Regieeinfall: ein Duell nur
andeutungsweise zu zeigen; verfehlt das
Schlußbile; den Tod der kleinen Christine
durch Autlischen einer Laterne zu symbolisieren.
Gesamteindruck: ein gut angelegter, gut durch¬
geführter Film, der mit zu dem Besten gehört,
vas die neuerdings wieder recht rührige
Stegerwaldt=Gesellschaft bisher geboten
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