eVerom.
In der Nachmittagsitzung wenden sich die Verhandlungen dem
wichtigsten Punkt zu: der Stellung der Genossenschaft zum „Ver¬
band zur Förderung deutscher Theaterkultur“.
Die Grundlage bildet ein Antrag Bernhardy=Halle, der zum
Protest gegen den Anschluß an diesen Verband auffordert, da
dieser Verband hinter einem Schwall schöner Worte unkulturelle
Bestrehungen verberge. Rickelt teilt mit, daß der Zentralausschuß
einstimmig den Anschluß der Genossenschaft an den Verband
gutgeheißen habe. (Widerspruch.) Na, dann mit überwältigender
Majorität.
Bernhardy wendet sich gegen die wenig objektive Weise, mit
der der „Neue Weg“ für den Verband nach Art eines neuen
Waschpulvers Reklame gemacht habe. (Rickelt wendet sich erregt
gegen diese Ausdrucksweise.) Der Antragsteller bestreitet, daß
der Verband in Wahrheit ein Verband zur Fördeung der Theater¬
kultur sei. Auf den Verband treffe das Wort eines Reichstags¬
abgeordneten zu, daß die Deutschen sich noch zu Tode organisieren
werden. Aus den Aeußerungen führender Männer des Kultur¬
verbandes gehe hervor, daß der Verband ein „sittenreines“
Theater wolle, sittenrein im Sinne jener Verbandsgründer. Es
sei immer bedenklich, wenn Theologen plötzlich Interesse für das
Theater bei sich entdecken. Sollen sich noch mehr Unberufene um
das Theater kümmern? Der Kulturverband wende sich zwar jetzt
nur gegen Possen, Operetten und die leichte Muse. Aber dann
kommen Sudermann, Wedekind, Schnitzler u. a. an die Reihe.
Der Generalsekretär dieses merkwürdigen Kürrürverbandes habe
nach einer Aufführung von Schnitzlers „Liebelei“ in einer
Kritik von dem „Sudelfritzen“ Schnitzler gesprochen.
Rickelt erwidert etwas gereizt. Er bestreitet, den Versuch ge¬
macht zu haben, den Vorredner in seinen Anschauungen zu beein¬
flussen. Er habe ihn nur auf die bedenkliche Fassung des An¬
trages aufmerksam machen wollen. Wenn man etwas erreichen
wolle, müsse man nicht nur stark, sondern auch klug sein! Er
übernehme die Verantwortung für den Anschluß an den Verband,
denn er sehe bei einem Abseitsstehen eine Gefährdung der
vitalsten Intevessen der Genossenschaft, und deshalb habe er die
Veröffentlichung der Gegenstimmen im „Neuen Weg“ unterlassen.
Er werde nie etwas Reaktionäres mitmachen. Es,
handle sich wirklich um vitale Interessen des Schauspielerstande#“
Das Theatergesetz sei noch nicht da, die Genossenschaft sei ggnz
allein auf sich selbst angewiesen die Schauspieler müssen sich selbst
helfen, so wohlwollend auch der Bühnenverein sich jetzt verhalte
und sich aller Hilfsmittel bediene. Ein solches Hilfsmittel sei der
Verband für Theaterkultur. Die Genossenschaft bezwecke
die
der kulturellen Ziele des Theaters. Er
habe nicht au daran vorübergehen können und sei nach
Hildesheim gefahren. In der dortigen Gesellschaft waren
Richter, Industrielle, katholische und evangelische Geistliche
u. a. da. (Ruse: Waren auch Rabbiner dort?) Jawohl. Auch
Rabbiner, ich glaube sogar ein Oberrabbiner. (Heiterkeit.)
Sollte der Verbend reaktionäre antisemitische Tendenzen ver¬
folgen, so werde austreten und eine Gegenbewegung entfesseln.
Was will der Kulturverband eigentlich? Er will keine neuen
Dichter schaffen. Ein dichterisches Genie wird sich allem reaktio¬
nären Gedräue zum Trotz durchsetzen. Beweis: Schiller und seine
Räuber“. Der Verhand hat mit der Literatur nichts zu tun, und
Schauspieler eigentlich auch nichts. Uns geht vor allem die
urspielkunst an. Der Verband will das Theater allen Volks¬
n öffnen. Jetzt nimmt nur eine Oberschicht am Theater teil.
dieser Entwicklung ist die Genossenschaft im höchsten Maße
ressiert. Wenn Sie trotzdem abseits stehen bleiben sollten, so
stutzen Sie mir die Flügel, und ich kann Ihnen nicht versprechen,
daß ich dann mein Amt als Ihr Führer mit der gleichen Lust und
Liebe weiterführen werde. (Großer Beifall.)
Geheimrat Ludwig Barnay: Ich stelle mich Ihnen als
Saulus und Paulus zugleich vor. Ich habe noch vor kurzem der
rtsgruppe Hannover, die mich zum Beitritt in den Verband auf¬
rte, geantwortet: Ich bin Ihr Gegner, ich mache Ihnen
osttien. Ich habe mich aber hier ebenso wie Kollege Stauffen
nach Besprech#ng mit Rickelt und Seelig bekehrt und spreche offen
aus: Rickelth# #cht gehabt, in den Verband einzutreten.
Rickelt steut fest, daß dem Verband der sozialdemokratische
Abg. Schulz, der Rechtsanwalt Lenzberg=Hannover, ein
Jude, Oberbürgermeister Voigt=Frankfurt a. M. angehören,
und daß sich jetzt auch die sozialdemokratischen Gewerkschaften
unter Führung des Abg. Legien in corpore dem Verband an¬
geschlossen haben.
Maximilan Shodeck meint, in Berlin bestehe schan seit langen
Jahren eine Ortsgruppe des Kulturverbandes, es sei die Freie
Volksbühna.
Außer der Reihe erhält Dr. Seelig das Wort: Es hondle
sich nicht um ein Vertrauensvotum für Rickelt, es handle sich
Harum, daß jede Genossenschaft eifrig für den Vorband eintrete.
Er sei kein Schmeichler, aber die Initiative Rickelts in Sachen des
Kulturverbandes sei sein größtes Perdienst während seiner Ams¬
führung im Genossenschaftspräsidium. Der Verband will die Au¬
gemeinheit für das Theater gewinnen, und im Verbande sitzen nur
5. Liebelei
box 13/8
„
Leute, die das Theater lieben. Der Reichskanzler, der preußische
Minister des Innern, wie der sächsische Minister des Innern# sind
beigetreten. Man solle sich doch hüten, unsere Staatsmänner in
dieser Zeit als Polizeimänner verdächtig zu machen. Jeder habe
doch im Kriege umgelernt. Nächstens werden Erlasse aus den
4
Ministerien an die nachgeordneten Behörden für den Verband
hinausgehen. Die Gegnerschaft refultiere aus einer pseudo¬
liberalen Nachtwächterpolitik, die Angst vor der
eigenen Courage habe. (Großer Beifall.)
Die Debatte wird geschlossen.
Der Antrag Bernhardy, der den korporativen Anschluß
der Genossenschaft noch für verfrüht hält, und eine abwartende
Haltung empfiehlt, wird gegen wenige Stimmen abgelehnt.
Ein Antrag, der den Anschluß gutheißt und dem Prösidenten das
Vertrauen ausspricht, wird mit gleicher Majorität angenom¬ #
men. (Wiederholter lebhafter Beifall.)
Die weiteren Verhandlungen finden unter Ausschluß der Oef¬ ##
fentlichkeit statt.
mtegineente eche
In der Nachmittagsitzung wenden sich die Verhandlungen dem
wichtigsten Punkt zu: der Stellung der Genossenschaft zum „Ver¬
band zur Förderung deutscher Theaterkultur“.
Die Grundlage bildet ein Antrag Bernhardy=Halle, der zum
Protest gegen den Anschluß an diesen Verband auffordert, da
dieser Verband hinter einem Schwall schöner Worte unkulturelle
Bestrehungen verberge. Rickelt teilt mit, daß der Zentralausschuß
einstimmig den Anschluß der Genossenschaft an den Verband
gutgeheißen habe. (Widerspruch.) Na, dann mit überwältigender
Majorität.
Bernhardy wendet sich gegen die wenig objektive Weise, mit
der der „Neue Weg“ für den Verband nach Art eines neuen
Waschpulvers Reklame gemacht habe. (Rickelt wendet sich erregt
gegen diese Ausdrucksweise.) Der Antragsteller bestreitet, daß
der Verband in Wahrheit ein Verband zur Fördeung der Theater¬
kultur sei. Auf den Verband treffe das Wort eines Reichstags¬
abgeordneten zu, daß die Deutschen sich noch zu Tode organisieren
werden. Aus den Aeußerungen führender Männer des Kultur¬
verbandes gehe hervor, daß der Verband ein „sittenreines“
Theater wolle, sittenrein im Sinne jener Verbandsgründer. Es
sei immer bedenklich, wenn Theologen plötzlich Interesse für das
Theater bei sich entdecken. Sollen sich noch mehr Unberufene um
das Theater kümmern? Der Kulturverband wende sich zwar jetzt
nur gegen Possen, Operetten und die leichte Muse. Aber dann
kommen Sudermann, Wedekind, Schnitzler u. a. an die Reihe.
Der Generalsekretär dieses merkwürdigen Kürrürverbandes habe
nach einer Aufführung von Schnitzlers „Liebelei“ in einer
Kritik von dem „Sudelfritzen“ Schnitzler gesprochen.
Rickelt erwidert etwas gereizt. Er bestreitet, den Versuch ge¬
macht zu haben, den Vorredner in seinen Anschauungen zu beein¬
flussen. Er habe ihn nur auf die bedenkliche Fassung des An¬
trages aufmerksam machen wollen. Wenn man etwas erreichen
wolle, müsse man nicht nur stark, sondern auch klug sein! Er
übernehme die Verantwortung für den Anschluß an den Verband,
denn er sehe bei einem Abseitsstehen eine Gefährdung der
vitalsten Intevessen der Genossenschaft, und deshalb habe er die
Veröffentlichung der Gegenstimmen im „Neuen Weg“ unterlassen.
Er werde nie etwas Reaktionäres mitmachen. Es,
handle sich wirklich um vitale Interessen des Schauspielerstande#“
Das Theatergesetz sei noch nicht da, die Genossenschaft sei ggnz
allein auf sich selbst angewiesen die Schauspieler müssen sich selbst
helfen, so wohlwollend auch der Bühnenverein sich jetzt verhalte
und sich aller Hilfsmittel bediene. Ein solches Hilfsmittel sei der
Verband für Theaterkultur. Die Genossenschaft bezwecke
die
der kulturellen Ziele des Theaters. Er
habe nicht au daran vorübergehen können und sei nach
Hildesheim gefahren. In der dortigen Gesellschaft waren
Richter, Industrielle, katholische und evangelische Geistliche
u. a. da. (Ruse: Waren auch Rabbiner dort?) Jawohl. Auch
Rabbiner, ich glaube sogar ein Oberrabbiner. (Heiterkeit.)
Sollte der Verbend reaktionäre antisemitische Tendenzen ver¬
folgen, so werde austreten und eine Gegenbewegung entfesseln.
Was will der Kulturverband eigentlich? Er will keine neuen
Dichter schaffen. Ein dichterisches Genie wird sich allem reaktio¬
nären Gedräue zum Trotz durchsetzen. Beweis: Schiller und seine
Räuber“. Der Verhand hat mit der Literatur nichts zu tun, und
Schauspieler eigentlich auch nichts. Uns geht vor allem die
urspielkunst an. Der Verband will das Theater allen Volks¬
n öffnen. Jetzt nimmt nur eine Oberschicht am Theater teil.
dieser Entwicklung ist die Genossenschaft im höchsten Maße
ressiert. Wenn Sie trotzdem abseits stehen bleiben sollten, so
stutzen Sie mir die Flügel, und ich kann Ihnen nicht versprechen,
daß ich dann mein Amt als Ihr Führer mit der gleichen Lust und
Liebe weiterführen werde. (Großer Beifall.)
Geheimrat Ludwig Barnay: Ich stelle mich Ihnen als
Saulus und Paulus zugleich vor. Ich habe noch vor kurzem der
rtsgruppe Hannover, die mich zum Beitritt in den Verband auf¬
rte, geantwortet: Ich bin Ihr Gegner, ich mache Ihnen
osttien. Ich habe mich aber hier ebenso wie Kollege Stauffen
nach Besprech#ng mit Rickelt und Seelig bekehrt und spreche offen
aus: Rickelth# #cht gehabt, in den Verband einzutreten.
Rickelt steut fest, daß dem Verband der sozialdemokratische
Abg. Schulz, der Rechtsanwalt Lenzberg=Hannover, ein
Jude, Oberbürgermeister Voigt=Frankfurt a. M. angehören,
und daß sich jetzt auch die sozialdemokratischen Gewerkschaften
unter Führung des Abg. Legien in corpore dem Verband an¬
geschlossen haben.
Maximilan Shodeck meint, in Berlin bestehe schan seit langen
Jahren eine Ortsgruppe des Kulturverbandes, es sei die Freie
Volksbühna.
Außer der Reihe erhält Dr. Seelig das Wort: Es hondle
sich nicht um ein Vertrauensvotum für Rickelt, es handle sich
Harum, daß jede Genossenschaft eifrig für den Vorband eintrete.
Er sei kein Schmeichler, aber die Initiative Rickelts in Sachen des
Kulturverbandes sei sein größtes Perdienst während seiner Ams¬
führung im Genossenschaftspräsidium. Der Verband will die Au¬
gemeinheit für das Theater gewinnen, und im Verbande sitzen nur
5. Liebelei
box 13/8
„
Leute, die das Theater lieben. Der Reichskanzler, der preußische
Minister des Innern, wie der sächsische Minister des Innern# sind
beigetreten. Man solle sich doch hüten, unsere Staatsmänner in
dieser Zeit als Polizeimänner verdächtig zu machen. Jeder habe
doch im Kriege umgelernt. Nächstens werden Erlasse aus den
4
Ministerien an die nachgeordneten Behörden für den Verband
hinausgehen. Die Gegnerschaft refultiere aus einer pseudo¬
liberalen Nachtwächterpolitik, die Angst vor der
eigenen Courage habe. (Großer Beifall.)
Die Debatte wird geschlossen.
Der Antrag Bernhardy, der den korporativen Anschluß
der Genossenschaft noch für verfrüht hält, und eine abwartende
Haltung empfiehlt, wird gegen wenige Stimmen abgelehnt.
Ein Antrag, der den Anschluß gutheißt und dem Prösidenten das
Vertrauen ausspricht, wird mit gleicher Majorität angenom¬ #
men. (Wiederholter lebhafter Beifall.)
Die weiteren Verhandlungen finden unter Ausschluß der Oef¬ ##
fentlichkeit statt.
mtegineente eche