Liebelei
eneneenenenwnce. box 13/6
77
ZOBSEAVER
. Osterr. behördt. Konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Auschnite
Wien I, Wollzeile un
Telephon R-23.0-62
Ausschnitt aus:
SASLERNACRACurEE
vom;
28. MRZ. 1934
Freund nicht mit derselben Ausschließlichkeit ihr gehört hat, heit die Verzweiflung des Madchens noch steigern, wenn
sie mit ungeschicktem Trost der Gebrochenen über die
wie sie ihn geliebt; aber daß er sie ohne Abschied verlassen
Stadttheater in Basel.
schmerzvolle Erfahrung helfen will. Lola Urban¬
und sich für eine andere hat totschießen lassen, und daß
Kneidinger zeichnete diesen Typus mit einem leichten Stich
sie nicht einmal so viel Recht bekam, an seiner Bahre zu
„Liebelei“ von Arthur Schnitzler.
ins Fragwürdige, ohne die sympathische Seite dieser
weinen, darunter bricht sie zusammen, verzweifelt entreißt
Gestalt zu schmälern. Hermann Gallingers Theodor
sie sich Vater und Freunden und stürzt davon. „Sie kehrt
Rünster Konmerselatend inr der Mrsternse.
war in Aussehen und Gehabe ihr männliches Gegenstück,
nicht mehr zurück!“ ist das letzte Wort, das der zusammen¬
in den Tag lebend, das Unbequeme von sich abschüttelnd,
brechende alte Mann ihr nachruft.
skeptisch auch in den Dingen des Herzens, dabei meist
Wir haben das Menschliche in Schnitzlers Stück in den
Dienstag 27. März.
lustig und gutmütig unbedeutend. Ein ganzer Charakter!
Vordergrund gestellt; es wurde durch die ganz ausge¬
Das Bild wird erganzt durch die rührend gute Figur des
zeichnete Aufführung, die unter Alwin Kronachers
k. Die Meisterschaft Arthur Schnitzlers im scheinbar
Vaters, der seinem Kind so gerne ein richtiges Erlebnis
Leitung die unzureichenden Bühnenverhältnisse in der
selbstverständlich enthüllenden Dialog in der sicheren und
gönnt und dafür so schwer geschlagen ist, von Max Knapp
Mustermesse völlig vergessen ließ, in den Gestalten wie in
klaren Charakteranalyse und in der Schaffung alles dessen,
ohne Pathos menschlich einfach gestaltet, daneben Alma
ihren hinüber und herüber gehenden Beziehungen in er¬
was wir in einem Wort mit Stimmung" bezeichnen, tritt
Wallés glänzend charakterisierte Katharina, die Frau,
greifender Weise verwirklicht. In die Wiener Fröhlichkeit
nirgends ausgeprägter und glänzender hervor als in dem
hat sich auch in den besten Zeiten etwas von jener Melan¬
die selbst die Erinnerung an eine bewegtere Vergangenheit
kleinen Schauspiel „Liebelei", welches das Basler Stadt¬
cholie gemischt, die sich jedem echten gefühlhaften Erleben
unterdrückt hat, weil sie ihr in ihrer jetzigen Einstellung
theater im Kammerspielzyklus mit Glück wieder aufge¬
beimischt. So klang es zwischen den klimpernden Tönen
nur Reue und Unbehagen bereitet, und die doch das Reiden
nommen hat. Wohl gehören die Hauptstützen der dramati¬
des „Doppeladlers“ wie verhaltenes Weinen und langsam
und Kuppeln, Neugier und Lüsternheit nicht ganz lassen
schen Fabel, die ständisch=militärische Satisfaktion und die
kann. Endlich der unheimliche und unerbittliche Herr von
senkte sich die Stimmungslinie bis zur tiefsten seelischen
gesellschaftliche Voraussetzung, einer Vergangenheit an, die
A. Fischer=Streitmann, dem Haß und Vernichtungs¬
Erschütterung. Neben der sicheren Führung des Spiel¬
für uns durch die furchtbare Kriegszeit in eine so fremde
wille aus den Augen glühte.
leiters, der auch die kaum angedeuteten Erkenntnisse des
Ferne gerückt ist, daß wir die unerbittliche Logik des Ge¬
Dichters in bewegtes Leben umzusetzen verstand, danken
Schade, daß die ausgezeichnete Künstlerarbeit sich in
schehens im Stück des Wiener Dichters kaum mehr verstehen.
wir den geschlossenen und packenden Eindruck der großen
der einmaligen Kammerspielaufführung erschöpfen muß:
Aber, was über Fabel und Handlung steht, das rein Mensch¬
und menschlich schönen Leistung Christine Reisingers
wäre dieser Raubbau an unsern besten Kräften nicht
liche, ist ewig jung und erschütternd, so lange es liebende
die dem innerlich mitgehenden Ensemble Ton und Haltung
wenigstens dadurch zu mildern, daß man das immer noch
Menschen gibt. Immer gibt es Herzen, die sich verschwen¬
ergreifende Werk auch im großen Haus durchs Abonnement
wies. So kleinmädchenhaft sie sich um ihren Fritz bemühte,
den, die ihr ganzes Sein einsetzen, wo es dem Partner
man spürte aus der leifesten Geste, aus dem verhaltenen
gehen ließe? Das glänzend eingespielte Ensemble würde
nur um eine flüchtige Wallung, ein rasches und mit der
Timbre ihrer Stimme die Echtheit des Gefühls das Schick¬
das wohl verdienen.
Erfüllung wieder abflauendes Begehren gilt. Schnitzler
salhafte ihrer Liebe. Schlicht, rührend im Beginn, kennt
führt diesen Zwiespalt in seinem Stück mit einer feinen
sie im Grunde ihr Schicksal, das Mädchenschicksal, schon im
innern Dialektik bis zur Tragik der Selhstvernichtung. Aus
Glück. Noch ein Weilchen möchte sie den Geliebten für sich
den Aufregungen eines Verhältnisses mit einer verheirateten,
haben, bevor er sie verläßt. Aber der Einbruch ist zu stark,
sensationslustigen Dame der Gesellschaft mö##te sich der
ihre Trauer schlägt in zornige Verzweiflung um; dieser
junge Fritz Lobheimer in die Arme eines einfachen Mäd¬
elementare Ausbruch mit dem Schrei des zutode getroffenen
chens aus dem Volk flüchten, das er in der Gesellschaft
Tieres war der stärkste und sicherlich jedem lange in Er¬
seines feschen Freundes Theodor kennen gelernt hat. Er
innerung bleibende Eindruck der darstellerischen Gestaltung.
hat Glück, obwohl er sich aus den früheren Verstrickungen
In Wilfried Scheitlin hatte sie den Partner der ihre
nicht hat lösen können. Das Mädchen liebt ihn mit der
Hingabe an den einen Menschen glaubhabt machte. Dieser
ganzen Einmaligkeit einer ersten jungen Liebe, aber unser
junge Mann hat in der sehr sympathischen Verwirklichung
Kavalier ist bedrückt; er hat sich in eine Schuld einge¬
des begabten Darstellers bei aller sogenannten Erfahrung
lassen, die als dunkle Drohung über ihm steht und die
mit Frauen keine Ahnung, was wirkliche Liebe ist; auch zu
auch immer wieder das Zusammensein mit dem „süßen
Christine trieb ihn mehr Ueberdruß als echtes Gefühl;
Mädchen“ trübt. So stehen die Dinge, als das Unheil
in der Form einer Duellforderung mitten in ein fröhlich= doch es steigert die Tragik des Geschehens, daß er uns
sentimentales Festchen der jungen Leute platzt. Das Ver= fühlen ließ, wie bei ihm auch die echte Flamme aus dem
halten des gekränkten Gatten läßt keinen Zweifel offen, Flackerlichtchen der Liebelei emporwuchs. Gutherzig, zu
daß der junge Fant sein Verschulden mit dem Leben büßen Zärtlichkeit geneigt, hübsch und wohlerzogen muß der
muß, und in der Abschiedsstimmung erst erkennt er das Leichtfuß ohne böse Absicht zum Herzensbrecher werden.
Auch im Gegensatz sind die Gestalten gut abgestimmt, die
Glück, das ihm durch die liebliche Christine hätte erblühen
lebenslustige Schlagermizi, schon etwas abgebrüht und mit
können. Aber es ist zu spät; von der Nichtsahnenden weg
geht er in den Tod. Sein Ende trifft das Mädchen wie der Freude des Augenblicks zufrieden, muß mit ihrer zwei¬
ein brutaler Keulenschlag; sie hat zwar gefühlt, daß ihr ffelhaften Erfahrung und ihrer resignierten Unbekümmert¬
eneneenenenwnce. box 13/6
77
ZOBSEAVER
. Osterr. behördt. Konzessioniertes
Unternehmen für Zeitungs-Auschnite
Wien I, Wollzeile un
Telephon R-23.0-62
Ausschnitt aus:
SASLERNACRACurEE
vom;
28. MRZ. 1934
Freund nicht mit derselben Ausschließlichkeit ihr gehört hat, heit die Verzweiflung des Madchens noch steigern, wenn
sie mit ungeschicktem Trost der Gebrochenen über die
wie sie ihn geliebt; aber daß er sie ohne Abschied verlassen
Stadttheater in Basel.
schmerzvolle Erfahrung helfen will. Lola Urban¬
und sich für eine andere hat totschießen lassen, und daß
Kneidinger zeichnete diesen Typus mit einem leichten Stich
sie nicht einmal so viel Recht bekam, an seiner Bahre zu
„Liebelei“ von Arthur Schnitzler.
ins Fragwürdige, ohne die sympathische Seite dieser
weinen, darunter bricht sie zusammen, verzweifelt entreißt
Gestalt zu schmälern. Hermann Gallingers Theodor
sie sich Vater und Freunden und stürzt davon. „Sie kehrt
Rünster Konmerselatend inr der Mrsternse.
war in Aussehen und Gehabe ihr männliches Gegenstück,
nicht mehr zurück!“ ist das letzte Wort, das der zusammen¬
in den Tag lebend, das Unbequeme von sich abschüttelnd,
brechende alte Mann ihr nachruft.
skeptisch auch in den Dingen des Herzens, dabei meist
Wir haben das Menschliche in Schnitzlers Stück in den
Dienstag 27. März.
lustig und gutmütig unbedeutend. Ein ganzer Charakter!
Vordergrund gestellt; es wurde durch die ganz ausge¬
Das Bild wird erganzt durch die rührend gute Figur des
zeichnete Aufführung, die unter Alwin Kronachers
k. Die Meisterschaft Arthur Schnitzlers im scheinbar
Vaters, der seinem Kind so gerne ein richtiges Erlebnis
Leitung die unzureichenden Bühnenverhältnisse in der
selbstverständlich enthüllenden Dialog in der sicheren und
gönnt und dafür so schwer geschlagen ist, von Max Knapp
Mustermesse völlig vergessen ließ, in den Gestalten wie in
klaren Charakteranalyse und in der Schaffung alles dessen,
ohne Pathos menschlich einfach gestaltet, daneben Alma
ihren hinüber und herüber gehenden Beziehungen in er¬
was wir in einem Wort mit Stimmung" bezeichnen, tritt
Wallés glänzend charakterisierte Katharina, die Frau,
greifender Weise verwirklicht. In die Wiener Fröhlichkeit
nirgends ausgeprägter und glänzender hervor als in dem
hat sich auch in den besten Zeiten etwas von jener Melan¬
die selbst die Erinnerung an eine bewegtere Vergangenheit
kleinen Schauspiel „Liebelei", welches das Basler Stadt¬
cholie gemischt, die sich jedem echten gefühlhaften Erleben
unterdrückt hat, weil sie ihr in ihrer jetzigen Einstellung
theater im Kammerspielzyklus mit Glück wieder aufge¬
beimischt. So klang es zwischen den klimpernden Tönen
nur Reue und Unbehagen bereitet, und die doch das Reiden
nommen hat. Wohl gehören die Hauptstützen der dramati¬
des „Doppeladlers“ wie verhaltenes Weinen und langsam
und Kuppeln, Neugier und Lüsternheit nicht ganz lassen
schen Fabel, die ständisch=militärische Satisfaktion und die
kann. Endlich der unheimliche und unerbittliche Herr von
senkte sich die Stimmungslinie bis zur tiefsten seelischen
gesellschaftliche Voraussetzung, einer Vergangenheit an, die
A. Fischer=Streitmann, dem Haß und Vernichtungs¬
Erschütterung. Neben der sicheren Führung des Spiel¬
für uns durch die furchtbare Kriegszeit in eine so fremde
wille aus den Augen glühte.
leiters, der auch die kaum angedeuteten Erkenntnisse des
Ferne gerückt ist, daß wir die unerbittliche Logik des Ge¬
Dichters in bewegtes Leben umzusetzen verstand, danken
Schade, daß die ausgezeichnete Künstlerarbeit sich in
schehens im Stück des Wiener Dichters kaum mehr verstehen.
wir den geschlossenen und packenden Eindruck der großen
der einmaligen Kammerspielaufführung erschöpfen muß:
Aber, was über Fabel und Handlung steht, das rein Mensch¬
und menschlich schönen Leistung Christine Reisingers
wäre dieser Raubbau an unsern besten Kräften nicht
liche, ist ewig jung und erschütternd, so lange es liebende
die dem innerlich mitgehenden Ensemble Ton und Haltung
wenigstens dadurch zu mildern, daß man das immer noch
Menschen gibt. Immer gibt es Herzen, die sich verschwen¬
ergreifende Werk auch im großen Haus durchs Abonnement
wies. So kleinmädchenhaft sie sich um ihren Fritz bemühte,
den, die ihr ganzes Sein einsetzen, wo es dem Partner
man spürte aus der leifesten Geste, aus dem verhaltenen
gehen ließe? Das glänzend eingespielte Ensemble würde
nur um eine flüchtige Wallung, ein rasches und mit der
Timbre ihrer Stimme die Echtheit des Gefühls das Schick¬
das wohl verdienen.
Erfüllung wieder abflauendes Begehren gilt. Schnitzler
salhafte ihrer Liebe. Schlicht, rührend im Beginn, kennt
führt diesen Zwiespalt in seinem Stück mit einer feinen
sie im Grunde ihr Schicksal, das Mädchenschicksal, schon im
innern Dialektik bis zur Tragik der Selhstvernichtung. Aus
Glück. Noch ein Weilchen möchte sie den Geliebten für sich
den Aufregungen eines Verhältnisses mit einer verheirateten,
haben, bevor er sie verläßt. Aber der Einbruch ist zu stark,
sensationslustigen Dame der Gesellschaft mö##te sich der
ihre Trauer schlägt in zornige Verzweiflung um; dieser
junge Fritz Lobheimer in die Arme eines einfachen Mäd¬
elementare Ausbruch mit dem Schrei des zutode getroffenen
chens aus dem Volk flüchten, das er in der Gesellschaft
Tieres war der stärkste und sicherlich jedem lange in Er¬
seines feschen Freundes Theodor kennen gelernt hat. Er
innerung bleibende Eindruck der darstellerischen Gestaltung.
hat Glück, obwohl er sich aus den früheren Verstrickungen
In Wilfried Scheitlin hatte sie den Partner der ihre
nicht hat lösen können. Das Mädchen liebt ihn mit der
Hingabe an den einen Menschen glaubhabt machte. Dieser
ganzen Einmaligkeit einer ersten jungen Liebe, aber unser
junge Mann hat in der sehr sympathischen Verwirklichung
Kavalier ist bedrückt; er hat sich in eine Schuld einge¬
des begabten Darstellers bei aller sogenannten Erfahrung
lassen, die als dunkle Drohung über ihm steht und die
mit Frauen keine Ahnung, was wirkliche Liebe ist; auch zu
auch immer wieder das Zusammensein mit dem „süßen
Christine trieb ihn mehr Ueberdruß als echtes Gefühl;
Mädchen“ trübt. So stehen die Dinge, als das Unheil
in der Form einer Duellforderung mitten in ein fröhlich= doch es steigert die Tragik des Geschehens, daß er uns
sentimentales Festchen der jungen Leute platzt. Das Ver= fühlen ließ, wie bei ihm auch die echte Flamme aus dem
halten des gekränkten Gatten läßt keinen Zweifel offen, Flackerlichtchen der Liebelei emporwuchs. Gutherzig, zu
daß der junge Fant sein Verschulden mit dem Leben büßen Zärtlichkeit geneigt, hübsch und wohlerzogen muß der
muß, und in der Abschiedsstimmung erst erkennt er das Leichtfuß ohne böse Absicht zum Herzensbrecher werden.
Auch im Gegensatz sind die Gestalten gut abgestimmt, die
Glück, das ihm durch die liebliche Christine hätte erblühen
lebenslustige Schlagermizi, schon etwas abgebrüht und mit
können. Aber es ist zu spät; von der Nichtsahnenden weg
geht er in den Tod. Sein Ende trifft das Mädchen wie der Freude des Augenblicks zufrieden, muß mit ihrer zwei¬
ein brutaler Keulenschlag; sie hat zwar gefühlt, daß ihr ffelhaften Erfahrung und ihrer resignierten Unbekümmert¬