II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 1945

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Die kleine Annie wird Schau¬
spielerin der Josefstadt.
Es gibt noch überraschende Theaterkarrieren.
Von
K. E.
Die 16jährige Schülerin des Reinhardt=Seminars
Annie Maier wurde an das Theater in der Josefstadt
engagiert und debütiert am nächsten Sonntag in Schön¬
herrs „Kindertragödie“.
Sie ist die Glücklichste in ganz Erdberg, die kleine, schlanke
Annie Maier, mit ihren rotblonden Locken und langen —
echten — Wimpern. Vor kurzem war sie noch eine bescheidene
Schülerin des Reinhardt=Seminars und jetzt ist sie, sie hat das
schwarz auf weiß, ein Mitglied des Theaters in der Josefstadt,
das in wenigen Tagen in einer sehr interessanten Rolle zu
sehen sein wird...
Das ist alles sehr, sehr schnell gegangen. Wenn es sich
auch nicht so glatt, so reibungslos abgewickelt hat, wie es vielleicht
für theaterfremde Leute den Anschein hat. Der Vater ist Schmied.
„Huf= und Wagenschmied“ steht mit deutscher Gründlichkeit auf
dem bereis verblaßten Schild und das bedeutet, die kleine Annie
weiß es recht gut, sehr viel Arbeit und wenig Geld. Für Extra¬
vaganzen hat Vater nicht viel übrig und die kleine Volksschülerin
Annie spricht zu Hause nicht viel über ihre ehrgeizigen Theater¬
pläne. Die Mutter, ja freilich: die Mutter kennt die Sehnsucht
des Töchterchens, aber man nimmt Träume nicht sehr ernst da
draußen in Erdberg. Bis eines Tages die Deutschlehrerin den
Vater rufen läßt. „Ihre Tochter muß Schauspielerin werden,
Herr Maier“, sagt sie. „Sie deklamiert so schön, mit soviel
Gefühl und Herz. .. es wäre schade, jammerschade, wenn so viel
Talent unausgenutzt bliebe." Talent bricht sich Bahn. Nicht
immer zwar, aber die kleine Annie ist eben ein Glückspilz. Eine
Schülervorstellung der Hauptschule — Annie ist nämlich schon
Hauptschülerin — lenkt die allgemeine Aufmerksamkeit auf das
Kind. Man spielt natürlich Raimund und Annie schlüpft keck in
die zerrissene Hose des alten Bauern, der zum Millionär wird.
Und sie spielt den alten Mann so gut, in so treffender Auf¬
fassung, daß der gesamte Lehrkörper nur eines Sinnes ist: „Das
Mädel gehört dem Theater...
„Also mach' nur die Prüfung bei diesem Reinhardt“, sagt
eines Tages der Vater. „Wenn du erst durchgefallen sein wirst,
wirst du selbst einsehen, daß das alles keinen Zweck hat.“ Sie
ist nicht durchgefallen, die Annie, obwohl sie sehr aufgeregt
war. Und wie dann alles glücklich vorüber ist, umarmt sie die
Mutter und auch der Vater. Der kühle, herbe Mann ist gerührt:
„Du bist ein Mordsmädel,“ sagt er, „ich hab's eigentlich schon
immer gewußt.“
Nun folgen fast zwei Jahre harten Studiums unter der
Leitung der Professoren Geyer, Kalbeck, Hans Thimig und zuletzt
Hofrat Dr. Lothar. Eine Aufführung von Schnitzlers „Liebelei“
im Schönbrunner Schloßtheater bringt die Entscheidung. Annie
erhält die Rolle der Christine. Eine schwere Auf¬
gabe, gewiß, aber eine Aufgabe, für die ein Mädel
aus der Wiener Vorstadt wie geschaffen ist. Es wird ein
herrlicher Theaterabend, den Fräulein Annie Maier, die Vor¬
zugsschülerin des Seminars, niemals vergessen wird. Sie erlebt
die große Liebe des kleinen Mädels und die Tränen, die die
geschminkten Wangen benetzen, sind nicht aus Glyzerin, sondern
echt. Sie kommen direkt aus einem jungen Herzen.
Nach der Vorstellung wünscht Hofrat Lothar Annie zu