II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 2091

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Liebele
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Aus Suschen Lehmanns Wiener Reisetagebuch.
worauf ich gern gegangen wäre, aber Onkel Poldl meinte,
„Inkel Leopold und Tante Franzsska, die neulich bei
er würde zuviel schwitzen, und Tante Franzl hatte ihren
1# uns in Berlin waren, haben mich mit nach Wien
seidenen Unterrock an, der es auch nicht verträgt. So
genammen, welches sehr schön ist. Wien gefällt mir so
blieben wir im Hotel und aßen sehr gut zu Mittag,
gut, daß ich einiges über dasselbe schreiben werde.
besonders die Speise, die Mehlspeis’ genannt wird, weil
Wenn man nach Wien kommt, so findet man, daß
sie mit Früchten gefüllt ist.
Berlin viel neuer ist, wohingegen Wien eine
Wenn ich über die Straßen gehe, passe ich immer
Vergangenheit hat. In Wien gibt's vie

auf, ob ich keine Berühmtheiten treffe, wovon es
S
Wiener Cafés, in denen man sehr gutes E.
hier doch sehr viele gibt, z. B. die „Liebelei“ von“
SS
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bekommt, was hier „Gefrornes“ heißt, wohin¬
Schnitzler, welche ich nicht sehen durfte, und „Elektra“
gegen man zu der Schlagsahne „Obers“ sagt.
von Hofmannsthal, wohin ich gleichfalls nicht durfte,
Eine Siegesallee vermisse ich hier, dafür ist die Prater=Hauptallee
aber beide heimlich gelesen habe. Schade, daß ich bis
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da, wo aber keine Denkmäler sind, sondern nur Fiaker, besonders
jetzt noch keinem begegnet bin.
Sonntag nach der Kriau, wo man „jaust“ oder „jausenet“, was soviel
Man hört in Wien sehr viele Sprachen auf der Straße,
heißt wie „Kaffee trinken“ oder noch mehr.
welche man nicht verstehen kann, weil sie fremd sind. Dieses ist
Die historischen Vorfahren des österreichischen Kaiserhauses
die Politik von Oesterreich, sagt mein Onkel Poldl, die mit
sind sehr zerstreut. Der eine steht hier, der andere dort, mehrere
unserer verglichen eine ganz andere ist. Sogar die Geheimräte
hat man in den Schlössern aufgehängt, weil sie bloß gemalt sind.
heißen hier Hofräte, was ich auch viel feiner finde.
Wenn man hier nach dem Weg fragt, sagen die Leute immer:
An die Wiener Amgangsformen habe ich mich noch nicht
„Zweite Gasse rechts,“ wenn es auch die fünfte Gasse links ist, es
gewöhnt, trotzdem ich schon vierzehn Tage hier bin, aber ich kann
muß wohl eine Landessitte sein. Neulich fragte mich die Marie,
die Heller und Kreuzer nicht auseinanderhalten und verwechsele
ob sie meine Schoß in den Kasten geben soll, womit sie meinen
immer noch Spagat = Bindfaden mit Powidl = Pflaumenmus.
Rock in das Spind meinte. Dieses ist der Wiener Dialekt, welcher
Aber sonst gefällt es mir herrlich, und ich zittere vor dem
überhaupt sehr komisch ist: wenn man „guten Tag“ sagt, sagen
Augenblick, in welchem Onkel Poldl zu dick wird und noch nach
sie hier „ich habe die Ehre“, und wenn man „adieu“ sagt, sagen
Marienbad muß, denn dann kehre auch ich wieder in meine teure
sie „guten Tag“.
Heimat an der Spree zurück. Bei der Sprec fällt mir die
Aber Wien ist trotzdem sehr schön. Erstens die Ringstraße
Donau ein, an der ich jetzt weile. Nämlich weil sie gar nicht so
mit dem Rathaus und dem Burgtheater, wo beinah so gut
blau ist, wie man nach dem Walzer meint, eher gelblich=grün,
gespielt wird wie bei uns in Berlin, was ich allerdings leider
und die Spree doch eigentlich beinah ebenso hübsch. In Einem
nicht bezeugen kann, da es Ferien hat. Auch das Deutsche
ist uns aber Wien doch über, indem hier Wein wächst, welchen
Volkstheater ist eine schöne Einrichtung mit einem Denkmal vor
man den „Heurigen“ nennt, was er bei uns nicht tut. Trinkt
der Tür, welches den Dichter Raimund vorstellt, wonach es
man Wein mit Sodawasser, so wird ein „G’spritzter“ draus.
„Deutsches Volkstheater“ heißt.
Die Oesterreicher sind ein höflicher Volksstamm. Ganz
Es wird nicht umsonst gesagt, daß Wien die Stadt der
einfache alte Männer, die auf der Straße sitzen, und die man
Musik ist: erstens das Opernhaus, welches von außen sehr schön
gar nicht kennt, nehmen den Hut vor einem ab. Neer eins finde
und auch sonst gute Kräfte haben soll. Die Militärmusik lautet
ich komisch und manchmal sogar schade, wenn es nämlich hübsche
dagegen gerade wie bei uns, nur daß dieselben hier Käppis tragen.
junge Herren sind, von denen es auf der Kärtnerstraße, die soviel
Die Soldaten heißen hier Schani und die Dienstmädchen Marle,
ist wie die Leipziger, einige gibt, daß sie hier immer: „Küss’ die
wogegen die Fräuleins Mizzi genannt werden.
Hand!“ sagen und es nicht tun. Womit ich aber nicht gesagt
Als ich gern mal nach dem „Zoologischen“ wollte, fuhren
haben will, daß ich mir was darauf einbilden würde, wie z. B.
wir nach Schönbrunn, was ein historischer Garten mit Schloß ist,
Margot, die das immer tut, wenn es ihr einmal passiert.
wohin sich Maria Theresia oft mit ihrem Gemahl zurückgezogen
In dieser Weise könnte ich noch mindestens eine halbe Stunde
hat. Ein anderer schöner Ausflugsort ist der Semmering, aber
weiter über Wien schreiben, aber es ist für heute genug, da
derselbe liegt schon etwas entfernter. Dort ist ein herrliches
Josefa Mey.
Tante Franzl eben zur Jause ruft.
Hotel und weiter hinauf ein hübscher Berg, der Sonnwendstein,
GRATIS
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Tonfilm, Theater, Tanz,

Wien, Eürich, Neu fark
R4.
Liebelei — englisch
Der große Filmerfolg zLiebeleig mit
Magda Schneider und Luise Ullrich soll
in London von der „Film=Society englisch
gedreht werden.