II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 36

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Zyklus
4.9. Anatol
1. Osa
Aus
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New York,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewahr.
Ausschnitt ausgerich Deutsch=Oesterrei¬
Wien-Leipzig
vom 11.
Deutsches Volkstheater. In dem Einakterzyklus
„Anatol“ bewegt Artur Schnitzler sich wieder auf jenen
Gebiet, das eigentlich er kreiert hat. Das „Süsse Mädeltum,
der tändelnde Leichtsinn des Wiener Junggesellenlebens. In
diesen sentimentalen Stimmungen, in denen die Escamotage
des „Gefühls durch das „Sentiment ernsten Menschen die
Stimmung verdirbt, kehrt der berüchtigte „Reigen“ wieder,
die zwei Geschlechter, die aneinander vorbei lieben. Es ist
vieles so fein ersonnen, die Situationen sind so geistreich
komponiert, daß man dem Liebeskünstler Anatol-Schnitzler
nicht gram sein kann. Aber das Herz des deutschen Volkes
schreit nach tieferen Noten. — Die schlägt Karl Schönherr
in seinem Drama „Glaube und Heimat“ an. Aus dieser ein¬
fachen Formel schmiedet der Dichter einen mächtiger
Streithammer. Aber ihn schwingt nicht der Künstler, in
olympischer Höhe thronend, er steigt herab und sucht im
Parteigetriebe einen Beifall, den man seinem gewaltigen
Talent gerne spenden möchte, ohne es durch wilde Ge¬
hässigkeit gegen die katholische Kirche entstellt zu sehen
Schönherr konterfeit seine Tiroler, lebensvoll und wurzelecht
mit der Seele und dem Kopf in jeder Gestalt. Er läßt uns
einen tiefen Blick tun in die Herzen, die lutherischen
Glauben und des Kaisers strenges Ketzeredikt, das mit
Heimatsverbann droht, bis ins Innerste zerfaserl. Aber Licht
und Schatten ist ungerecht verteilt, und ein tragisches
Einzelschicksal, dem niemand sein Mitgefühl verschließen
wird, ist in seiner Verallgemeinerung Geschichtslüge. Aus
den fernen Zeiten der Tiroler Gegenreformation (als ob
protestantische Länder in jenen Tagen nicht viel grausamere
Bilder lieferten!) ist eine Anklage wie ein Flammenzeichen
in unsere Tage milder Brüderlichkeit gesetzt. Wahrlich, das
größte Kunstwerk — und ich bezeichne Schönherrs Drama
mit diesem selten hohen Ruhmeswort — vermag den
schürenden Brand des Zwistes nicht zu entschuldigen.
„Der unbekannte Tänzer“ von Tristan Bernard rückte
rechtzeitig ein, um als Sylvesterscherz zu gelten. Bei aller
Unwahrscheinlichkeit ein ganz famoses und ausnahmsweise
dezentes Lustspiel, das mit Recht sympathische Aufnahme fand.
Telephon 11491.

ch. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
Ausschnitte und Bibliographie.
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-York, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Pet¬
burg, Toronto.
allemands dans le
Ausschnitt aus:
ja Wiener Mode, Wien
vom
Im Deutschen Volkstheater feierte man die Wiederkehr
lers ins Burgtheater mit der Aufführung von fünf Einaktern
im Anatol=Zyklus. Sonderbar — in seinen Anfängen spielte
ch mit der Leidenschaft der Liebe, frozzelte dieselben Ekstasen,
die er später so tief in Blut tauchte. Es schien uns jetzt schon manches
ein wenig primitiv, manches, das einst so leicht beschwingt an uns
vorüberflog, ein bißchen konstruiert, aber alles ist graziös, geistreich,
klug und voll Wiener Charme. Eleganter kann niemand die Klaue
des Löwen weisen als Schnitzler. Das Deutsche Volkstheater, das die
„Novität" am gleichen Tage herausbrachte wie das Berliner Lessing
theater, dürfte eine Parade schöner Frauen veranstalten, die zugleich
brillante Anatol-Weibchen sind. Nur die allerschönste, Fräulein
Reinau, war als Tame im „Weihnachtseinkaufe" zu mädchenhaft, zu
wenig mondain und zu wenig wienerisch. Offenbar mit Rücksicht
darauf hatte ihr auch die — sonst sehr geschickte — Regie eine Straße
gestellt, deren Läden auf eine kleine Provinzstadt raten lassen. Ur¬
wienerisch war natürlich Frau Glöckner als Annie im „Abschieds
souper". Die ihrer eigenen Diskretion im Schlaf nicht ganz sichere Cora
gab Fräulein Hannemann, das huschelige Zirkusweiberl Fräulein
Müller, die schlagkräftige Letzte, die ihr „auf Wiedersehen in der
Ehe" so siegessicher herausschmetterte, Frau Galafrés — alle
zum Anbeißen. Herr Kramer als Anatol war wohl poetisch und
melancholisch, auch paredistisch pathetisch genug, aber doch etwas schwer,
fast müd. In „Anatols Hochzeitsmorgen" aber erinnerte er sehr lustig
an / einen jungen Tewele oder Richard Alexander. Er wurde überhaupt
von Episode zu Episode besser. Sehr brav war auch der Max des
Herrn Lackner