II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 62

4.9. A.
box 8/5
1 - Zykle

burg, Toronto.
lange des doute
Ausschnitt aus:
COLLEMBER 1910
vom
Staatsbürger Leitung, Bern
war ganz das süße Mädel“ der man selbst in der Hypnos¬
nicht mit der Frage nach ihrer Treue kommen darf. Lina
Aus den Theatern.
Lossen als Kindliche ging nicht recht aus sich heraus: sie
Lessing=Theater.
blieb kalt und steif — ein Fehler, der zum Teil auch in der
Rolle begründet liegt. Frl. Sassin als Abschiedssouper¬
„Anatol“ von Arthur Schnitzler.
mung dieses Annie war glänzend ein kleiner Teufel voll Leichtsinn und
Man mag dem Milieu
Bosheit und einer sehr natürlichen plebejischen Note. Frl.
allmählich in gewissem Sinne klassisch gewordenen Einakter=
Zyklus Schnitzlers fremd und ablehnend gegenüber stehen: Herterich als die vagabundierende Zirkuskünstlerin,
es ist in der Art dieses Wiener Dichters ein Etwas, das auch in deren Leben Anatol nur „Episode" gewesen war, verdiente
alles Lob, und Irene Triesch als Ilona bildete den
den Widerstrebenden in seinen Bann zieht. Eine leise
Schwermut, eine leichtsinnige Melancholie, ein sanftes Däm= Höhepunkt des Abends: sie war Feuer und Leben vom Scheitel
merlicht verträumter Herbstabende liegt über allem: ein bis zur Sohle: es war köstlich, wie sie das Teegeschirr zerschlug
trauliches Gemach, eine rosa Ampel, ein paar Blumen auf und sich auf die Causeuse warf ihr Schwur „ich komme wie¬
dem Tisch — und darinnen eine kleine Nähteerin aus der der ließ in der Tat nichts an Glaubwürdigkeit zu wünschen
Vorstadt, die auf ihren Geliebten wartet. Keine Kunst übrig
Herr Monnard als Anatol stellte einen ganz glück¬
großen Stils, aber eine unendliche Feinheit und Anmut de¬
Details: ein kleiner wundersamer Ausschnitt aus diesem lichen Typus des weichlichen, sentimentalen Liebhabers dar
aber die feine Kultur und Grazie des Schnitzlerschen
großen, seltsamen Leben, das an uns vorbeirauscht
Es ist eine Kunst der Décadence, gewiß: Wollen, Tat¬ Anatol ging ihm ab. Ausgezeichnet als Maß war Emanuel
kraft, starke seelische Konflikte sind ausgeschaltet, und nur Reicher: die lächelnde Ueberlegenheit und kühle Objekti¬
das Spiel des Herzens und der Sinne bleibt. Anatol ist ein pität des Zuschauers kann nicht virtuoser und anschaulicher
H. St.
Genießer des Ewig=Weiblichen — ein wenig schwermütig, ein dargestellt werden, als es durch ihn geschah.
wenig grüblerisch, zu allerhand nachdenklichen Betrachtungen
geneigt, wie man das bei erotischer Ueberernährung durchweg
wird: im übrigen ist er gar kein komplizierter oder besonders
interessanter Mensch — er ist, wie er selbst richtig erkennt,
kein Individuum, sondern ein Typus: der Typus des über¬
sättigten Lebemannes, dabei ein harmlos gutmütiges Kind,
er glaubt — und darin liegt die Komik seines Wesens — die
Weiber zu beherrschen, während er in Wirklichkeit seinerseits
ihr Sklave ist. Die Weiber sind ihm — wie jedem Manne
himmelweit überlegen, selbst in der Hypnose lügen sie noch
— der gute Anatol wird mit diesen „süßen, hassenswerten
Geschöpfen nicht fertig, und er endet als ein müder, unter
ein offenbar nicht leichtes Ehejoch gebeugter Mann.
Von den sieben Einaktern hat Brahm fünf ausgewählt
Ab¬
Die Frage an das Schicksal, — Weihnachtseinkäufe,
schiedssouper — Episode — Anatols Hochzeitsmorgen. Auch die
fünf stellen auf der Bühne fast ein Zuviel dar. Aber dies Zu¬
viel wird bei der Aufführung gemildert durch die Art, in der
die verschiedenen Weibertypen dargestellt werden: die Mono¬
tonie der Handlung wird auf diese Weise angenehm unter¬
brochen. Frl. Somary begann den Reigen als Cora: sie