II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 145

4.9. Anatol Zykl
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sucht hatte, griff er zu dem verzweifelten Mittel, Anatol zu parodieren.
Er machte das Publikum, das über den Herrn längst keine Illusionen
mehr hatte, durch Blicke und Mätzchen darauf aufmerksam, daß es da
eigentlich einen Thaddädl vor sich habe, und schmückte sich für seinen
Hochzeitsmorgen mit einer Possenglatze, die Alfred Schmasow den Dank
jeder berliner Vorstadt eintragen würde. Als Freund Max war
Reicher am besten in dem Akt, für den ihn der Zettel zwar ankündigte,
aber nicht auf die Bühne ließ. Max ist ein etwa gleichaltriger Freund
des wiener Lebejünglings Anatol. Reicher war ein Schnittwaren¬
händler aus der Bukowina, der Anatols Großonkel zu sein schien. Ihr
Frauen verdient, daß man euch Tempel baute! Denn ohne euch wäre
man an diesem Abend schwermütig geworden. Als Erste schwebte
Fräulein Somary herein, lieb und lind und leichten Sinns. Als
Zweite schritt durch eine Winterlandschaft Fräulein Lossen, dunkel,
vornehm, seelenvoll und würdig, weniger flüchtig durch Schnitzlers
ernste Dichtungen zu schreiten. Als Dritte wirbelte Fräulein Sussin
herein, nicht gut angezogen, aber so gut gelaunt und so überraschend
befähigt, ihre gute Laune mit künstlerischer Delikatesse zu übertragen,
daß Brahm sie in Zukunft nur richtig zu beschäftigen braucht, um
eine wertvolle Kraft mehr zu haben. Als Vierte erschien Fräulein
Herterich, die vielleicht eines Tages auch noch ihr Feld finden wird.
Als Fünfte schließlich tollte sich die Triesch aus, von der wir immer
gewußt haben, daß sie mehr als ein Lustspieltemperament, daß sie eine
Lustspielcharakteristikerin von blühendem mimischen Reichtum ist. Ihr
Frauen verdient... Aber vor allem verdiente Arthur Schnitzler,
nach seinem wirklichen Alter und nicht als ein Literaturgreis
behandelt zu werden, dessen Entwicklung man pedantisch und
chronologisch aufzeigt. Dazu ist seine Gegenwart zu fruchtbar. Sein
jüngstes Drama heißt: Das weite Land. Warum also kriecht man in
die engen Winkel seiner Anfänge zurück?
Der junge Medardus / von Alfred Polgar
Eine sehr große, mit historischen Bildchen bunt bemalte äußerste
Hülle. In ihr fest eingewickelt: ein Theaterstück, eine starke
In dieses
Komödie voll Spannung und Konflikt, Ueberspannung.
Theaterstück gebettet: eine balladeske Dichtung von Helden, Tod und
Liebe. Und im Innersten dieser Dichtung: ein kleines, schüchtern¬
modernes psychologisches Drama von den Edelmenschen, die an ihrem
ethischen Temperament, an ihren fanatischen Herzens=Reinlichkeiten
zugrunde gehen.
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