II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 155

4.9. Anatol
Zyklus
Bitte Rückseite beachten!
Telephon 12.801.
te
BSERVER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für
Zeitungsausschnitte
Wien, I., Konkordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-York, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr
Ausschnitt aurankfurter Zeitung
MAI 1911
vom
en abend von wahrhaftem künstlerischen
Gewinn. — Das Schauspielhaus kehrt langsam aber
anscheinend systematisch zu seinen alten Penaten zurück.
Artur Schnitzlers amusante „Anatole-Szenen zogen
wieder einmal vorüber, nicht ganz so wirkungskräftig mehr
wie einst, aber doch dankbare Aufgaben für Darsteller, die,
wie Herr Waldau oder Frl. Gerhäuser, den Dialog zu
pointieren wissen. Dann folgte „Mutter Erde“. Dieses
Wiedersehen mit Max Halbe war schon um vieles bedenk¬
licher. Das Drama gilt als das beste seiner Heimatstücke,
und ist doch in ganz wesentlichen Teilen romanhaft und abge¬
standen. „Schaut nur herunter von den Bildern, ihr Väter!
Du alter Saal usw. darümmt sich einiges im Hörer.
Hoch zu Pferde jagen dann die Liebenden in Nacht und Tod
und Schnee und Eis hinaus. Den ganzen Abend lag mir was
im Sinn, endlich hatte ich es: „verrauschte Napfkuchenakkorde.
Ich glaube, Alfred Kerr hat dies erlösende Wort gesprochen.
Die Aufführung ging etwas der aber glatt vorüber. Die
rührende Gestalt einer alten Tante bot Frau Prasch=Gre¬
venberg die seltsame Gelegenheit, eine feine und ausge¬
reifte Leistung zu zeigen. E. K.
box 8/6
-
Aus Frankfurt a. M., 5. d., wird uns ge¬
chrieben: Aus schwül duftenden Taxushecken klingen
eise Lieder, zärtliche Lippen flüstern von Liebes¬
wonnen und Sehnsuchtsschmerz, Sommernachtstraum
der Seele von vergangenen Zeiten, wo ein Spiel, ein
Tändeln das Leben meisterte — Rokoko Sie sind
zum „Prolog“ geschrieben, die zarten gefühlvollen
Hofmannsthalschen Verse, zum Prolog von
Schnitzlers „Anatol, aber uns sind sie
Epilog, man liest sie wieder, wenn man die fein¬
gewobene Stimmung der flüchtigen Szenen genossen.
Der hiesige Versuch, mit ihm die späte Erstaufführung
des „Anatol“ einzuleiten, bewies es. Das Publikum
war ein wenig verwirrt, es wartete immer noch auf
Taxuslaube und Rokokogestalten, nach dem der Vor¬
hang sich zum letzten Male gesenkt hatte. Die
einzelnen Bilder waren von Oberregisseur
einer
Dr. Heine apart inszeniert.
kleinen besonderen Drehbühne, von weißseidenem
Zwischenvorhang abgeschlossen, bewegten sie sich leicht
vorüber, die „Frage an das Schicksal" als Auftakt,
das wundersam stimmungsvolle „Weihnachtseinkäufe",
das früher hier schon gespielte kecke „Abschiedssouper
die „Episode" und „Anatols Hochzeitsmorgen" als
wirksamer Abschluß. Stark und echt war der Ein¬
druck des so meisterlich gezeichneten zweiten Dialogs.
Hier ging die Inszenierung allerdings in ihrem Be¬
streben nach aparter dekorativer Einfachheit zu weit.
Links und rechts zwei Baumstämme, deren kahle
Zweige sich ineinander schlingen, und im Hintergrund
ein undefinierbares Etwas, das nur eine sehr lebhafte
Phantasie als Weihnachtsauslagen hinter eisblumen¬
bedeckten Glaserkern erschaute. Hier will die Berliner
Inszenierung mit ihrem von Vorübereilenden belebten
Straßenbild an sich entschieden angebrachter erscheinen.
Was mir bei all dem aparten Charakter auch der
übrigen Bilder fehlte, war eben eine gewisse Wärme
der Farben, etwas mehr Abglanz vom Schaumgold
des Rokoko. Georg Lengbach ist der rechte Typus
des Anatol, gestaltungsreich, von jener weichen Senti¬
mentalität, über der der leise Spott und zugleich die
Herzlichkeit des Dichters liegt, und vor allem — ur¬
wienerisch.
Jene heimliche überlegene Ironie
übertrug Arthur Bauer wirksam auf die Figur
des Max. Die Frauengestalten wurden von
Fräulein Wulf, Irmen, Sangora, Urban
und Hartmann mit bestem Gelingen verkörpert.
Der Beifall war nach den Weihnachtseinkäufen, dem
Abschiedssouper und dem Hochzeitsmorgen besonders
lebhaft. — Im Komödienhaus ward man mit
einer heutigen Matinee für Peter Altenberg,
von dem nur den Namen so viele kennen, den so
manche belächeln und so wenige verstehen, „auch
Einer“ von den stillen Träumern, die ihr Lebetag
hinter einem Schatten herlaufen, den sie die „Seele
nennen. Man warb für ihn mit einer Wärme und
Verständnisinnigkeit, wie wir sie aller echten Kunst
und überall wünschen möchten. Eines der kleinen,
zwanglosen und erfrischenden Gesellschaftsbilder bot
den Rahmen, der Inhalt war Gefühl. Es sprach
aus den geistvollen Einleitungsworten die Schrift¬
steller Hermann Sinsheimer aus Mannheim
dem Dichter widmete; es sprach aus dem fein ge¬
wählten Vortragsprogramm, das mit tiefem Empfinden
und trefflicher Nüanzierung von dem Mannheimer
Hofschauspieler Wilhelm Kolmar und unseren be¬
währten heimischen Kräften Traute Carlsen, Er¬
Dumeke, Theodor Loos interpretiert wurde.
M