II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 182

box 8/6
4.9. Ana
Zyklu-

gehoben. Das Publikum amüsierte sich ausgezeichnet und applau¬
C. M.-R.
dierte stürmisch nach jedem Stück.
Vereinigung Quickborn.
Zum zweiten Mal hatte der Quickborn einen westfälischen
Dichter als Gast: Herr E. Marcus erfreute die Vereinigung
durch die Vorlesung einer Anzahl eigener Gedichte, die sämtlich
seinem demnächst erscheinenden Buch „Matzohmes" entstammten
Der Dichter, ein hervorragendes Mitglied der Zoologischen
Abendgesellschaft zu Münster, war Tisch= und Dichtergenosse des
originellen Professors Hermann Landois, an dessen Fastnachts¬
und Volksstücken er regen Anteil hatte. Von seinen früheren
Werken nennen wir an dieser Stelle besonders: „Schnippsel vom
Wege des Lebens", „Dürgemös" und „Aolle Döhnkes un nie
Vertellsels".
Die diesmal vorgelesenen Gedichte bestätigten vollauf den
Ruf, den E. Marcus in seiner engeren und weiteren Heimat ge¬
nießt. Sie gaben ein klares Bild von der Eigenart und Per¬
sönlichkeit des volkstümlichen Dichters. Volkes Lust und Volkes
Leid werden in ihnen lebendig. Ueberhaupt kommt Marcus dem
Volkston, namentlich dem schalkhaft unterstreichenden, häufig in
köstlicher Weise nahe. Anderswo wieder erwärmt uns herzliche
Innigkeit des Gefühls, Namentlich in den Gedichten „Sunnen¬
riagen", „Int Hei", „Dat Leed", „In de Uhlenflucht" prägte sich
die eigene Art des Dichters glücklich aus. Die münsterländische
Mundart bereitete den Hörern von der Waterkante kaum Schwie¬
rigkeiten, aber dafür sind es schließlich ja auch „Hamborger
Jungs", und — Wibbelt auch nicht zu vergessen.
Der Vorlesung voraus ging ein gehaltvoller Vortrag des
Dichters über die westfälischen Sagen und Legenden.
Das Land der roten Erde schmückt ein besonders reicher Kranz
davon, und seine Dichter und Dichterinnen, von der Droste und
Grabbe bis Freiligrath, Weber=Dreizehnlinden, Grimme und
Therese Dahn, haben gewetteifert, sie uns in würdigem Gewande
nahe zu bringen und zu bewahren. So streift das einzige Ge¬
dicht der Droste, „Der Knabe im Moor“, vier verschiedene west¬
fälische Sagen. Bekannt ist auch „Heidekinds Erlösung“ von der
Drostennichte Therese Dahn. Die Sagen von Beckum, dem west¬
fälischen Schilda, von dem Grienkenschmied, von dem Bischof zu
Münster, von dem hockenden Weib zu Dörende, dem zu Stein
erstarrten, von der hartherzigen Schwester, die ihres Geizes we¬
gen spuken muß — sind bei uns mehr oder weniger unbekannt
geblieben.
Wir danken dem Abend, daß weitere Fäden zwischen unserer
Wasserkante und dem Münsterlande geknüpft werden konnten,
was für unsere niederdeutsche Sache von großem Belang ist.
Zu Beginn des Abends hatte der Vorsitzende eine Anfrage
wegen der geplanten Lustbarkeitssteuer dahin beantwor¬
tet, daß im Falle einer Ausdehnung dieser Steuer auf Vorträge
und Vorlesungen die „großen Vortragsabende im Conventgar¬
ten wahrscheinlich eingehen müßten, da sie schon jetzt in der Regel
Zubußen aus der Kasse erforderten und außerdem das „Abrech¬
nungsverfahren“ eine weitere Belastung einzelner Vorstandsmit¬
Klaviere, Pianinos
Harmoniums, vorzügliche
/
Instrumente aus den renommiertesten
Solisten!
Fabriken, kauft man am besten
nach dem
Elegantester
bequemsten
Konzertsaal
Zahlungssystem
Musica.
ERASAR
Wien I.
Wien, IV., Mühlgasse 28
(nächst dem Zentrum der Stadt
Graben /
gelegen). Fassungsraum 550 Per¬
sonen. Verbindungen nach allen
Richtungen.
Die Konzertreden arrange Veranstaltungen
und Tourneen in- und ausländischer Künstler.
Auskunfts- und Kartenverkaufsstelle bei der
„Musica" A.-G., Graben 17, Hochparterre.
ge, da er mit dieser Rolle innerlich noch
lange nicht fertig ist. Auch die vielen anderen Darsteller haben
sich noch nicht mit der Seele der Komödie recht vertraut gemacht.
Vielleicht werden uns spätere Aufführungen jenen Figaro so
zeigen, wie sich ihn Kainz wohl gedacht haben mag.
so ist für
Wenn Millionäre unter die Dramatiker gehen
Kritiker Vorsicht geboten. Henri de Rothschild hat schon manches
Stück für die Bühne verfaßt, doch wir sind in Wien damit stets
verschont geblieben. Diesmal ging man uns rücksichtslos zu Leibe
und machte uns im Deutschen Volkstheater mit seinem
vieraktigen Schauspiel „Die Rampe“ bekannt. Die ersten zwei
Akte der Komödie sind langweilig. Im dritten Akt gibt es eine
sogenannte starke Szene, um die mancher Bühnenroutinier den
schriftstellernden Herrn Baron beneiden darf. Der Schlußakt ist
aber wieder in Banalitäten getaucht, die erst mit dem Fallen des
Vorhanges ihr Ende nehmen. Elsa Galafres, die länger als ein
halbes Jahr der Bühne fern gehalten war, sah als Madelaine
Grandier so vornehm und aristokratisch aus, als ob sie aus der
Welt der Rothschilds käme. Nicht nur ihr Spiel war blendend,
ondern auch die vier hocheleganten und geschmackvollen Toiletten,
die sie zur Schau trug. Kramer war als Theaterdirektor eine
prächtige Figur. Die Aufnahme der Komödie war gerade nicht
übermäßig freundlich. Es wurde sogar auch ein wenig gezischt.
Vielleicht aber bloß von denen, die es den Rothschilds nicht ver¬
zeihen können, daß sie so viel Geld besitzen.
An der Neuen Wiener Bühne wollte sich in der dies¬
jährigen Saison gar kein literarischer Erfolg einstellen. Seit
Otto Anthes an dieser jungen Bühne entdeckt wurde, gab es keinen
großen und unbestrittenen Erfolg mehr. Jetzt brachte diese Bühne eine
wohlabgerundete, literarisch wertvolle Vorstellung, die Erstauf¬
führung von Gustav Wieds Schauspiel Die alte Gnädige.
Eine alte Baronin ist da, die einen Alkoholiker zum Sohn hat.
Dieser Sohn hat nun eine Frau, die ihn mit ihrem Vetter betrügt.
Er erwischt die beiden in einer Strohhütte bei einem Stelldichein
und steckt die Hütte in Brand, nachdem er sie zuvor fest verriegelt
hat. Der Liebhaber und die Frau finden einen gräßlichen Tod. Der
Sohn der alten Baronin will sich nun dem Gericht stellen, aber seine
Mutter vereitelt diese Absicht. Diese gedrückte und peinliche Hand¬
lung wird durch ein paar ganz köstliche Figuren angenehm bereichert.