II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 408

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ein abschließendes Urteil noch nicht abgegeben werden kann
Weiters hat der Verlauf der Theatersaison einen
unerwartet guten Erfolg gegeben.“ Nachdem der
schlechte Besuch im Mai zugestanden wird, heißt es: „Aber schon
im Juni war eine erhebliche Besserung zu bemerken und der
Monat Juli kann sich, was gutbesuchte Häuser anbetrifft, mit
den letzten Theaterjahren ruhig in Vergleich
stellen, so daß die Theaterleitung alle Ursache hat, mit den
materiellen Ergebnissen sehr zufrieden zu sein, Ergebnissen, die sich
im Monat August zweifellos (?) noch bedeutend erhöhen werden
und der Theaterdirektion einen hohen Gewinn garantieren.“
„Darüber staunt der Fachmann und der Laie wundert sich."
Wundert sich, wenn er weiß, wie oft der Verfasser desselben
Artikels mit eigenen Augen die gähnende Leere des Theaters ge¬
sehen und die beweglichen Klagen des Direktors mit eigenen
Ohren gehört haben mag. Wer die tatsächlichen Verhältnisse
kennt, wäre verleitet, auch diese „Feststellungen" für eine Satyre
zu halten, aber auch sie sind es nicht, sondern etwas ganz
anderes . . . Wir stehen zu Direktor Lischka-Raoul weder in
einem „verwandtschaftlichen, noch sonst wie außerordentlich freund¬
schaftlichen Verhältnisse“, aber die Gerechtigkeit erfordert es, die
Lächerlichkeit der oben angeführten Behauptungen aufzuweisen;
dagegen ernstlich zu polemisieren, erübrigt sich und das ist auch
nicht unser Beruf. — Eines wird aber sicher die Folge davon
sein; daß man in Karlsbad, soweit das Blatt eben gelesen wird,
über die Kühnheit, mit der den Leuten solcher Unsinn ins Gesicht
gesagt wird, sich — je nach dem Temperament — ärgern oder
lachen wird und falls es zu einer Neuausschreibung des Theaters
kommen sollte, man wieder ein Wettlaufkriechen der unwahrschein¬
lichsten Direktoren erleben dürfte.
Neulich gab's abermals einen „Bunten Abend“. Er war
aber viel zu wenig bunt, sondern ziemlich farblos, dieweil es
nicht angängig ist, daß in verhältnismäßig kurzen Abständen zum
großen Teil immer dieselben Piecen geboten werden. Das
Haus war leer und das spärliche Publikum erwärmte sich eigent¬
lich nur bei den prachtvoll gesungenen Liedern des Frl. Schulz
und dem reizenden Menuett, das von Herrn Walter René
arrangiert und von sechs Damen sowie von ihm und unserer
brillanten Tänzerin Frl. Garay ganz wundervoll zur Vorfüh¬
rung gebracht wurde. Dem sonst von uns sehr geschätzten Fräulein
Scarron möchten wir den wohlgemeinten Rat geben, sich bei
solchen Gelegenheiten doch mehr an das ihrem ganzen Wesen
weit besser liegende lustige Genre zu halten. Sie sang brav,
aber Schubert=Lieder und die muntere Friedl vertragen sich schwer.
In der „Kino=Königin" machten wir die Bekanntschaft des
über die Maßen feschen Fris. Mizzi Freihardt, vom Johann
Strauß=Theater. Ihre Leistung besonders zu loben, ist tatsächlich
schwer, sie ist über jedes Lob erhaben. Die überaus sympathische
Dame eroberte sich schon durch ihre Erscheinung die Herzen der
Zuhörer im Fluge. Wirksam unterstützt wurde der Gast durch die
Damen Hiller und Garay, welch letztere ihre graziöse Be¬
weglichkeit im Tanze wieder voll zur Geltung brachte, und die
Herren Kronegg, Felden, Schnepf und Trostli. —
Gestern spielte der k. k. Hofschauspieler Herr Alfred Gerasch
im „Flachsmann“. Natürlich ausgezeichnet und unter Beifalls¬
stürmen des gedrängt vollen Hauses. Mit Vergnügen kann jedoch
festgestellt werden, daß bei allen Gastspielen unser heimisches En¬
semble gut abschneidet und zu bösen Vergleichen wenig Anlaß
gibt. Herr Grosser als „Flachsmann" bot eine Glanzfigur, die
sich auf jeder großen Bühne sehen lassen kann, desgleichen
Frl. Kadelburg als Gisa Holm. Sie war direkt überraschend
gut und es ereignete sich der bei uns seltene Fall, daß beim Akt¬
schluß nach ihr gerufen wurde. Recht gut war auch Herr
Schnepf als Schulrat, leider litt er nur zu stark an einer ge¬
wißen „Versprechungsmanie"; auch der geehrte Gast hatte davon
einige recht heftige Anfälle abbekommen. Das Auditorium über¬
stand sie mit gebührender Heiterkeit. Selbst die kleineren Rollen
wurden prachtvoll gespielt; besonders hervorzuheben wäre der
äußerst begabte Herr Dannegger und die Herren Karma,
Hartmann-Haase und Schleger, welcher aus dem Rie¬
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Zyklus
4.9. Anatol
schnitt aus:
ten Tag, Wien
* (Kameradschaftsfest der Wiener Land¬
wehr.) Am 3. d. fand in Hietzing im Saale des
Hietzinger Hofes ein Kameradschaftsfest des Wiener
Landwehrinfanterieregiments Nr. 1 statt, das unter
dem Protektorat des Hauptmannes Edmund Redl
von der 1. Ersatzkompagnie zugunsten des Witwen¬
und Waisenhilfsfonds des Regiments veranstaltet
wurde. Der von einem überaus distinguierten
Publikum, darunter vielen hohen Offizieren, über¬
füllte Saal war festlich dekoriert. Im Mittelpunkt der
Saalausschmückung standen, von weißen und roten
Kränzen elektrischer Glühlichter umgeben, die Büsten
der verbündeten Kaiser. Das reichhaltige Unter¬
haltungsprogramm war erstklassig. Besondere An¬
erkennung gebührt den Damen Fräulein Fina Wid¬
halm von Kölner Opernhaus, Frau Seifert¬
Kuntner von der Wiener Urania und Frau Lilli
v. Frankowski sowie den Herren Carlo
Böhm vom Johann Strauß=Theater, Rudolf
Kumpa vom Carltheater, Rudi Merstallinger
Professor
vom Johann Straußtheater und
R. Marian, die sich in den Dienst der guten Sache
gestellt hatten. Ein großer Teil des ausgezeichneten
Programms wurde aber von den Feldgrauen selbst
bestritten. Der Einjährig=Freiwillige Pintschof
brachte Rezitationen, sein Kamerad Lanz=Lieben¬
fels fungierte als Opernsänger und ein aus¬
gezeichnetes Quartett, bestehend aus den Herren
Franz Heigl, Norbert Nowak und Josef Koch,
gab Liedervorträge unter der Leitung des Herrn
Alois Braunshör, der zugleich die Klavier¬
begleitung besorgte, zum besten. Der zur Aufführung
gelangte Einakter „Anatols Hochzeitsmorgen" von
Artur Schnitzler, in dem die Damen Fräulein
Viktoria Sabatin und Fräulein Mitzi Tram¬
agger sowie die Herren Otto Stenzl und Hans
Sperling=Ströhm auftraten, fand großen
Beifall. Ein von August Angenetter verfaßter
und wirkungsvoll gesprochener Prolog wurde
gleichfalls stark akklamiert. Di. Regimentskapelle,
brachte auch einen vom Oberstleutnant Pittler
komponierten Marsch zum Vortrag, der den schweren
Tritt eherner Bataillone nachahmt und allen Zu¬
hörern sehr gefiel. Ein prachtvolles Lied, „Südmark
uf", dessen Text von Herrn Julius Sickint¬
Schwarz herrührt und das der Komponist Herr
Leopold Welleba vertont hat, fand stürmischen
Beifall, daß es sofort vom ganzen Publikum mit¬
gesungen wurde:
Es geht ein Schrei durchs ganze Land,
So heiß wie Glut und Feuersbrand!
Von Berg zu Berg, von Tal zu Tal,
Von ärmsten Hütten zum Kaisersaal!
Der Meeresstrand ist in Gefahr
Und unser schönes Land Tirol!
Gleich die erste Strophe des kraftvollen und
klangschönen Liedes weckte rauschenden Applaus.
Dasselbe wurde auch bereits den Marschkompagnien
nach dem Süden mitgegeben.