II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 434

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4.9. Ana
Zyklu-
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Linzer Tage
n
Linz.
Theater, Kunst und Literatur.
Linz, 28. April.
(„Anatol.") Knapp vor dem Torschlusse noch eine
Erstaufführung. Wobei aber der Ton nicht auf dem „noch
liegen soll... Drei Einakter aus Artur Schnitzlers
„Anatol"-Zylkus. Szenen aus dem kleinen Liebesbau¬
einer wohl nicht großen, sicher aber reichen „Welt". An sich
Nichtigkeiten und vom Golgatha unserer Tage vollends ein
Nichts, aber wie sie Schnitzlers seine Hände aus dem Leben
schneiden und durch ein scharfgeschliffenes Prisma gleiten
und huschen und blitzen und schillern lassen, das macht sie
mehr als amusant, das stiebt auch künstlerische Freude durch
das Haus. Erzählen lassen sich diese Kleinigkeiten, bei
denen die Fassung ja nahezu alles ist, schwer; da kann auch
das leichteste Wort noch viel zu gewichtig klingen, eine zu
plumpe Vorstellung wecken. Neu waren für Linz eigent¬
lich nur zwei der Spielchen: „Die Frage an das
Schicksal" und „Der Hochzeitsmorgen", zum
„Abschiedssouper war man auch hier schon einigemale ge¬
laden. — Die Wiedergabe der drei Stückchen war eine
ganz vorzügliche. Das erste hatte vielleicht noch ein bi߬
chen Schwere, indem die Arbeit und Mühe, die just so leichte
Dingerchen erfordern, noch da und dort hervorsahen, aber
schon das zweite schwebte wie ein buntes Glaskügelchen über
einem Springbrunnen. Den Rekord spielerischer Leichtigkeit
schuf Fräulein Zeckendorff, die die drei süßen Mädeln
gab. Am köstlichsten geriet ihr Annie. Die Laune, die
sie zum Abschiedssouper mitbrachte und von Gang zu Gang
steigerte, legte alle „moralischen Bedenken nieder und ließ
die Wogen der Heiterkeit im ganzen Hause immer höher
gehen. Anatol war bei Herrn Lindt sehr gut aufgehoben.
Dankbar wird diese Gestalt freilich so recht erst am „Hoch¬
seitsmorgen. Da aber auch sehr. Freund Max hat in
das Spiel mit vollen Händen Knallerben zu werfen: Apho¬
sistisches und Paradoxes, Geist und Witz. Bei Herrn
Triembacher ging nichts fehl und blind, schlug alles
krachend auf, und doch wieder nicht zu stark. Die beifällige
Aufnahme des kleinen Reigens im vollen Hause ward
bereits vermerkt. Es wurde ganz außergewöhnlich viel und
herzlich gelacht, was in dieser heiteren Spielzeit nicht wenig
sagen will.
Franco, Stockholm II. Letenhurg, Taranto.



stehen nach
und
vom 3-19

Theater und Kunst.
„Anatol. on Artur Schnitzler. Schnitzler bringt
uns Skizzen, 1 ine Schauspiele. Er züchtigt mit beißendem
Spott die heuchlerischen Tugendbolde, die sich bei allen
Fehlern doch immer einreden, die besten Menschen zu sein;
aber er schreibt keine dramatischen Handlungen, die eine
durch die Charaktere erzwungene Entwicklung zeigen. Die
drei Abteilungen von „Anatol“ können auch in ganz un¬
derer Reihenfolge gespielt werden, etwa die letzte zuerst,
und es brauchte nicht viel geändert werden. Es sind nichts
als eine Art Anekdoten. Danach ist auch der Dialog mehr
Monolog des einen Spielers, der seine Anschauungen vor¬
trägt, gewürzt mit den Zwischenbemerkungen des zweiten,
wodurch das geistreich-witzige Milieu des Stückes geschaffen
wird. So muß man auch die beiden Hauptpersonen des
Stückes betrachten. Anatol trägt seine Meinungen über
Liebe vor und Max ist so halb Zuschauer, halb Spieler mit
seinem Spott und Kren, den er dazu gibt. Anatol will im
ersten Teil wissen, ob er treu geliebt; er könnte es erfahren,
denn seine Cora liegt in der Hypnose, die von Fräulein
Zeckendorff so natürlich, gewiß mit Aufwand von
Muskelkraft so gespielt wurde, daß man wirklich an eine
hypnotische Starre hätte glauben können. Aber Anatol ge¬
traut sich schließlich nicht, die Frage zu stellen. Der Zuschauer
aber wird über die nicht geforderte Antwort durch die nach¬
trägliche Angst der Enthypnotisierten, sich etwa verraten zu
haben, genügend orientiert. Im zweiten Teil — Akt kann
man nicht sagen — hat Anatol vor, seinem neuen Verhält¬
nis Annie, die mit sprudelnder Ausgelassenheit und mit,
wir müssen sagen künstlerischen Lachsalven wieder von
Fräulein Zeckendorff dargestellt wurde, zu kündigen. Ehe
er dazukommt, tuts das Weib. Nun muß er sich nachträglich
offenbaren und sucht die Wirkung durch die Versicherung
zu verstärken, daß er schon öfter untreu war. Annie ist em¬
pört, aber nicht darüber. So schlecht ist sie nicht gewesen, daß
sie dasselbe „erzählt hätte. — Im dritten Teil zieht sich
ein Liebesverhältnis noch in den Hochzeitsmorgen hinein
und die Tragik des Liebhabers, der heiraten muß, wird ge¬
mildert durch den Ausblick, daß die Liebhaberin nicht für
immer Abschied nimmt von diesen ihr lieben Räumen.
Anatol wurde von Herrn Lindt recht lebhaft gespielt, viel¬
leicht zu laut, solche die Liebe als Lebensberuf auffassende
Leute wie Anatol sind arme gute Teufel, die auf einen
weicheren Ton gestimmt sein müssen. Herrn Triem¬
bachers Max ist eigentlich eine unangenehme Rolle. Das
schien auch der Darsteller zu fühlen. Nur immer zu warten,
bis man den Kler dazusetzen kann, ist nichts Erfreuliches.
Max kann selber nicht spielen, er witzelt nur durch das ganze
Stück. Fräulein Zeckendorff, wußte auch das dritte
„Verhältnis“ gut zu geben, sie war so recht die süße, ver¬
führerische Flona. Die Nebenrollen waren durch Herrn
Czap gut besetzt.