II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 441

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klu-
4.9. Anato
Wendtag.

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Bühne
und Kunst
Kammerspiele.
Schnitzlers „Anatol“ ist vom Volkstheater in das pas¬
sendere eine Haus übernommen und neu besetzt. Edthofer
spielt den Anatol: interessant und blaß und manchmal, so in den
„Weihnachtseinkäufen", ein Meister des Dialogs. Das Korrekte
überwiegt allerdings das eigentlich Gestaltende. Herr Nowotny
neben ihm als Max wohlgelaunt, aber nicht rassig genug.
In dem Reigen der Damen ist Fräulein Waldow die
flotteste und beste. „Anatol“ erweist sich immer mehr
als poetischer Pradiesgarten für den Bougeois. Keine
Beschwerung und Anstrengung mit ungerd Geistigen; dafür die
anziehende Vorstellung von unendlichen erotischen Gelegenheiten
und sexuellen Fähigkeiten. Anatol, seinem Freunde das Pate
bringend, das unter koketten blauen Schleifen die zahlreichen
etikettierten Liebesandenten enthält: dieser Herr mit dem Muster¬
koffer ist der rechte Held für den Bourgeois. Die kleine Dosis der
einzelnen Szene ist erträglich; die ganze lange Folge nicht.
M.
Pierrot ist möglich; Anatol ist furchtbar.
ueteres Wiener Extrablatt,
Abendblatt
1918
Kammerspiele. Schnitzlers unverblühter
Einakterzyklus vom vielgeliebten, ebenden jungen
Herrn „Anatol“ ist vom Weghuber=Park in die
Rotenturmstraße gelangt. Den galanten Helden spielt
nach Kramers Abgang Edthofer so anmutig, so
geschmack und reizvoll mitten aus seiner natürlichsten
Natur heraus, daß es eine Freude ist, ihm zu folgen. Den
„Max, die zweite Stimme, hat jetzt Herr Nowotny,
der seinen Part diskret raisonierend durchführt. Die
beste der fünf Wonnespenderinnen war Fräulein
Waldow. Es ward ihr nicht schwer gemacht,
es zu sein.
10 Deutsches Tagblatt
.
the Rundschau
Wien
Nen eingeht und in den Hauptrollen neu befest.
würde gestern in den Kammerspielen des Deut¬
schen Volkstheater der Einakterzyklus „Anatol“, ge¬
geben. An Stelle Krämers, spielt sey Herr Ethofer
den Titelhelden/ ten / liebenswürdig=Lichtsinnigen
Wehmut, die ein Haupter dernis de Rolle ist, und
man wunderte sich, daß er sich früher mit der Rolle des
Mar bescheiden mußte, während er für die Darstellung
des Anatol doch schon zur Zeit von Kramers Alleinherr¬
schaft der Berufenste war. Es bedarf eben auch beim
Theater oft der seltsamsten Umwege, damit der rechte
Mann zur rechten Ausgabe komme. Neben Herrn Edhofer
als Anatol fand auch Herr Nowotny als sein Freund
Max lebhaften Beifall.
24.10.1978
Neuigkeits-Weltblatt. Die
Kammerspiele. Der Abgang Kramers hat eine Neu¬
besetzung der männlichen Hauptrolle in Schnitzlers
Gnakterferie „Anal notwendig gerücht. Herr
Edhofer spielt jest, den Anatol, aber es sei gleich
gesagt — ohne die ringen an sein Vorbild ver¬
drängen, ja zuweisen sogar, ohne ihm auch nur nahe
kommen zu können. Dieses Genre liegt eben Herrn
Edhofer nicht. Ausgezeichnet sind Marianne Nub, die
die Anna im „Abschieds soupe mit einem entzücken¬
den Humor spielt, und Lona Schmidt, die als Gabriele
in „Weihnachtseinkäufe eine schöne Innigkeit
entwickelt. Herr Nowotny, der Widerpart Anatols,
hält den Lebemann Max auf dem Niveau eines reichen
Fleischhauersohnes. Das wollte der Dichter gewiß nicht.
treu¬
....
Morgens
2
wir den in
(Kleines Schauspielhaus.) Schnitzlers Anatol¬
Zyklus war seit mehreren Jahren von der hiesigen
Von den sieben Einaktern
Bühne verschwunden.
hatte man ehedem fünf ausgewählt, zierliche
Causerien, von bestrickend sein durchgearbeiteten
Dialog. Die Handlung ist unbedeutend, das Wort
ist alles. Es war ganz gut, daß man diesmal bloß
vier Stücke beibehielt und „Weihnachtseinkäufe
forließ, da in diesem Einakter die Handlung ge¬
radezu auf ein Nachts zusammenschrumpft. Von
schillender Dialektik ist „Die Frage an das Schick¬
sal", literarisch am wertvollsten vielleicht die „Epi¬
fode", von lebhafter Regung das „Abschiedsouper
und voll gesteigerten übermuts „Anatols Hochzeits¬
morgen". Die vier Stücke, von Herrn Teller
stimmungsvoll inszeniert, fanden infolge des tref¬
lichen Zusammenspiels bei den Zuschauern allgemei¬
nen Beifall. Die Rolle des „Anatol“ hatte Herr
Götz inne; er füllte die selbe vollständig aus. Seine
Art, zu plaudern, elegante, ungezwungene Bewe¬
gungen, seine liebenswürdige, gesellschaftsgewandte
Weise lassen ihn für Gestalten wie „Anatol
sonders geeignet erscheinen. Nicht gering soll jedoch
auch Herr Stoffa eingeschätzt werden, dessen
„Max" die entsprechende Ergänzung zum „Anatol¬
abgab. Fräulein v. d. Hardt traf sowohl als
„Cora" wie als „Bianca die passende Linie, kla¬
und deutlich, ohne schärferen Strich, als es Roll¬
und Situation erfordern. In der richtigen, derberen
Form gestaltete Fräulein Bukovics ihre Aus¬
gabe; der kleine Spitz, den sich „Annie" antrant,
gebärdete sich sehr natürlich. Fräulein Garden
endlich stellte eine resolute, temperamentvolle
„Ilona" auf die Bühne. Sämtliche Darsteller wur¬
den beifällig ausgezeichnet.
(Aus der Theaterkanzlei.) Heute, Dienstag,
die Theater¬
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21.1918
B

atol.
J. G. Den intimen, unverwelklichen Reizen der Anatol¬
Szenen gab die kultierte Kunst des Herrn Gotz einen fessein¬
den Mittelpunkt. Anatols Leitmotiv, rastlose erotische Unbefriedi¬
gung und nachdenksames Auskosten genossener oder künftiger
Zärtlichkeiten, durchtönt von der Freude an der Lebenslüge, ohne
die das Sein dieses leichtsinnigen Melancholkers jeden Halt ver¬
löre, gewann in der meisterlichen Herausarbeitung des Künstlers
liebenswürdige Menschlichkeit. Das Abenteuer seiner letzten Jung¬
gesellennacht ließ er in prächtig gespielter Selbstronie an sich
vorübertoben. Max, Anatols unzertrennlicher Freund ist ein sep¬
tisch=kritischer Verstandesmensch, der den Gefühlswert des tollen
Weiberchenreigens richtig einschätzt und in dessen gerühmter Satze
mit unfehlbarer Sicherheit den überwiegenden Saccharingehalt
feststellt. Der burschikose, lässige Ton, in dem Herr Stoffa
diesen Lebensphilosophen spielt, entspricht, so wirkungsvoll er an

sich sein mag, der Absicht Schnitzlers entschieden nicht. Die Cor¬
Frl. Hards ist um eine Schattierung zu gewichtig. Auch fehlt
ihr die Wiener Klangfarde, die gerade für dieses reizend dumme
Vorstadtslitscher unerläßlich ist. Dagegen war ihre Bianca sehr
echt auf den pathetisch angehauchten Allerweltston der Zirkus¬
leute gestimmt. Schlechthin vollendet Frl. Bukowics als Annie.
Da satz jeder Strich, jeder Ton. Schaudernd erkennt Anatol in
ihr den Tiefstand seiner Liste, als sich in ihrem beginnenden
Schwies die äußere Kulturschicht löst und die Hausmeisterische aus
Ottakring zum Vorschein kommt. Die temperamentvolle Ilona
Frl. Gardens, die bei der Dialektfärbung leider nur Paprika¬
ersatz erwischt hat, weiß diese Kulturschicht auch in der ärgsten
Erregung zu wahren. Sie zerschlägt nur Geschirr, Annie Illu¬
sionen. Daher wird die Gefühlsagonie Anatols für diese zur
Todesstarre, zu Ilona kehrt er gewiß zurück. Herr Keller hat
die vier Einakter dem kleinen Rahmen sehr geschickt angepaßt
und so strahlte von ihnen pruckende Unmittelbarkeit aus.