II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 514


4.9. Anatol - Zyklus
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Burgermeet ruders, zum zweiten Vorsitzenden Wer mige nicht vergessen, daß die Deutschen einen weltgeschichte Buenos Aires (s.


Bernhardi. Oder auch der Einakterferie „Lebendige Stun¬
schmacklos.
Staatstheater.
den. Nicht gerade „Liebelei
Das Straße
Die gestrige Aufführung besaß in Steinbecks Anatol
Mittwoch, den 10. November: „Anatol. Fünf Ein¬
Kolonnade mit
den besten Träger. Er hat höchstvernünftigerweise nicht ge¬
baut, der Blick
alter von Artur Schnitzler.
wienert. Weder in Sprache noch Manier. Er hat die Figur
Er hat nach gewirkt, der echt wienerische — wenn auf
ständlich. Und
ganz auf seine eigene Persönlichkeit übernommen und damit
„Anatol“
mit ein wenig pariserischer Farbe gemalte
nächtlich belebte
in bestimmten Genre einen Menschen mit all seiner Mensch¬
trotzdem er nun geschlagene siebenundzwanzig Jahre au
damit das flirt
lichkeit erzielt: ernst und drollig, aufrecht und schwach, klug
seinen bekadent abfallenden Schultern trägt und der Welt¬
aufhält.
und töricht, witzig und borniert, fein und — im rechten Ma¬
krieg über ihn hingegangen ist. Von Wiener Tanzmusiken.
Alles in all¬
— auch menschlich ordinär. Eine Gestalt von Reiz und Wir¬
Walzern, Polka und Märschen (zu hüpfend fröhlichen
ter Erfolg.
kung und mit der man, in der Erinnerung selbst, noch weiter
leider, anstatt der mehr zu ihm taugenden wiegend sentimen¬
lebt.
talen) umspielt, erschien er und wirkte. Wirkte in einem
In Oberregisseur Rudolf Hoch, der die Stückchen auch
guten, künstlerischen und menschlichen Sinn. Nicht nur au
leicht und hübsch in Szene gesetzt hatte, war ihm ein voll¬
die allzeit rege Lust zum Lachen, auch, wo sie vorden, auf
wertiger Partner zur Seite. (Wenn ich meine, daß man
die zum Nachdenken. Mitfühlen, Sich=selbst erkennen.
Schnitzler ein wenig mehr auf Pointe, auf Herausarbei¬
Er ist ein sehr liebenswerter Dichter, der nun den Sech¬
tung der aphoretischen Sätze spielen kann, so weiß ich wohl.

nahe Artur Schnitzler, der erst ein Arzt und mit dreißi¬
daß über solche Auffassung zu streiten ist.)
Geheimrat
schon ein Weiser war. Einer ohne krampfig gerunzelt
Die fünf „Heldinnen“ der fünf Liebesaffären sielten —
Denkerstine. Aber all in seiner Weltlichkeit, in Gefühls¬
Dresden geboren
der Reihe nach —: Fräulein Else Bull, Fräulein Mela
schwang und Ironie, in Tiefe und Grazie, in residenzlicher
zig. Wien. Berl
Schwarz vom „Neuen Theater“ in Frankfurt (für das er¬
Eleganz und inniger Schlichtheit, doch keineswegs ohne der
ten 1880 bis 18
krankte Fräulein Sonnemann), Frau Hummel, Fräulein
Italien und der
strengen, selbstruserischen Ernst des Denkers,
Tille Uhrig aus Wiesbaden als Gast, Frau Jutta
Er, in erster Linie, hat der deutschen Dichtung, dem
Vratdozent a¬
Versen.
Drama und Roman, die moderne wienerische Note gegeben
Direktor des
In dem ganz kleinen Röllchen der „Cora“ zeigte Fräulein
ernannt. 1094
(Bahr ist sein plumper Nachahmer), deren Wiedererklingen
Bull recht nett und war den vielzitierten Typus des
an der Universi¬
heute so gebeiblich, so befreiend zu sein vermag, wie es im
„lieben, süßen Mädels", wies aufhorchendem Ohr auch, zum
Musilbereich die Mozartische ist; heute, wo ein jeder kaum
bis 1911 tätig¬
erstenmal. Spuren von Empfindung und Talent.
majorenne Dichter als ein verzweifelter Titane auftreten zu
v. Bülow, einer
Ganz meisterlich sodann — ebenfalls in einer kleinen
Ehe mit Hans
müssen glaubt, um mit jedem halbgegorenen Werkchen hun¬
Rolle — das den doppelt brünetten Namen zu Recht tragende
hat Frau Dan¬
dertjähriges Welt= und Kunstgebäude zu zertrümmern, wur¬
Fräulein Mela Schwarz als kleine Zirkusdame. Ein¬
dungsklage —
verzerrt, nageltene Heilslehre zu verkunden.
ausgezeichnete Schauspielerin offenbar, voll Reiz, Welt, Tem¬
Nur bis zu einem gewissen Grad — man muß sich kein
Professor Thode
falsches Bild von ihm machen — hat Schnitzler seinen Lieb¬
Richard Wagne
perament.
In der Rede vortrefflich, klug und empfindend. Frau
listus selbst gelebt. Er ist nicht Anatol, wie gern an¬
ein richtiges Ve¬
Hummel. Die Gestalt der mit Weihnachtseinkäufen be¬
zwei Schriften
genommen wird. Anatol ist ein Teilchen seines reichen
schäftigten vornehmen Dame“ nur nicht zu voller Glaublich¬
1904) und „Ein
Wesens
keit bringend. Die schwer darstellbare Situation, vielleicht
Liebe, die viel, wenn auch nicht einzig und alles be¬
Heidelberger
auch Toilettenkleinigkeiten, wie Strurf und Schuh auf
wegende Kraft, war der Gegenstand seines Nachfühlens und
schäftigende
winterlicher Straße, mögen illusions dend gewirkt haben.
denkens. Er hat sie in ihren Längen und Irrgängen, in
durch sein Ein¬
ihren Seligkeiten und Abgründen, in ihrer Tragik und
Thomas Werk
Fräulein Tille Uhrig in der vielgespielten, unend¬
Lächerlichkeit ergründet. Dazu eine menschlich allzu mensch¬
gen ist. Von
lich dankbaren Rolle der Schauspielerin im Abschieds¬
1892; „Hans
liche Gestalt von sich abgesplittert. Sie mit Alltäglich¬
souper, als Kind der Stadt herzlich aufgenommen und mit
keit und zugleich. Kultur erfüllt. Er hat im Kleinen
1905: „Böcklin
Beifall bedacht, zeigte hübsche Eigenschaften. Laune und Be¬
in den Klassike
Tiefen und Fernen ahnen lassen, in Andeutungen alle
weglichkeit, steht aber doch kaum schon auf der Höhe unseres
schen Schriften
Schwingungen der Seele.
Ensembles
Seine Leichtigkeit ist nicht — die sie es nie ist — Pro¬
die Anfänge de
Und Frau Versen war durch eine grellrote Perücke
dukt leichter Arbeit. Die köstliche Klarheit und Sauberkeit
2. Aufl. 1904
und einen erschrecklich blaß geratenen Teint leider dermaßen
seines Werkes ist Ergebnis heißen, redlichen Fleißes. Seine
Ihrhd." (1891
entstellt, daß die sonst temperamentvoll angelegte Rolle nicht
Genialität äußert sich nicht in wüster Unbürgerlichkeit. Er
„Arnold Böckli¬
zu Gestalt und Leben gedieb.
seinen allgemei¬
ist das erfreuende Muster des gesunden Dichters
Von den Zimmern war nur das erste hübsch wieneris
1901; „Goethe
Wir wollen die dargebotenen Anatol-Szenen (fünf von
und plauschig“: das zweite, Marens, zu let; das Separ¬
seinem Wegzug
den existierenden sieben) als eine Ouvertüre ansehen, und
des „Abschiedssoupers ein merkwürdiger stimmungslose
erhoffen das baldige Erscheinen eines reifen Schnitzlerischer
Gardone (Ita¬
Schauspiels. „Zwischenvial“, „Das weite Land", „Professor Korridor: Anatols Wohnzimmer im „Hochzeitsmorgen