II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 522

Klose & Seidel
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Berlin 10.45, Georgenkirchplatz 211

Zeitung
Nordhausen
Ort:

Datum,
Theater, Kunst u. Wissenschaft
Nordhausen, 18. November.
Stadttheater.
„Anatol." Ein Einakterzyklus
von Arthur Schnitzler.
Am Vorabend des Tages, an dem in Berlin
ein aufsehenerregender hochnotpeinlicher Pro¬
zeß wegen der Aufführung von Schnitzlers
„Reigen“ zu Ende geht, kam dieser erfolg¬
reichste der neueren Wiener Dramatiker, der
bekannte Verfasser der „Liebelel mit seinem
frühesten Werke, dem Einakterzyklus „Anatol“,
auf unserer Bühne zu Wort. Wir haben im
Laufe der Jahre das eine und andere dieser
kleinen Stücke hier schon gesehen; in ihrer ge¬
schlossenen Folge wurden sie uns gestern zum
erstenmal geboten. Anatol ist der Typus einer
charakteristischen Art von Wiener Lebemann,
bei dem eine Liaison die andere ablöst, ewig
entzündlich, schwärmerisch, dabei von einer ge¬
wissen elegischen Weichheit, ein „leichtsinniger
Melancholier", wie er sich selber nennt, oder,
wie ein anderer ihn genannt hat, „der Wer¬
ther des jungen Wien“. Es ist ein erotischer,
aber auch ein ästhetischer Genießer, dem etwas
Feminines anhaftet und der bei all seinen
Liebesabenteuern, die er bis zu seinem Hoch¬
zeitsmorgen fortsetzt, ein bissel komische Figur
macht. Ihm gegenüber steht der Freund, lei¬
denschafts- und illusionslos, ein realer, kühler
Skeptiker, dessen Anschauungen sich als die
siegreicheren erweisen. Die fünf Einakter, die
sich um die verschiedenen Liebesaffären Ana¬
tols drehen, sind liebenswürdige, geistreiche,
humorvolle Plaudereien, meisterlich gestaltete,
graziöse Dialoge voll wirksamer Antithesen
und hübscher Wendungen und vieler psycholo¬
gischer Feinheiten.
Sie präsentierten sich unter
der Spiellei¬
tung von Herrn Direktor Erich Fisch sämt¬
lich in einem stimmungsvollen Rahmen und
einer sorgfältig vorbereiteten Form, Edwin
Froböse als Anatol hatte die echte senti¬
mal schwärmerische Weichheit der Figur und
behandelte seine Rolle auch sprachlich vortreff
lich. Ausgezeichnet war Gerhard Haus¬
nana, der seinem Freund Mag die Ueber¬
senheit seiner klaren, gesunden Weltanschau¬
ing gab, ansprechend und jede in ihrer
Art lebensvoll
die „füßen Mädel
Käthe Strebel, Käthe Werkmeister,
Lotte Kleinschmidt und Feodora Ska¬
sellen) sowie Grete Nebelung, die die
Dame der großen Welt sein und vornehm
und mit dem tiefen Unterton des Herrens
zum Ausdruck brachte. Die einzelnen Szen¬
fanden viel Heiterkeit und Beifall, namentlich,
das „Abschiedssoupe, und „Anatols Hoch¬
zeitsmorgen" amüsierten sehr. Es war ein
überaus anregender und künstlerisch sehr ge¬
lungener Abend, dessen großer Erfolg noch
manche Wiederholung verbürgt.

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4.9. Anatol - Zyklus
Dr. Max Goldschmid
Bück für Zeitungsausschaffte
Teletos: Borden 305
BERLINNA
Ausschnitt aus:
Generalanzeiger, Dortmund
31. en 192.
satz zu ihm kommt. Er nimmt noch in der Nacht
vor seiner Hochzeit, auf der Heimkehr vom Polter¬
Kunst und Wissenschaft.
abend, eine Neue mit nach Haus, sie will am
Dortmund, 29. März
andern Morgen nicht weichen und als sie von sei¬
ner Verheiratung erfährt, beschließt sie, wiederzu¬
Stadttheater Dortmund.
kommen, um sich an ihm bezw. an ihr zu rächen.
Mit diesen wenigen Worten haben wir den Inhalt
Anatol von Arthur Schnitzler.
der vier Gespräche aus der lächelnden Welt des
Also spielen wir Theater
„Anatol," die am Samstag Abend die Einakter
Spielen unsre eignen Stücke.
des Kleinen Hauses ausmachten, wiedergegeben.
Frühgereift und zart und traurig,
Die Aufführung stand unter der Spielleitung
Die Komödie unsrer Seele
von Hans Bogenhardt, der dem leichten Sinn
Unsres Fühlens Heut und Gestern,
und dem leichten Milieu der Einakter die passende
Böser Dinge hübsche Formel,
Stimmung in der äußeren Aufmachung, in dem
Glatte Worte, bunte Bilder,
leichten Fluß der Darstellung zu geben verstand.
Halbes, heimliches Empfinden,
Auch manche Zutaten erhöhten den Reiz der Hand¬
Agonieen, Episoden.
lung (die dem Diener ins Gesicht geschmierte
„Frühgereift und zart und traurig, so ist auch Sahne z. B.)
der verwöhnte, angekränkelte, verbummelte Dich¬
Rudolf Greving fand für den blasierten Dich,
ter Anatol, der leichtsinnig lebt und schwermütigter Anatol, den Mann mit dem frühgereiften Sinn
denkt und von seinem Freunde Max in den sieben und dem zarten und traurigen Fühlen, in Haltung,
Gesprächen, die den „Anatol“ zusammensetzen, so Ton und Rhythmus die passende Einstellung, wäh¬
oft in die Grenzen gesunden, natürlichen Denkens rend Paul Warschawski als der welt= und
und Fühlens verwiesen wird. Anatol bezweifelt lebensgewandte Wirklichkeitsmensch ebenso über¬
die Treue seiner Geliebten, wagt aber nicht, an
zeugend wirkte.
sie in der Hypnose die entscheidende Frage zu stel¬
In die Frauenrollen teilten sich mit Erfolg;
len, aus Furcht vor der Gewißheit. Er nicht sich Helene Heinrich als sentimentale Cora, Julia
schwere Gedanken um ein Mädchen, mit dem er Janssen als Lebedame Bianka und Lou Seitz
vor drei Jahren einmal zwei Stunden zusammen¬s schmissige Annie mit dem groben Stich ins
gewesen ist. Sie kommt zurück und erkennt ihn Gewöhnliche und als temperamentvolle Ilona.
Das Haus war gut besetzt, und Darsteller und
nicht mehr. Er flieht. Er will mit einer Flamme
brechen, weil er schon wieder eine neue hat und Spielleiter ernteten reichen Beifall und Blumen¬
kann es kaum fassen, daß sie mit dem gleichen Vorspenden.