II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 598

4.9. Anatol - Zykl
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Der Morgen
Theater
und Kunst
terichs mit etlichen letzten Tupfern verfah, hätte
„Anatol“ im Akademietheater
der sonst vortrefflichen Leistung der Künstlerin
einen Dämpfer aufsetzen müssen. Die Darsteller
Anatol war Arthur Schnitzlers dramatische
trugen die von Czettel entworfenen Kostüme
Jungfernrede, selbstverständlich ohne Jung¬
der neunziger Jahre. Die Frauen nach der
frauen. Sieben kleine Stückchen, die allmählich
Mode von damals hatten viel an= und auszu¬
entstanden, vereinigte der Dichter zu einem
ziehen, aber sie erscheinen den Augen von heute
bunten Blütenstrauß. Einer dieser Einakter
wie liebenswürdige Karikaturen. Der Vorhang
geriet zu Anfang der neunziger Jahre auf die
fühlte sich wiederholt gehoben, desgleichen das
Ischler Bühne. Ich depeschierte meinem Blatte:
Publikum, das die Künstler dankbar vor die
„Zwar hat Schnitzler für den Sohn eines
Rampe rief. Nur ein alter Herr in meiner
Laryngologen einen zu kurzen Atem, aber das
Nachbarschaft seufzte nach bekanntem Muster:
kecke Stückchen atmet Geist und Leben. Das
Publikum war angenehm entrüstet." So lautete
„Ja, ja, geliebt hat man in den neunziger
das erste gedruckte Lob, das der junge Dichter
Jahren!
zu lesen bekam.
Nein, es war nicht das erste Lob, denn schon
Vielleicht interessiert es die Leser, wenn ich
zwei, oder drei Jahre früher hatte ich ein
hier eine Episode auffrische, die mit „Anatol¬
Festspiel, das er zum Jubiläum seines Vaters
zusammenhängt. Eines Tages überraschte mich
des Professors Dr. Johann Schnitzler, ge¬
Charlotte Wolter mit einem Schreiben, worin
schrieben, sehr anerkennend besprochen. Der
sie mich ersuchte, unter den Tagesneuigkeiten
Verfasser selbst, längst ruhmgekrönt, machte
meines Blattes von dem 25jährigen Jubiläum
mich auf dieses „allererste Lob freundlich auf¬
ihrer vortrefflichen Köchin Notiz zu nehmen.
merksam. Und ich höre ihn noch, wie er in
Obgleich solche Jubiläumsergüsse just nicht zu
diesem Festspiel einige Burgschauspieler glän¬
den literarischen Aufgaben eines Burgtheater¬
zend kopiert, sogar den mitwirkenden Ernst
kritikers zählen, erfüllte ich gern den Wunsch
Hartmann.
der großen Tragödin und machte mir den
Fünf von den sieben Einaktern werden jetzt
Spaß, die Notiz mit den folgenden an die
im Akademietheater gespielt, von Salmhofer
Jubilarin gerichteten Versen zu schließen:
am Klavier und einem ungenannten Geiger mit
Täglich duften deine Tische
Schubert=Klängen stimmungsvoll begleitet. In
Wie der fliederreiche Mai,
einem Fauteuil nachlässig hingestreckt, spricht
Herrlich munden deine Fische,
Raoul Aslan als Anatol den Prolog, den der
Köstlich ist dein Hirn mit Ei!
junge Hofmannsthal unter seinem Pseudonym
Lob und Preis aus meiner Feder
Loris farbenfreudig hinzugedichtet:
Deiner hehren Kunst ich weih,
„Also spielen wir Theater,
Ist doch deiner Krapfen jeder
Ein gebackner Wolter=Schrei!
Frühgereift und zart und traurig,
Die Komödie unserer Seele,
Im Sommer darauf erhielt ich in Ischl eine
Unseres Fühlens Heut und Gestern ..."
Einladung zu einem Mittagessen in der Villa
Warum flüsterte der gewiegte Sprecher wie
Wolter in Weißenbach. Professor Johann
im Wachtraum den wunderbaren Prolog?
Schnitzler, in dessen Begleitung ich den Aus¬
Muß denn auch eines der schönsten und klarsten
flug unternahm, redete während der Fahrt
Gedichte Hofmannsthals schwer zu verstehen
wiederholt auf mich ein, ich müsse ihm ver¬
sein? Und nun folgten die Stücke mit ihrem
sprechen, seinen Sohn nicht wieder zu loben,
kultiviert galanten Dialog, ihrer sozusagen gra¬
wie erst kürzlich gelegentlich der Ischler Auf¬
ziösen Erotik und ihren satirischen Anatolis¬
führung, denn das könnte seinem Sprößling
men über Liebe, Ehe, Untreue und alle in
so meinte der besorgte Vater — dem ärzt¬
schlägigen Herzenssachen. Aslan pointierte den
lichen Beruf abwendig machen. Ich habe es
fünfmaligen Anatol sernhintreffend, aber dank
nicht versprochen und dies wiederholt gehalten.
der Umbesetzung durch Röbbeling den Plötz¬
Nach der Mahlzeit dankte mir die Köchin in
lichen, sah man einen, sagen wir, künstlerisch
einer ihr vom Grafen Sullivan, dem Gatten
gereiften Anatol, der als melancholischer Leicht¬
der Wolter, einstudierten Ansprache, und zwar
sinn die Melancholie bevorzugte. Immerhin
in jenem Dialekt, den uns der Friedensvertrag
siegte seine Beliebtheit.
als Rest vom Kronlande Böhmen übrig ließ.
Im Parkett saß das Vorbild des Max, der
Dann löste sie ein Sträuschen Alpenrosen vom
Medizinalrat Dr. Friedrich Kapper, dem vor
Busen, überreichte es mir und knixte artig
seiner Maxahnlichkeit bange wurde, denn der
davon. Beim Schwarzen bat Professor Schnitz¬
Max des Emmerich Reimers litt ein wenig
ler die Wolter, mir zuzureden, seinen Sohn
unter der jähen Umbesetzung, zog sich aber,
nicht mehr zu loben! Als jedoch später die
wenn man beim Anatolreigen so sagen darf,
Lober überhand nahmen, fügte er sich in das
mit Anstand aus der Affäre. Und dann die fünf
nun hochwillkommene Unvermeidliche.
Frauen! In der „Frage an das Schicksal fügte
Julius Bauer.
sich Gerda Dreger als Cora klug in die Hyp¬
Bei Herzleiden und Adernverkalkung, so¬
nose. In „Weihnachtseinkäufe", von welchem