II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 679

4.9. Anatol-
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lu
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31. AUG. 1917
sen Extrabat, wie
Die Darstellerin der Rolle hat im Sinne der
M
szenischen Anordnung in die Schüssel zu greifen.
Mit den Fingern! Die dann „abgeschleckt" werden.
Ehevordem ... ja anno dazumal ... türmte sich in
der Schüssel ein Berg von echter, unverfälschter,
Der zentrierte.
bester Vanillecreme auf und jede Soubrette führte
eine Ladung der köstlichen Speise in den Mund.
Annie:
nen Vorschriftsmäßig mit den Fingern. Jetzt erregt die
Bordeaux geben. Keinen Cham¬
„Mischung beinahe Widerwillen . . . Denn sie
pagner; keine Filets aux
wird... erschrecken Sie nicht ... aus Schaum von
truffen; keine Austern. Das ist Seifenersatz oder aus einem anderen „Stoff" zu¬
nun Alles vorbei.
bereitet. In diese „Delikatesse" taucht keine Schau¬
Anatol: Herrgott, Haben Sie einen
spielerin die Finger und unberührt bleiben die
sentimentalen Magen.
Lippen. Der Zuschauer hat keine Ahnung von diesen
„Abschiedssouper.
Kulissengeheimnissen. Statt Vanillecreme — Seifen¬
an muß nicht Besitzer eines sentimentalen
schaum! Ihn „abzuschlecken ist kein Musenkind
Magens sein, um der entschwundenen Zeiten
kontraktlich verpflichtet. Arme Annie! Mit den
mit einiger Wehmut zu gedenken, da
Zigaretten geht es nun ebenfalls schlecht. Der reizende
alles Land von Milch und Honig floß. Die
Einakter Schnitzlers schließt mit einem Angriff des
Menschen haben sich in den Ueberfluß an Mangel
lecken Frauenzimmerchens auf eine Schachtel mit
hineingefunden und die Theaterdirektoren, die doch Zigaretten. Annie stopft eine Handvoll Zigaretten in
auch Menschen sind, sozusagen, tragen den veränderten
ihre Tasche. Einst konnte sie zugreifen und hinein¬
Zustanden Rechnung. Im Deutschen Volks¬
zwängen. Die Zeiten sind vorüber. Statt der knisternden
theater wird seit Beginn des neuen Spiel¬
Rauchware liegen nun — — leere Hülsen in dem
jahres Arthur Schnitzer wieder gegeben. „Liebelei
Behälter. Und da soll eine Raucherin keinen senti¬
und „Abschiedsouper bilden das Programm mentalen Magen bekommen. Vor einigen
von Abenden, die starker Teilnahme be¬
Tagen traf ich Artur Schnitzler in der
gegnen. Die kulinarische Not des vierten Kriegs¬
Halle des „Hotel Bristol. Er arbeitet
sommers zwang die Spielleitung zu bezeichnenden
gegenwärtig an mehreren Werken:
Aenderungen im Dialoge. Wäre die Sache
teils an Stücken, die für die Bühne bestimmt sind,
nicht so ernst, man könnte sie beinahe ultig
teils an Novellen. Die Uraufführung eines vor
nennen. So kann in „Liebelei" nicht mehr kurzem vollendeten Schauspiels findet am
von — Mocca-Cremetorte die Rede sein,
Berliner Lessing=Theater statt. Warum
sie muß durch eine gewöhnliche „Bäckerei
nicht in Wien?
ersetzt werden. Eine luriose Verwandlung erfuhr in
„Abschieds ouper die Kotelette. Sie, die einst in
fleischreichen Epochen, in appetitlicher Natürlichkeit
die Augen des Publikums auf sich zog und deren
feiner Duft die Nasen kitzelte, wich nun einem —
kachierten, angestrichenen Requisit aus Pappendeckel,
belegt mit einer ebenfalls nachgetäuschten Masse, die
den Hunger des flotten Mädels Annie nicht reizt,
sondern auf dem Teller liegen bleibt. Kürzlich kam
es zu einer drolligen Episode. Der Kellner in „Ab¬
schiedssouper tritt mit einer Schüssel voll
Creme auf.
Anatol: Gehen Sie zum Teufel mit Ihrer
Creme
Annie: Wie ... Bouillerme...60