II, Theaterstücke 4, (Anatol, 8), Anatol, Seite 692

4.9. Anatol
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geben, damit sie dort Geld sparen und ....
meinen nicht sehr bemerkbare Freiheit Sr.
Gatten und die Kinder nachkommen lassen
tauschen."
Bela Kun geschenkt worden war, hätten ihm
Bauernkomödie von Eugen
kann.
Wrany-Raahen.
nach überallhin die tiefste Dankbarkeit bewahrt:

noch in den letzten Achtzigerjahren. Das war
Lokomotiven, Maschinen un chirurgische In¬
eine Zeit frei vom Gewicht sozialer Probleme,
strumente produziert, es hat Beiträge auf
Feuilleton.
eine Zeit, in der junge, charmante Müßig¬
allen Gebieten der Wissenschaft geleistet, die

gänger blühen und sprießen konnten. Das
die Welt nicht von uns, sondern nur von
Wiener Film.
war damals, als das leichtbeschwingte, toner¬
unseren deutschen Nachbarn erwartet hätte.
Man wird irre und unsicher. Weiß schlie߬
Immer hat das Ausland, besonders Nord¬
füllte, graziöse Wien der phantastischen Vor
lich gar nicht mehr, ob sich ringsumher wirk¬
deutschland, uns „amusant" gefunden und es
stellung des Auslandes fast bis zur Realität
lich alles so grauenhaft verändert hat oder
nahe kam. Das Wesen des Wieners war das
wurde eine förmliche Manie der fremden
man es nur selbst ist, der im Chaos der
eines sonnigen Sonntages im Frühling. Die
Zeitungskorrespondenten, alles, was aus
Zeiten zur Fratze seiner eigenen Person
Wiener sind das liebenswürdigste Volk, wenn
Wien kam, scherzhaft zu behandeln. Bis wir
wurde und ungeheuerliche Metamorphosen
die Sonne lächelt. Sie haben ein wahres
selbst so empfanden und kein eingeborenes
durchmachen mußte. Sieht man die lachende,
Talent für Lachen, für Melodie, für Kunst,
Talent im Vaterland als Prophet gelten
scherzende, singende, übermütige Jugend um
konnte. Und doch lebt ungeheuer viel Talent
für die Grazie des Lebens. Wenn die Sonne
sich her aus einiger Entfernung, so möchte
scheint —
in uns und bei uns. Aber es kommt hier erst
man glauben, daß sie so ist, wie wir es in den
zur Geltung, wenn es vom Ausland aner¬
Schnitzler kam dann auf die nervösen,
ganz jungen Jahren waren. Tritt man aber
kannt wurde. Gustav Mahler mußte das er¬
unruhigen, schon von fernem Pulverdampf
näher, so erkennt man oder glaubt zu erken¬
leben und hundert andere neben ihm. Sehen
erfüllten Zeiten vor dem Krieg zu sprechen
nen, daß das ganz andere Jugend, anderes
Sie nur dies an."
und auf den Krieg selbst.
Menschentum, vielleicht nicht schlechteres aber
„Das Jugendliche Wien. Anatols war
Schnitzler zeigte dem amerikanischen
sicher weniger liebliches ist. Immer wieder
bald wie ein Traum versunken. Vielleicht sehe
Journalisten eine Kohlenzeichnung, die auf
auch muß man das Mädchen von heute mit
ich die Dinge so verändert, weil ich selbst
seinem Schreibtisch lag. Ein junges, nacktes
dem süßen Mädel von ehedem, den ungen
älter geworden bin. Aber ich glaube, daß die Weib, das eben aus dem Schlummer erwacht.
Herrn, wie zu vor zehn Jahren war, mit dem
heutige Zeit ganz anders ist als die Anatols.
Der Journalist hatte das Empfinden, nie
Wiener Jüngling von heute vergleichen. Und
Sie ist im Feuer geschweißt und auf dem
Vollendeteres gesehen zu haben. Das Bild
kommt zur Resultat, daß das süße Mädel
Ambos des sozialen Lebens gehämmert wor¬
schien zu leben, zu atmen, sich zu recken.
und ihr Mannes Anatol nicht mehr sind
den. Es ist nicht nur der nationale Krieg, den
„Dies ist, rief Schnitzler begeister aus
gestorben verdorben, auf dem Schlachtfeld
ich meine. Auch der Krieg zwischen Klerikalis¬
„das Werk eines jungen Künstlers ersten
oder dem Natutenmarkt des Hinterlandes
mus und Liberalismus, Kapitalismus und
Ranges. Aber Wien hat ihm noch keine Auf¬
Nun liegt eine Bestätigung dieser trauri¬
Sozialismus, Militarismus und Pazifismus
merksamkeit geschenkt und wird dies wahr¬
gen oder auch nur selbstverständlichen Tat¬
tobt noch, und das Schlachtfeld liegt im Herzen
scheinlich auch erst auf dem Umwege über das
sache vor. Arin Schnitzler, der Vater, besser
und in der Seele, in der Familie und in
Ausland un
sagt der Kinder den süßen Mädel
jungen Mann selbst. Bittere Konflikte im
Wieder kam das Gespräch auf den Krieg
und Anatols, des jungen Wiener Herrn, hat
eigenen Heim, in der Werkstatt, im Freundes¬
und Schnitzler schilderte mit leiser,
in einem Interview dem amerikanischen kreis, überall dort, wo früher das Leben nur
flüsternder Stimme, was Wien gelitten,
Hourten Joseph Gollomb klipp und klar
von seiner spielerischen Seite gesehen wurde.
dem Tag, an dem Franz Ferdinand ermordet
gesagte Anatol ist nicht mehr! Und wenn
In großen Zügen entwarf Schnitzler
und das Land unbewußt fast in diese
Anato nich mehr ist, so kann auch das Mäd¬
ein Bild der Entwicklung Wiens, mit hinge¬
setzliche Blutmeer geschleudert wurde. Und
chen, das immer und ewig Ergänzung und worfenen geistvollen Worten leuchtete er in
kam auf die Zeit nach dem Kriege zu sprechen,
Negativ des Mannes bleiben wird, nicht mehr
die tiefsten Herzenswinkel, in die unentwier-
mit ihrer Not, ihrem Schlemmertum,
das füße Mädel sein,
barsten Probleme dieser Stadt.
Verdrängung des wirklichen Wiens
„Das Wien des Anatol", sagte Schnitz¬
In Wien sind die Walzer von Strauß
Schieber und Händler, die in na¬
ler dem amerikanischen Journalisten, „lebte
entstanden, aber Wien hat auch Stahl und
üppigkeit in den Tag hinein leben