II, Theaterstücke 4, (Anatol, 5), Abschiedssouper, Seite 180

4.5. Abschiedssouper
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schreit Francillon auf. Der Graf stürmt herbei: er hat die
Gewißheit, daß seine Frau sich nicht entehrt, daß sie nur
ihn blamirt hat. Das kann er verwinden. Ob Francillon
die schrecklichen Stunden ihrer Entdeckungsfahrt in's Land
der selbstherrlichen Ehe= und Lebemänner vergessen wird?
Die Aussicht auf Versöhnung hat Dumas nur schmach an¬
gedeutet. Das Stück endet mit einem schlechten Witz.....
Die Francillon, eine vom Dichter mit köstlicher Fein¬
heit herausgearbeitete Frauenfigur, spielte Adele Sand¬
rock mit ganz außerordentlichem Erfolg. Hat sie uns
schon während ihres ganzen Gastspiels durch ihre emi¬
neute Sprechkunst entzückt, so ward dieses Entzücken
Theater und Mustk.
gestern Bewunderung. Francillon hat den Hauptantheil
ss- Münchner Schauspielhaus. Donnerstag, 19.
an der Konversation, durch sie spricht Dumas seine Mein¬
Januar: Gastspiel von Adele Sandrock; zum ersten
ung aus, in Worten und Sätzen, die blenden und blitzen
Male: „Francillon“, Schauspiel in drei Aufzügen von
wie Diamanten, und die scharf und plastisch gemeißelt
Alexander Dumas, dem Sohne. — „Francillon“ ist ein
sind wie aus Marmor. Und wie sprach Adele Sandrock
glänzendes Plaidoyer zu Gunsten einer tiefbeleidigten,
das Alles! Und mit welch' überquellender Lebenswärme
chwer gekränkten Frau, eine mitschneidendem Hohne, mit
erfüllte sie das Alles! Keine Silbe, keine Nüance, die nicht
Frimmigster Verachtung erfüllte Anklage gegen die Pariser
mit erstaunlicher Sicherheit die Stimmung traf: Undaaus
n derne Gesellschaft. Das Stück hat wenig Handlung,
welcher Seelentiefe das Alles herauskam! Nirgends eine
öre ucht auch gar keine, das köstlichste an ihm ist diese wun¬
Oberflächlichkeit, überall und immer Empfindung, Be¬
Verbar fein gemeißelte Sprache, diese Fülle von Geist, Witz
wegung, Ueberzeugung. Wie diese Francillon mit ihrem
und Satire, die sie ausströmt. „Francillon“ — das Stück
Gatten abrechnete — mit dieser todtkalten Ruhe über einem
wurde hier 1890 schon im Gärtnerplatztheater gegeben —
in verzehrenden Flammen untergehenden Herzen, das war
ist eine junge Frau der besten französischen Gesellschaft; sie
ein Meisterstück mimischer Kunst. Und wie sie ihrer
liebt ihren Gatten, er aber, ein seichter Kopf, ein Esel, wie
Freundin ihren Schmerz und ihre Qualen schilderte,
sein eigener Vater ihn nennt, gefällt sich darin, mit der
die sie gefoltert hatten, wie noch einmal ihre ganze
tiefen Liebe seiner Gattin zu tändeln, sie zu betrügen —:
große Liebe für den Mann durchbrach, den sie
das ist in der Gesellschaft des Herrn Grafen v. Riverolles
in seiner ganzen niederträchtigen Jämmerlichkeit erkannt,
so Sitte. Warum sollte er selbst eine Ausnahme machen?
den sie nicht einmal hassen kann, da er zu verächtlich ist —:
Francine aber verlangt diese Ausnahme, und da der Gatte
en¬
das war wiederum ein Meisterstück ergrei
sie deshalb auslacht, schwört sie ihm, daß zur selben
schilderung. Wenn ich in dem Beri
Stunde, da sie weiß, daß er sie betrügt, auch sie ihn be¬
„Abschiedssouper sagen konn
trügen werde. Aug um Aug'.— Zahn um Zahn. Nicht
wohl noch ni
lange bleibt ihr die Gewißheit erspart. Sie beobachtet ihren
Gatten, dem sie auf den vernball gefolgt ist, wie er gegen
Schauspielhe
die gewöhnlichste Griset zärtlicher ist denn gegen seine
Publikum un
ines jungen Mannes, des nächst¬
der
eigene Gattin; am Arr
äußere Wirkung war vielleicht nicht
rfolgt sie ihren Gatten bis in's
besten, den sie findet.
Magda, nicht so begeistert, wie bei der Christine, aber
auscht ihn dort, sie erduldet dort
Chambre separée, si
um so mächtiger die Wirkung nach Innen .... Ganz vor¬
... Anderen Tags hält sie dem
die entsetzlichsten O#
mlichkeit vor Augen, und sie ge=Itrefflich war auch die übrige Darstellung des Stückes.
Gatten seine ganze
it einer Geliebten amüsirt habe, Von dem an manchen Stellen etwas schleprenden Tempo
steht ihm, wie er
Geliebten vergnügt. Der edle abgesehen war die Aufführung wohlabgerundet und
habe sie sich mi
vermag immer noch nicht zu elegant herausgearbeitet. Ich darf wohl in erster
Graf wüthet.
n dessen fähig sein konnte, was Linie den trefflichen Stanislas des Herrn Sturm nennen;
glauben, daß
die Figur ist das Extraktprodukt der höchst pessimistischen
beichtete. Er schickt seine
sie ihm so
Gesellschaftsanschauung, die Dumas in dem Stück zum
sie bestätigen ihm
chen aus —
Freunde auf
Ausdruck bringt. Herr Sturm lieh dem manchmal recht
ndin Francines glaubt trotzdem noch
Alles. Nur ein
abstoßenden Pessimismus, der nahe an Cynismus grenzt
die unangetastete Würde der Gräfin
unerschütterlich
den Charakter vornehmer Decenz. Stock gab den Grafen
Gewißheit dadurch, daß sie sie in eine
und sie verschaf
Riverolles sehr gut. Gleiche Anerkennung verdient das
st, Francillon, der unbekannte Mann,
Falle lockt: S
liebenswürdige Backfischchen des Fräul. Bré und der gute
mit dem sie zu en soupirt, habe Alles zugegeben, was
brape alte Junge Symeux des Herrn Röhl, der sich immer
die Ehre der ## in vernichten könne. „Er hat gelogen!“
mehr vervollkommnet. Herr Wallner schuf aus dem Gecken
Carillac eine famose Episodenfigur und Frl. Enzinger gab
die Therese mit gemessener Würde. Nur hie und da dürfte
sie im Spiel mit ihrer Partnerin wärmere Antheilnahme
bekunden. Doch wer würde neben einer solchen Partnerin
sich nicht befangen fühlen? — Der Salon, in dem das
Stück spielt, athmete vornehme Eleganz. — Das ausver¬
kaufte Haus spendete dem Gast und den anderen Darstellern
reichsten Beifall.