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großen Erwartungen entgegensah: das Fastnachtsspiel „Venus im
Grünen“ von Pedolf Lothar, Musik von Oskar Straus. In
Leipzig, wo dieses musikalische Lustspiel seine Uraufführung hatte,
hatte es die Feuerprobe mit Glanz bestanden und nun ist es
auch vor dem Wiener Publikum zu einem ganz großen Erfolge
gelangt. Lothars Text hat, ohne Musik, schon seinerzeit im
Deutschen Volkstheater sehr erheiternd gewirkt; in der musi¬
kalischen Fassung, die ihm Oskar Straus gab, ist ihm nun
höherer Reiz verliehen.
Dieser nette
Scherz, bei
dem zwei junge vom Maskenball heimkehrende und
als Männer verkleidete Mädchen, ihrer Anzüge beraubt
werden und die Wegelagerer schließlich zu Herzensräubern werden,
ist von Straus ganz apart vertont. Es ist feine und charakteristische
Lustspielmusik, verstärkt durch eine populäre Note, die den Meister
des rhythmischen Schwunges erkennen läßt. Ganz eigenartig
klingt das Fastnachtstreiben, eine vorüberhuschende Illustration
der ausgelassenen Bühnenvorgänge; entzückend ist ein Quartett
„Wir sind die Kavaliere“, voll Pikanterie ein Tanzduett und
der Walzer, der dann motivisch durch das Ganze zieht, wirkt
durch seine einschmeichelnde, fließende Melodie. Der Komponist, der
persönlich das Orchester leitete, wurde stürmisch applaudiert.
Die Darsteller des Carl=Theaters waren voll Eifer am Werke.
Mizzi Zwerenz in ihrer Hosenrolle war voll spitzbübischer Keckheit
und von drastischem Humor in den Angstszenen, tanzte und sang
überaus fott und wirksam. Ihre Partnerin Frau Keplinger,
gleichfalls in einer Hosenrolle, hatte stimmlich wie darstellerisch
gleichfalls einen starken Erfolg und die Herren Waldemar und
Rohr schlossen sich mit Glück an. Nach dem Oskar Strausschen
„Fastnachtspiel“ folgte die Altwiener Operette von Leo Fall
„Brüderlein fein“. Text von Julius Wilhelm. Man kenut
dieses entzückende Einakterchen aus dem Repertoire der
„Hölle". Aber es war gestern doch etwas anderes, so
als ob man es zum erstenmal hören würde. Man hatte Girardi,
die Günther und die Walde zur Mitwirkung herangezogen. und
da bekam die Sache ein ganz anderes Gesicht, wurde auf ein
hohes künstlerisches Niveau gestellt. Leo Falls Musik, von einem
ganzen Orchester unter seiner eigenen Leitung gespielt, entfaltete
ihre geheimsten Schönheiten. Die süßen Altwiener Weisen, die
er so außerordentlich fein getroffen hat, und der packende,
gemüt- und herzbewegende Walzer „Nicht zu schnell
und nicht zu langsam“ wirkten elektrisierend. Wundervoll war
Girardi als Domkapellmeister Drechsler; schon die Maske wirkte
wie ein lebendig gewordener Ausschnitt aus einem Biedermaierbild,
und sein Spiel und Vortrag war von jener künstlerischen
Delikatesse, die immer von neuem zur Bewunderung zwingt.
Frau Günther als seine Gattin hatte sich der gesanglichen Seite
und dem Tanze in ihrer Rolle hauptsächlich zugewandt und sie
sieghaft durchgeführt. Eine Ueberraschung bildete wieder einmal
Fräulein Walde, die mit starker Selbstverleugnung zuerst als stein¬
altes Mütterchen sich ganz unkenntlich machte und den greisenhaften
Gang und die Sprechweise sehr echt festhielt. Dann erschien sie,
ein entzückendes Püppchen, strahlend im Glanze einer lieben
al Mädchenhaftigkeit als Raimundsche Jugend, und erfüllte mit
poetischer Einfachheit ihre Mission. Sie fand mit ihrem Lied der
Jugend durch eine auch stimmlich vorzügliche Leistung rauschenden
Beifall. Das Publikum, das während der ganzen Vorstellung
in glänzender Stimmung war, rief zum Schluß mit Girardi, der
eine Spezialovation erhielt, die Damen Günther und Walde
sowie Herrn Leo Fall wiederholt vor den Vorhang. Die
„Concordia“=Matinee hatte die Erwartungen weit übertroffen.
Die mit Rücksicht auf das ursprünglich für heute (Mon¬
tag) angesetzte Leichenbegängnis des Hofopernsängers Leopold
Demuth mitgeteilte Abänderung des Repertoires entfällt, da die
Beerdigung erst Dienstag nachmittag stattfindet. Es gelangt
somit heute „Liebestrank“ und das Ballett „Wiener Walzer“ zur
Aufführung.
Der außergewöhnliche Erfolg der gestrigen „Concordia“=
Vorstellung und die zahlreichen Wünsche nach einer Wiederholung,
die namentlich aus jenen Kreisen laut wurden, welche für die
gestrige Matinee keine Karten mehr erhalten kounten, veranlassen
das Komitee, die Vorstellung mit demselben Programm am
Sonntag, dem 20. d. M., ½3 Uhr nachmittags im Carl¬
[Theater zu wiederholen. Der Kartenvorverkauf wird über¬
morgen (Mittwoch) 9 Uhr vormittags bei den beiden Tages¬
kassen des Carl=Theaters eröffnet.
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85
Da
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österr. behärdl. konz. Unternohmen für Zeitunge-Ausschaitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertrefungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopes¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenengebe ohne Gewähr).
Ausschnitt aus:
3,9910
NER ABENDPOST
vom:
(Carl=Theater.) Gestern veranstaltete ihie
„Concordia“ eine von ihren Gala=Matineen, die
immer Gutes, Neues, Interessantes bringen und sich
deshalb auch so großer Beliebtheit erfreuen. Aus drei
Einaktern setzte sich das Programm zusammen, aus
einem rezitierten und zwei musikalischen. „Die
Frage an das Schicksal“ aus dem Anatol¬
Zyklus von Artur Schnitzler, hat man schon im
Theater in der I### Deutschen Volks¬
theater mit Jarno und mit Kramer kennen gelernt.
Das ist das reizende Plauderstückchen, in dem ein“
Liebender seine kleine Freundin in hypnotischen Schlaf
versenkt, um sie nach ihrer Treue zu ihm zu befragen.
Schließlich unterläßt er doch lieber die verhängnisvolle
Fragestellung, weil er vor der Antwort zittert. ...
In der Fassung der Neuen Wiener Bühne,
von Direktor Steinert feinfühlig inszeniert,
mit Frl. Wallentin und den Herren Charlé
und Ziegler glänzend besetzt, wirkte das
feine kleine Ding ganz prächtig. Alle Pointen glitzerten
und sunkelten, keine einzige ging verloren, verpuffte
unbeachtet. Ohne zu unterstreichen — und vielleicht
eben deswegen
— wurde im leicht hinschwebenden
Plauderton das dialogisierte Feuilleton vorgebracht.
Es folgte eine Novität: „Venus im Grünen“,
ein Fastnachtsspiel von Rudolf Lothar, Musik von
Oskar Straus. Das ist ein pikantes Spieloperchen,
fast noch Operette und doch kaum mehr. Es schwebt
an der Grenze herum. Das Stück gleichen Namens
hat im Volkstheater mit den Damen Marberg und
Pellar, den Herren Homma und Birron vor wenigen
Jahren nicht Gefallen gefunden. Nun hat ihm
Oskar Straus seine Partitur umgehängt, um die
Blößen der Dichtung zu verhängen. Ein sehr
hübscher Walzer, der wohl bald zu den gedrehorgelten,
gepfiffenen und grammophonierten zählen wird, fand“
dankbare Hörer. Auch sonst gibt es noch mehrers
charakteristische Nummern. Im Orchesterwitz der In¬
strumentierung parodistischer Art ist Straus noch
immer der erfindungsreiche Kopf, der er war. Die
Damen Keplinger und Zwerenz, die Herren
Rohr und Waldemar holten sich wohlverdienten
Applaus. Zum Schlusse: „Brüderlein fein“
mit Girardi, den Damen Zwerenz und
Walde. Falls reizende Musik im Alt=Wiener Bieder¬
meier=Stil versagte nicht. Girardi war wundervoll ein¬
fach, herrlich echt. Das vergißt sich nicht. Auch die
beiden Damen sekundierten dem Meister sehr lieblich.
Beifall ohne Ende.
großen Erwartungen entgegensah: das Fastnachtsspiel „Venus im
Grünen“ von Pedolf Lothar, Musik von Oskar Straus. In
Leipzig, wo dieses musikalische Lustspiel seine Uraufführung hatte,
hatte es die Feuerprobe mit Glanz bestanden und nun ist es
auch vor dem Wiener Publikum zu einem ganz großen Erfolge
gelangt. Lothars Text hat, ohne Musik, schon seinerzeit im
Deutschen Volkstheater sehr erheiternd gewirkt; in der musi¬
kalischen Fassung, die ihm Oskar Straus gab, ist ihm nun
höherer Reiz verliehen.
Dieser nette
Scherz, bei
dem zwei junge vom Maskenball heimkehrende und
als Männer verkleidete Mädchen, ihrer Anzüge beraubt
werden und die Wegelagerer schließlich zu Herzensräubern werden,
ist von Straus ganz apart vertont. Es ist feine und charakteristische
Lustspielmusik, verstärkt durch eine populäre Note, die den Meister
des rhythmischen Schwunges erkennen läßt. Ganz eigenartig
klingt das Fastnachtstreiben, eine vorüberhuschende Illustration
der ausgelassenen Bühnenvorgänge; entzückend ist ein Quartett
„Wir sind die Kavaliere“, voll Pikanterie ein Tanzduett und
der Walzer, der dann motivisch durch das Ganze zieht, wirkt
durch seine einschmeichelnde, fließende Melodie. Der Komponist, der
persönlich das Orchester leitete, wurde stürmisch applaudiert.
Die Darsteller des Carl=Theaters waren voll Eifer am Werke.
Mizzi Zwerenz in ihrer Hosenrolle war voll spitzbübischer Keckheit
und von drastischem Humor in den Angstszenen, tanzte und sang
überaus fott und wirksam. Ihre Partnerin Frau Keplinger,
gleichfalls in einer Hosenrolle, hatte stimmlich wie darstellerisch
gleichfalls einen starken Erfolg und die Herren Waldemar und
Rohr schlossen sich mit Glück an. Nach dem Oskar Strausschen
„Fastnachtspiel“ folgte die Altwiener Operette von Leo Fall
„Brüderlein fein“. Text von Julius Wilhelm. Man kenut
dieses entzückende Einakterchen aus dem Repertoire der
„Hölle". Aber es war gestern doch etwas anderes, so
als ob man es zum erstenmal hören würde. Man hatte Girardi,
die Günther und die Walde zur Mitwirkung herangezogen. und
da bekam die Sache ein ganz anderes Gesicht, wurde auf ein
hohes künstlerisches Niveau gestellt. Leo Falls Musik, von einem
ganzen Orchester unter seiner eigenen Leitung gespielt, entfaltete
ihre geheimsten Schönheiten. Die süßen Altwiener Weisen, die
er so außerordentlich fein getroffen hat, und der packende,
gemüt- und herzbewegende Walzer „Nicht zu schnell
und nicht zu langsam“ wirkten elektrisierend. Wundervoll war
Girardi als Domkapellmeister Drechsler; schon die Maske wirkte
wie ein lebendig gewordener Ausschnitt aus einem Biedermaierbild,
und sein Spiel und Vortrag war von jener künstlerischen
Delikatesse, die immer von neuem zur Bewunderung zwingt.
Frau Günther als seine Gattin hatte sich der gesanglichen Seite
und dem Tanze in ihrer Rolle hauptsächlich zugewandt und sie
sieghaft durchgeführt. Eine Ueberraschung bildete wieder einmal
Fräulein Walde, die mit starker Selbstverleugnung zuerst als stein¬
altes Mütterchen sich ganz unkenntlich machte und den greisenhaften
Gang und die Sprechweise sehr echt festhielt. Dann erschien sie,
ein entzückendes Püppchen, strahlend im Glanze einer lieben
al Mädchenhaftigkeit als Raimundsche Jugend, und erfüllte mit
poetischer Einfachheit ihre Mission. Sie fand mit ihrem Lied der
Jugend durch eine auch stimmlich vorzügliche Leistung rauschenden
Beifall. Das Publikum, das während der ganzen Vorstellung
in glänzender Stimmung war, rief zum Schluß mit Girardi, der
eine Spezialovation erhielt, die Damen Günther und Walde
sowie Herrn Leo Fall wiederholt vor den Vorhang. Die
„Concordia“=Matinee hatte die Erwartungen weit übertroffen.
Die mit Rücksicht auf das ursprünglich für heute (Mon¬
tag) angesetzte Leichenbegängnis des Hofopernsängers Leopold
Demuth mitgeteilte Abänderung des Repertoires entfällt, da die
Beerdigung erst Dienstag nachmittag stattfindet. Es gelangt
somit heute „Liebestrank“ und das Ballett „Wiener Walzer“ zur
Aufführung.
Der außergewöhnliche Erfolg der gestrigen „Concordia“=
Vorstellung und die zahlreichen Wünsche nach einer Wiederholung,
die namentlich aus jenen Kreisen laut wurden, welche für die
gestrige Matinee keine Karten mehr erhalten kounten, veranlassen
das Komitee, die Vorstellung mit demselben Programm am
Sonntag, dem 20. d. M., ½3 Uhr nachmittags im Carl¬
[Theater zu wiederholen. Der Kartenvorverkauf wird über¬
morgen (Mittwoch) 9 Uhr vormittags bei den beiden Tages¬
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Wien, I., Concordiaplatz 4.
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hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenengebe ohne Gewähr).
Ausschnitt aus:
3,9910
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(Carl=Theater.) Gestern veranstaltete ihie
„Concordia“ eine von ihren Gala=Matineen, die
immer Gutes, Neues, Interessantes bringen und sich
deshalb auch so großer Beliebtheit erfreuen. Aus drei
Einaktern setzte sich das Programm zusammen, aus
einem rezitierten und zwei musikalischen. „Die
Frage an das Schicksal“ aus dem Anatol¬
Zyklus von Artur Schnitzler, hat man schon im
Theater in der I### Deutschen Volks¬
theater mit Jarno und mit Kramer kennen gelernt.
Das ist das reizende Plauderstückchen, in dem ein“
Liebender seine kleine Freundin in hypnotischen Schlaf
versenkt, um sie nach ihrer Treue zu ihm zu befragen.
Schließlich unterläßt er doch lieber die verhängnisvolle
Fragestellung, weil er vor der Antwort zittert. ...
In der Fassung der Neuen Wiener Bühne,
von Direktor Steinert feinfühlig inszeniert,
mit Frl. Wallentin und den Herren Charlé
und Ziegler glänzend besetzt, wirkte das
feine kleine Ding ganz prächtig. Alle Pointen glitzerten
und sunkelten, keine einzige ging verloren, verpuffte
unbeachtet. Ohne zu unterstreichen — und vielleicht
eben deswegen
— wurde im leicht hinschwebenden
Plauderton das dialogisierte Feuilleton vorgebracht.
Es folgte eine Novität: „Venus im Grünen“,
ein Fastnachtsspiel von Rudolf Lothar, Musik von
Oskar Straus. Das ist ein pikantes Spieloperchen,
fast noch Operette und doch kaum mehr. Es schwebt
an der Grenze herum. Das Stück gleichen Namens
hat im Volkstheater mit den Damen Marberg und
Pellar, den Herren Homma und Birron vor wenigen
Jahren nicht Gefallen gefunden. Nun hat ihm
Oskar Straus seine Partitur umgehängt, um die
Blößen der Dichtung zu verhängen. Ein sehr
hübscher Walzer, der wohl bald zu den gedrehorgelten,
gepfiffenen und grammophonierten zählen wird, fand“
dankbare Hörer. Auch sonst gibt es noch mehrers
charakteristische Nummern. Im Orchesterwitz der In¬
strumentierung parodistischer Art ist Straus noch
immer der erfindungsreiche Kopf, der er war. Die
Damen Keplinger und Zwerenz, die Herren
Rohr und Waldemar holten sich wohlverdienten
Applaus. Zum Schlusse: „Brüderlein fein“
mit Girardi, den Damen Zwerenz und
Walde. Falls reizende Musik im Alt=Wiener Bieder¬
meier=Stil versagte nicht. Girardi war wundervoll ein¬
fach, herrlich echt. Das vergißt sich nicht. Auch die
beiden Damen sekundierten dem Meister sehr lieblich.
Beifall ohne Ende.