III, Einakter 9, (Lebendige Stunden. Vier Einakter), Literatur, Seite 9

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I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
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hagen, London, Madrid, Mailand, Minncapolis, New-Vork,
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Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
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Ausschnitt aus: DRESDNE SURNA
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E vom: 10M0l 190
Königl. Schauspielhaus. (Einakterabend.) Von
den drei Einaktern, die am vergangenen Mittwoch aufgeführt
wurden, „Herbst“ von Walter Schmidt=Häßler, „Lite¬
ratur“ und „Der Puppenspieler“ von Arthux Schnit
ler, ist nur der zuletztgenannte für Dresden neu. Der begärte
Wiener Dichter formt auch in diesem neuen Einakter wieder
mit geschickter Hand einen fesselnden Stoff, ja, soweit die scharfe
Beobachtung der Menschenseele in Frage kommt und soweit es
sich um die Wiedergabe eines bestimmten Milieus handelt, kann
das Werkchen den besten Schnitzlerschen Einakterdramen an die
Seite gestellt werden. Nur eines fehlt ihm zu vollerer Bühnen¬
wirkung: dramatische Kraft. Und doch bot sich dem Dichter
gerade in der Idee zu diesem Drama ein Vorwurf, der wert
gewesen wäre, statt mit tändelnder Hand, wie sie Schnitzler
liebt, mit ernster, starker, fortreißender Kraft angefaßt zu werden,
selbst um den Preis eines vielleicht düsteren, tragischen Aus¬
gangs der Handlung. Der Held des Stückes ist ein Mann,
auf den die Welt einstmals Hoffnungen als Künstler setzte;
sein kraftgenialisches Wesen ließ ihn jedoch zu keiner
inneren Sammlung kommen, seine Talente sanken zur Kaffee¬
hausgenialität herab aus einem Künstler wurde er ein
Kunstzigeuner. Dieser Mann liebte es einst, mit seinen
Gefährten wie mit Puppen zu spielen; so ward er ungewollt
zum Verknüpfer von zwei Menschen, die ihn, jeder in
seiner Weise, liebten, mit deren Schicksal er jedoch Spott und
Spiel trieb. Nach zehn Jahren sieht er sie wieder; sein freoles
Spiel hat zum Glück der Beiden geführt; in enger
aber friedvoller Gemeinschaft leben sie, während er friedlos die
Lande durchzieht. In anderem Sinne ist er jetzt eine Puppe,
mit der das Schicksal spielt. Leider geht Schnitzler in der
Charakterisierung seines Helden nicht über die Charakteristik
eines Kunstzigeuners hinaus; er nimmt seiner Gestalt die
tiefere, nachwirkende Teilnahme des Zuschauers, weil er ihr statt
einer tragisch gearteten eine tragi=komische, ja mehr noch,
Hierdurch verliert selbst
eine tragi=groteske Linie gibt.
der feinpoetische Schluß, den Schnitzler seinem Werke verleiht,
viel von der Wirkung, die er haben würde, wenn der
Dichter der Gestalt seines Helden größere, dramatischere Linien
gegeben hätte. Anerkannt an dem Werkchen darf insbesondere
die zarte Stimmung werden, in die es getaucht ist, der feine poetische
Reiz, der über dem Milieu der Dichtung liegt. Die Darstellung
der Titelrolle durch Hrn. Mehnert war ausgezeichnet; dem
Spiele des Hrn. Wierth hätte etwas mehr Kraft, dem
des Frl. Verden mehr Frische und innere Anteilnahme
an den Vorgängen eignen können. In dem Schmidt=Häßler¬
schen Einakter zeichnete sich Hr. Müller, in der ergötzlichen
Satire „Literatur“, Frl. Serda und mit ihr Hr. Rens- durch
W., Dgs.
vortrefflich belebtes Spiel aus.

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* Ausschnitt aus:
10 MA1 190
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bagampien ANzgieen
E vom:
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* Ein Einakterabend im Kgl. Schauspielhaus. Drei Stücke,
die zwar der Zufall zu einander geführt, die aber außerordent¬
flich gut zusammen passen: zwei von ihnen auf Resignation und
kstille Trauer gestimmt, mit leisen behutsamen Schritten, mit
jnovellistischen Mitteln über das nie ausgeschöpfte Thema von
Menschenschicksal und einsamen Tod dahingleitend, zwei Stücke
lin Pianissimo; das dritte übermütig, herausfordernd satirisch,
das Menschenschicksal karitierend, ein Stück in Allegro con brio.
Gute literarische Arbeiten, feine Züge, ungewöhnliche Sorgfalt
in Erzeugung von Stimmungen, aber fühlbar nur Kunst= und
Kulturwerke, aus der Reflexion, nicht aus dem Leben geboren.
Die drei Einakter, von denen hier die Rede ist, sind Herbst von
Walter Schmidt=Häßler und Der Puppenspieler und
Literatur von Arthur Schnitzler. In allen dreien, in
Literatur vielleicht noch an
hat man den Eindruck,
daß die Stücke mehr fürs Lesen als fürs Sehen, mehr für das
Buch als für das Theater geeignet sind. Herbst von Schmidt¬
Wäßler ist ein Seelengemälde, ein rückwärts gewandter biogra¬
shisch=novellistischer Versuch. Langsam, ja zögernd geht die Hand¬
fung vor sich. Zwei Personen, ein Graf und Freund Hein, — der#
Tod, nur in modernem Salonrock statt mit Stundenglas und
Hippe — stehen lange, mancher wird sagen allzu lange, einander#
gegenüber und sagen sich etwas. Und wenn sie sich nichts mehr
zu sagen haben, fällt der Vorhang. Aus üblichen Novellenmitteln
stammen die künstlich hervorgerufenen Stimmungen: die Blätter
fallen vom Baum, der Wind treibt sie wirbelnd gegen das Fenster,
Herbstnebel steigen, aus vergilbten Papieren rauschen Gestalten¬
der Vergangenheit heran. Das Ganze liebenswürdig, melancho¬
lisch, ein Werk der Dämmerstunde, nur leider ein Werk ohne inne##
Notwendigkeit, ein Werk, von Trivialität umwittert. Das Stückt
spreizt sich vie zu sehr: den gräflichen Durchschnittsmenschen
skönnte Freu Sein ohne viel Umstände und ohne Gedicht¬
zdeklamation aus
gewöhnlichen Geschäftsweg zur letzten Ruh¬
statt holen. H##
iele hat sich Arthur Schnitzler im Puppen=
spieler geste
Zwei Themen sind miteinander verbunden:
W.
Das Thema ##n dem genialen Künstler, den es in der Fuue¬
innerer Gesichte anekelt, nur unvollkommen das wiederzugeben,
was in ihm glühend lebt und der daher auf künstlerisches Schaffen
überhaupt verzichtet, und das in Ibsens späten Werken so ofts
behandelte Thema von der Willensübertragung. Das zweite
Thenka ist unstreitig interessanter als das erste durchgeführt. Ein
Mann, der in eingebildetem oder wirklichem überlegenheitsgefühl
durch seine Willenskraft mit den anderen Menschen wie mitt
Puppen glaubt spielen zu können, muß einsehen, daß er in einem
psychologisch wichtigen Fall getäuscht worden ist und daß man
dabei mit ihm gespielt hat. Das Problem ist fesselnd; nur hat
der Dichter das Thema schließlich in zu weichlicher Art durch¬
geführt, statt in Hebbels und Ibsens Geist dem Schmerz sein Recht
zu geben und vor allem die Tragikomik des vernichteten Geistes¬
titanen fühlen zu lassen. Charakteristik, Ausdruck und Gedanken
stehen höher als bei Schmidt=Häßler. Endlich ist über Litera¬
tur von Arthur Schnitzler zu sagen, daß es nicht bloß das be¬
kannteste, sondern auch das beste und lebendigste dieser drei
kleinen Werke ist. Das Publikum ward von allen drei Stücken
angeregt. Dargestellt wurde das erste Werk von Herrn Müller,
Herrn Wierth, Frl. Werner, Herrn Froböse und Herrn Huff;
typische Aufgabe und typische Leistungen, nur Herr Froböse als in
höherem Auftrag reisender Tod war zu geziert. Ein schau¬
spielerischer Versuch war die Besetzung des zweiten Stücks: Herr
Wierth und Frl. Verden gingen indessen in ihren Leistungen nicht
über das Konventionelle hinaus. Eindrucksvoll war dagegen Herr
Mehnert als Georg Merekin. In Literatur sind Herr René,
namentlich aber Frl. Serda ausgezeichnet; Herr Tiller vertraute
zuviel dem Wiener Dialekt, den er sehr gut beherrscht, war aber
nicht eigentlich komisch, und nahm dem Stück damit zum Teil das
Ziel, nach dem die Pfeile der Satire des Dichters fliegen. F. K.

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