IV, Gedichte und Sprüche 2, Bemerkungen, Seite 22

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2. Benerkungen

Entfernung.
Lessing war und ist dem deutschen Volke ein
Lessing hat bekanntlich eine Berufung nach Wien aus=laute
Ein Lessingalmanach: die Damenspende mächtiger Leuchturm, der ihm den Weg zur Kunst er¬
geschlagen. Erst sieben Jahre später kam er nach Wien,
hellt und ihm zwischen den Klippen der Unduldsamkeit
um seine Braut, Eva König, die aber keinen
doch nur
der Concordia.
den Weg in die hohe See des echten Menschentums ge¬
Wienerin war, von da abzuholen.
wiesen hat.
Gestern fand in den Sophiensälen der Con¬
V. Chiavacci.
Zuerst als man nach Wien ihn rief.
kordiaball statt, bei dem den Damen als sinniges
Angebinde ein Lessingalmanach überreicht
Hat abgelehnt er weise,
Nach toten Jahren zählt Dein Leben
goldene Arabesken auf
Theater gehen leichtlich schief,
wurde. Die Enveloppe
Verlorner abgemess’ner Zeit.
ist mit einer Reproduktion
Wozu die weite Reise?
weißem Grunde —
Wenn keine Stunde Dir gegeben
nach dem bekannten von Graff gemalten Bildnis
Doch als Frau Evas holde Hand
Das Vollgefühl der Ewigkeit.
Lessings geschmückt. Der Almanach. 83 Seiten stark,
Ihm winkt, ist er gekommen
Max Kalbeck.
in japanischem Buchstoff gebunden, bietet eine
Und hat sein Glück im Eheband
Fülle von Meinungen, Aussprüchen und literarischen
Aus Wien mit fortgenommen.
Josef II. und Lessing.
Bemerkungen in gebundener und ungebundener Rede.
Einmal im Leben trafen sie zusammen,
Schriftsteller und Dichter, Humoristen und Satiriker
Für Dramaturgen liegt darin
Doch urgewaltig wie zwei Geisterflammen,
haben Beiträge gestiftet, die Julius Bauer gesammelt
Ein Wink und Warnungszeichen:
Emporgeloht aus tiefen Menschheitsgründen,
und herausgegeben hat. Berühmte Maler, wie Karl
Man kann viel leichter fern von Wien
Um dauernd sich zum Lichte zu verbünden.
Haßmann, Josef Jungwirth, Isidor Kauf¬
Ein Monument erreichen.
Und so versteh' ich Euch. Ihr Denkmalsetzer:
mann, Karl Probst und A. H. Schram haben
Ed. Pötzl.
Verewigt sei in Wien, was Beide schufen,
entzückende Zeichnungen zu Szenen aus Lessings Werken
Ein Lessing aus Erz und Stein,
Der Nathandichter und der Menschenschätzer,
beigesteuert. Der zweite Teil „Lessing in der Schauspiel¬
Ach nein, mein Lessing, nein!
Der edle Geist, zur edlen Tat berufen.
kunst“ bringt die wohlgetroffenen Porträts namhafter
Sei Fleisch, sei Blut. sei Bein!
Alfred Klaar.
Lessingdarsteller und Lessingdarstellerinnen. „Lessing läßt
Erlöse von nörgelnder Pein!
Euch sagen“, ein anmutiges, beziehungsreiches und zeit¬
„Der Dichter ist Herr über die Geschichte“
Dies wünscht den Wiener Künstlern
gemäßes Gedicht von Julius Bauer schließt das
Paul Schleuther.
Und wenn er Lessing heißt, dauert diese Herrschaft ewig.
Büchlein ab, das den Besuchern des Balles eine dauernde
Ernest Koerber.
und wertvolle Erinnerung sein wird.
Um einer Partei anzugehören, ist eine gewisse
Aus dem Büchlein seien hier einige Beiträge ver¬
Portion Einialt unerläßlich. Vernünftige Leute, die den
Zu Lessings dramatischen Werken.
öffentlicht:
Standpunkt ihrer Partei bis in die letzten Konsequenzen
Manche von Lessings Sinngedichten sind verblaßte
„Die Juden.“
zu vertreten versuchen, erwecken immer den Eindruck, als
Perlen der Literatur. Ich nahm mir die Frechheit, einige
ob sie konfus oder unehrlich geworden wären.
Mein Lessing, sag', wer war denn Dein Berater,
davon modern aufzufrischen. Zum Beispiel:
Artur Schnitzler.
Als Du „Die Juden“ schriebst so keck und sein?
Hänschen Schlau.
Man duldet Juden wohl im Burgtheater,
Lebt wirklich irgendwo ein Sonberling, der nell¬
Es ist doch sonderbar bestellt,
Doch müssen's fünf aus Frankfurt sein.
gierig ist, auch meine Meinung über Lessing zu hören,
Sprach Hänschen Schlau zu Vetter Fritzen,
so will ich ihm nur folgendes sagen: Wäre es schon
„Minna von Barnhelm.“
Daß von den Dichtern dieser Welt
möglich, daß im Garten der Literatur Lessings
Just jene unverständlich sind,
Das erste deutsche Lustspiel ist
Schöpfungen jemals zu welken begännen, der erhabene
Die viel zu viel Verstand besitzen.
Mit Recht das meistgeschätzte
Stolz, das alle Miseren des Lebens nicht achtende
Und bleibt, so man die andern mißt,
Auf den Tod eines Affen.
unbändige Freiheits= und Selbständigkeitsgefühl dieses!
Wahrscheinlich auch das letzte!
Hier liegt der kleine, liebe Pavian,
breitschulterigen Trägers ewiger menschlicher Ideen,
Dem wir so manches nachgetan.
dem Gelehrtheit, Herzhaftigkeit und Verstand um di
„Emilia Galotti.“
Er glaubte fest bis an sein kühles Grab:
— diese werden in ewiger Blüte
Palme rangen —
Ein Trauerstück mit Prinz und Maler.
Der Affe stammt vom Menschen ab!
stehen. Und sie werden ein leuchtendes Beispiel für alle
Was trug es ihm? Kaum 50 Taler.
An die Kritik.
jene bleiben, denen ein gnädiges Geschick das Talent und die
Herr Lessing sollt sich schämen.
Macht verliehen hat, den Sinn der führungsbedürftigen
Die Zeit des Klopstock ist begraben,
Hätt' er daraus doch — maledetto! —
Die neuen Dichter groß und klein,
Menschheit zu leiten und ihr Herz zu bewegen für alle Ro
Gemacht ein trauriges Libretto —
Die wollen mehr Tantiemen haben
Größe, Güte und Gerechtigkeit.
Hui! Die Tantiemen!
Und weniger erniedrigt sein!
Alex. Landesberg. Wilhelm Singer. 1
Julius Bauer. e
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