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3. Buch der Sprueche und Bedenken
sozialer, ethischer Entwicklung. kurz ein solches Miliverstehen der
Geschichte (— als wäre jemais im Laufe weniger Jahre eine Weli
versunken und — nebenbei als hätte der Dichter das Recht nicht.
die Gestalten einer versunkenen, auch einer eben erst versunke¬
nen Welt heraulzubeschwören —). daß es nicht lange dauern wird
bis zu dem Augenblick, da wieder dieselben Leute das neue
Schlagwort als lächerlich verhöhnen werden, die heute noch ihre
geistige Überlegenheit zum großen Teil davon zu bestreiten
suchen.
Aber wir dürfen ruhig sein: bis dahin wird diesen Wort¬
schlägern schon wieder ein anderes, noch dümmeres eingelallen
seinl.
Des Kritikers erste Frage mültte sein: Was hast du mir zn
sagen. Werk —? Aber das kümmert ihn im allgemeinen wenig.
Seine erste Regung ist vielmehr: Nun. Werk, gib ucht, was ich dir
zu sagen habe!
Kundry, die Frauengestalt
in Wagners „Parsifal“,
Von Dr. Curt Zimmermann, Bremen.
In Wagners Bühnenweihfestspiel „Parsifal“ sind es zwei Welten,
die sich einander gegenüberstehen, das Reich der Lust, verkörpert
durch Klingsor, den Verführer, der den Gralskönig Amfortas zu Fall
gebracht hat, — und das Reich der Frömmigkeit, die heilige Gralsburg.
Es ist bekannt, das Wagner die Erlösung der Menschheit und der Welt
durch die allgewaltige Macht der Liebe sich ermöglicht denkt. Diese
beiden Begriffe Erlösung und Liebe sind sozusagen die Eckpfeiler
seiner Dramen. Es ist die Erlösung notwendig, gerade so, wie auch
in christlicher Auffassung unserer Theologie die Welt sündig ist und
der Erlösung bedarf. Von jeher sind es die zwei Mächte, Geist und
Fleisch, die miteinander um die Herrschaft ringen, oder sagen wir in
philosophischer Form: das Apollinische, Göttlich-Geistige, mit dem
Dionysischen, Sinnlich-Körperlichen.
Nicht nur die Welt, auch der Mensch birgt diesen Gegensatz in
seinem Innern, und er leidet an diesem ewigen Kampfe gerade so
3. Buch der Sprueche und Bedenken
sozialer, ethischer Entwicklung. kurz ein solches Miliverstehen der
Geschichte (— als wäre jemais im Laufe weniger Jahre eine Weli
versunken und — nebenbei als hätte der Dichter das Recht nicht.
die Gestalten einer versunkenen, auch einer eben erst versunke¬
nen Welt heraulzubeschwören —). daß es nicht lange dauern wird
bis zu dem Augenblick, da wieder dieselben Leute das neue
Schlagwort als lächerlich verhöhnen werden, die heute noch ihre
geistige Überlegenheit zum großen Teil davon zu bestreiten
suchen.
Aber wir dürfen ruhig sein: bis dahin wird diesen Wort¬
schlägern schon wieder ein anderes, noch dümmeres eingelallen
seinl.
Des Kritikers erste Frage mültte sein: Was hast du mir zn
sagen. Werk —? Aber das kümmert ihn im allgemeinen wenig.
Seine erste Regung ist vielmehr: Nun. Werk, gib ucht, was ich dir
zu sagen habe!
Kundry, die Frauengestalt
in Wagners „Parsifal“,
Von Dr. Curt Zimmermann, Bremen.
In Wagners Bühnenweihfestspiel „Parsifal“ sind es zwei Welten,
die sich einander gegenüberstehen, das Reich der Lust, verkörpert
durch Klingsor, den Verführer, der den Gralskönig Amfortas zu Fall
gebracht hat, — und das Reich der Frömmigkeit, die heilige Gralsburg.
Es ist bekannt, das Wagner die Erlösung der Menschheit und der Welt
durch die allgewaltige Macht der Liebe sich ermöglicht denkt. Diese
beiden Begriffe Erlösung und Liebe sind sozusagen die Eckpfeiler
seiner Dramen. Es ist die Erlösung notwendig, gerade so, wie auch
in christlicher Auffassung unserer Theologie die Welt sündig ist und
der Erlösung bedarf. Von jeher sind es die zwei Mächte, Geist und
Fleisch, die miteinander um die Herrschaft ringen, oder sagen wir in
philosophischer Form: das Apollinische, Göttlich-Geistige, mit dem
Dionysischen, Sinnlich-Körperlichen.
Nicht nur die Welt, auch der Mensch birgt diesen Gegensatz in
seinem Innern, und er leidet an diesem ewigen Kampfe gerade so