IV, Gedichte und Sprüche 3, Buch der Sprüche und Bedenken, Seite 66

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3. Buch der Sprueche und Bedenken
Die Mlirische Wechselwirtschaft der Parteien wattel,.
heiten nur 9.
„II4 be- das Prinzip des fair play in den politischen Kämpfen
erneuernde Obstruttionsvers..
das zwar ungeschriebene, aber oberste Gosetz der Ver¬
neleszwecke
ringen, obzwar man aus der Erfahrung.
fassung. Dort besteht das Verhältnis des wechselseitigen
alle solchen Anstrengungen im Endergebnis fruchts
Respekts zwischen Mehrheit und Minderheit, schon weil,
weil, selbst wenn sie in wenigen Ausnahmefällen Erfolge
was heute Mehrheit ist, morgen zur Minderheit werden
kann, und die Minderheit jeden Augenblick darauf gefaßt aufzuweisen haben, es höchstens Augenblickserfolge sind,
sein muß, über Nacht zur Macht zu gelangen und dann die gar bald verflüchtigen. Die Ministerkrisen in Ungarn
S
„Buch der Sprüche und Bedenken“ (Phaidon=Verlag in
auf eine boshafte Anrempelung mit einem derben Fu߬
Wien) der Kritik vieles übelnimmt, was ihm wieder die
tritt. Denn manche Schulden gibt der Poet, er mag sonst
Kritik nicht wenig übel zu nehmen scheint. Schnitzler sagt
ein säumiger Zahler sein, gern sofort und mit reichen
selbst: „Autoren stellen bekanntlich eine höchst empfindliche
Zinsen zurück.
Menschensorte vor. Wer möchte dem widersprechen. Ich
ker.
kenne tatsächlich nur eine, die empfindlicher wäre —:
Die deutschen Dichter haben seit jeher aus ihrer Ab¬
he und Bedenken“.
die Kritiker.“ Obwohl Schnitzler nicht hinzufügt, daß die
neigung gegen die Kritiker kein Hehl gemacht. Vielleicht
Empfindlichkeit des Künstlers berechtigter ist als die
ch noch kein Mensch
sind die Deutschen im großen und ganzen kräftiger, drauf¬
des Kritikers, möchten wir ihm unbedingt das Recht zu¬
icht, selbst in den
gängerischer und derber als andere Völker, aber ihre vor¬
billigen, dies nicht nur auszusprechen, sondern auch zu
verzehrt und ver¬
nehmsten Repräsentanten scheinen fast immer überaus
fordern, daß das Geisteswerk eines Poeten mit Respekt
Beim Essenkommt
weich, empfindsam und wehleidig zu sein. Lessing, selbst
betrachtet und beachtet werde. In den letzten Jahren
Bestätigung. erfährt.
ein scharfer Kritiker, hat als Dichter seine Rezensenten
scheinen die sogenannten „Schaffenden“ auf dem Gebiete
solcher Schleckereien
mit Sperlingen verglichen, denen nur die Gebäude ge¬

der Kunst nur zu oft von den Nachschaffenden unterschätzt
hn ihm eine kräftige
fallen, in denen sie nisten und misten können. Schiller
zu werden. Der Kritiker bildet sich hin und wieder ein.
löffeln will, spuckt
lehnt die „Kunstschwätzer“ ab, indem er ihnen zuruft:
mehr zu sein als der Dichter, der Schauspieler lebt häufig
rkung. Wenn aber
„Gutes in Künsten verlangt ihr. Seid ihr denn würdig
in dem Wahn, wichtiger zu sein als der Dramatiker, die
Dutzendmensch, das
des Guten?“ Goethe geht sogar so weit, daß er den ge¬
Sänger, Geiger und Klavierspieler deuten nicht selten an.
darf man dann dar¬
mütlichen Wunsch verifiziert: „Schlagt ihn rot, den Hund!
daß sic den Komponisten tragen und nicht er sie...
kr zartempfindende,
Da sind die Oesterreicher und
Er ist ein Rezensent.“
Arthur Schnitzler hat allerdings stets eine gute Presse
einer höheren, auf
Ungarn, doch noch harmlosere Menschen. Grillparzer
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gehabt. Dennoch ist er nicht recht zufrieden. Wir lesen
licher, gegen Tadel
schließt seinen Stachelvers mit der Ueberschrift: „Kritik“
in seinem Buch die Verse: „Berühmt? — Ach Gott, ich bin
Der Dichter ist der
in folgender Weise: „Und wenn ein Affe in das Dichtwerk
es viel zu sehr, Wär's minder ich, und kenntet ihr mich
he Kritiker könnten
schaut, sieht er nach einem Sokrates vergebens.“ Lenau
mehr.“ Darin finden wir nicht nur eine Klage und eine
um Erbrechen, aber
urteilt milder. Freilich noch immer scharf genug, denn er
Anklage, sondern auch einen Vorwurf gegen seine Kritiker.
n.vor anderen und
singt: „Willst du richten — unser Dichten... Birg doch
diejenigen zumal, die ihn stets priesen. Es wäre wohl
bwiß ist der Dichter
klüglich — unverzüglich — deinen Ungeschmack — Und ver¬
besser gewesen, wenn sie danach getrachtet hätten, das
id Ehrerbietung ge¬
scharre — das Geschnarre — deinen Dudelsack...“ Unser
tiefste Wesen dieses eigenartigen Poeten zu ergründen und
erklärt das Dasein.
Johann Vajda führte einen erbitterten Kampf mit seinen
durch die Deutung und Erläuterung seines Wollens und
Rezensenten und nur mit einer einzigen Kritik über seine
die herrlichste und
Könnens ihn und sein Werk der großen Masse näher zu
Gedichte gab er sich zufrieden; — diese hatte er nämlich
Gottes, Poesie, oh
bringen. Denn die großen Erfolge bei der Menge ver¬
selbst geschrieben. Jökais Humor setzte sich scheinbar über
Rosenduft die kalte
dankr Schnitzler einigen frischen, lebensvollen und geist¬
alle harten Urteile des berühmten Paul Gyulai hinweg,
nde und Fühlende
reichen Werken, die er in seiner Jugend schuf, denen er
und zwar mit den Worten: „Er hat keine Ahnung davon,
g süßlich und ein
jedoch nicht den Wert und die Bedeutung jener Werke bei¬
wie viele Fehler in meinen Romanen er nicht entdeckt
kfellos überragt die
mißt, die er uns später schenkte, und deren Glanz und
ch ihr-Darstellungs¬
hat.“
Glut, Weisheit und Wert nur selten erkannt und nur
Dieser Rückblick auf das Verhältnis der Dichter zu
die Sprache. Der
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wenig gewürdigt wurden. Bewunderungswürdig schon der
den Kritikern soll nur dartun, daß der beruhmte
er dieses kostlichen
weite Bogen, der von „Leutnant Gustel“ und „Liebelei“
Wiener Poet Arthur Schnitzler bloß ein altes Leid
ist er, weil an kein
zum „Spiel im Morgengrauen“ und zum „Jungen Me¬
seiner „Brüder in Apoll“ — um mit diesen blümeranten
idenschaftlicher. Er
dardus“ sich hinzieht, noch bewunderungswürdiger die
Worten der Vergangenheit die oft fragwürdige Kollegiali¬
ar, wenn er einen
von Jahr zu Jahr, von Arbeit zu Arbeit steigende Kraft
t antwortet zumeists tät der Gegenwart zu bekränzen — betont, wenn er in
inem starken Stoß, seinem neuen und wie sofort bemerkt sein soll, herrlichen und dabei Anmut des Dichters, und am bewunderungs¬


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