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2. Die griechische Tac in
Deutsche Literatur 1905/6.
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Ehrenwort und erschießt sich. Die Frau
Margarethe v. Oertzen (Essen, Fre¬
des Rittmeisters ist eine recht oberfläch¬
debeul u. Koenen). Wohl sind Flüchtig¬
liche Person, die nur an den Freuden
keiten in dieser Geschichte, die im
dieser Welt hängt. H. Walters Roman
Schwarzwalde spielt, aber manche Stellen
„Ihr führt ins Leben uns hinein“
zeigen die Verfasserin als prächtige Er¬
(Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt) be¬
zählerin innerlich erschauter Vorgänge.
handelt ebenfalls den Liebesroman eines
Hans Hyan hat seinen wohlverdienten
jungen Offiziers. Walter, früher un¬
Ruf als hervorragender Kenner und aus¬
bekannt, hat sich durch diesen Roman
gezeichneter Schilderer des Verbrecher¬
sehr gut eingeführt. Ernst Zahn hat in
lebens durch zwei neue Novellenbände
seinem Novellenband „Helden des All¬
befestigt. Die Skizzen „Armesün¬
tags“ (Stuttgart, Deutsche Verlagsan¬
der“ (Verlag Dr. P. Langenscheidt,
stalt) Geschichten veröffentlicht, die zu
Großlichterfelde) greifen in die niedrige
den besten des Dichters zählen. „Selt¬
Verbrecherwelt Berlins; ein Meisterstück
same Geschichten“ (Verlag von F.
ist die Humoreske „Der Einschleicher“.
Fontane u. Co.), betitelt Ernst von
Ein Kutscher will einbrechen, liegt auf
Wolzogen mit Recht seinen neuen
der Lauer unter dem Ehebett der Herr¬
Novellenband. Besonders die Erzählung
schaft. Die Eheleutchen sind aber so
„Der Prophet im Walde“, in der
drollig in ihrer Unterhaltung, daß sich
das komische Schicksal eines Naturmen¬
der Kutscher nicht des Lachens erwehren
schen vorgeführt wird, amüsiert durch
kann. Dadurch verrät er sich natürlich.
die derbe satyrische Note. In ihrem
Der Humor des Ehemanns geht aber so¬
Roman „Esclarmonde“ (Deutsche
weit, daß er dem Gauner laufen läßt.
Verlagsanstalt, Stuttgart) führt uns
Etwas zahmer sind die Geschichten „Aus
Marie Janitschek in die Zeit der
der Tiefe des Lebens“ (Kürschners
Albigenserkriege. Dieser Roman ist einer
Bücherschatz, Verlag Hermann Hillger,
der reifsten Schöpfungen der Dichterin,
Berlin). Wohl die beste Erzählung dieses
wenn ei auch nicht frei ist von ihren
Bändchens ist „Das Telegramm“. Ein
besonderen Fehlern.
braver Kerl leistet unwissentlich einen
„Der König“, Roman von Hans
Meineid. Durch die Qualen, die er im
von Kahlenberg (Vita, Deutsches Ver¬
Zuchthause auszustehen hat, wird er
lagshaus, Berlin NW. 52) schildert den
schließlich wahnsinnig. Ein neuer Ro¬
Niedergang eines Königreiches, der
man „Gold“ von Hans Hyan schil¬
durch politische Wirren und unglücklich
dert in fesselnder Weise, aber doch recht
geführte Kriege herbeigeführt wird. So¬
oberflächlich, die moralische Verkommen¬
mit hat sich die Verfasserin des „Nixchen“
heit der „oberen Zehntausend“ der deut¬
auf das Gebiet der Politik gewagt.
schen Reichshauptstadt, und führt uns
Heinz Tovotes Roman „Hilde Van¬
weidlich durch den Schlamm des Lasters.
gerow und ihre Schwester“ (Verlag F.
Friedrich Huch, der feinsinnige Er¬
Fontane u. Co., Berlin) führt uns den
zähler, erschien mit einem neuen Werk
Lebensgang zweier Schwestern vor, die
„Wandlungen“ dessen Inhalt sich eng
sich mit aller Kraft von hergebrachten
an den früheren Roman des Verfassers
Vorurteilen freizumachen suchen, um
„Die Geschwister“ anschließt. Auch das
ihren eigenen Weg zu gehen. Der Ro¬
neue Buch — erschienen im Verlage
man ist reich an schönen Details, zum
S. Fischer, Berlin — zeichnet sich durch
Schluß steigert sich die Handlung span¬
Vornehmheit der Sprache und durch feine
nend dramatisch. Einen Genuß für
psychologische Details aus. Lob ver¬
Leser, die weniger das „Was“ als das
dienen zwei Erstlingswerke: Felix
„Wie“ an einem Werke schätzen, bietet
Speidels „Um des Weibes Willen“.
sicherlich der Novellenband „Schwüle
(Verlag F. Fontane u. Co., Berlin) und
Tage“ von E. von Keyserling (Ver¬
Otto Gysaes Roman „Die Schwe¬
lag S. Fischer, Berlin). Sie sind kleine
stern Hellwege“ (Albert Langens Ver¬
Meisterstücke in der Form. Zu der besten
lag, München). Speidel sucht nicht nach
Art von Unterhaltungslektüre gehört die
besonderem. Er gibt mit kräftigen Far¬
Erzählung „Der Welt Sünde“ von ben die Leidensgeschichte eines Arztes,
I1
2. Die griechische Tac in
Deutsche Literatur 1905/6.
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Ehrenwort und erschießt sich. Die Frau
Margarethe v. Oertzen (Essen, Fre¬
des Rittmeisters ist eine recht oberfläch¬
debeul u. Koenen). Wohl sind Flüchtig¬
liche Person, die nur an den Freuden
keiten in dieser Geschichte, die im
dieser Welt hängt. H. Walters Roman
Schwarzwalde spielt, aber manche Stellen
„Ihr führt ins Leben uns hinein“
zeigen die Verfasserin als prächtige Er¬
(Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt) be¬
zählerin innerlich erschauter Vorgänge.
handelt ebenfalls den Liebesroman eines
Hans Hyan hat seinen wohlverdienten
jungen Offiziers. Walter, früher un¬
Ruf als hervorragender Kenner und aus¬
bekannt, hat sich durch diesen Roman
gezeichneter Schilderer des Verbrecher¬
sehr gut eingeführt. Ernst Zahn hat in
lebens durch zwei neue Novellenbände
seinem Novellenband „Helden des All¬
befestigt. Die Skizzen „Armesün¬
tags“ (Stuttgart, Deutsche Verlagsan¬
der“ (Verlag Dr. P. Langenscheidt,
stalt) Geschichten veröffentlicht, die zu
Großlichterfelde) greifen in die niedrige
den besten des Dichters zählen. „Selt¬
Verbrecherwelt Berlins; ein Meisterstück
same Geschichten“ (Verlag von F.
ist die Humoreske „Der Einschleicher“.
Fontane u. Co.), betitelt Ernst von
Ein Kutscher will einbrechen, liegt auf
Wolzogen mit Recht seinen neuen
der Lauer unter dem Ehebett der Herr¬
Novellenband. Besonders die Erzählung
schaft. Die Eheleutchen sind aber so
„Der Prophet im Walde“, in der
drollig in ihrer Unterhaltung, daß sich
das komische Schicksal eines Naturmen¬
der Kutscher nicht des Lachens erwehren
schen vorgeführt wird, amüsiert durch
kann. Dadurch verrät er sich natürlich.
die derbe satyrische Note. In ihrem
Der Humor des Ehemanns geht aber so¬
Roman „Esclarmonde“ (Deutsche
weit, daß er dem Gauner laufen läßt.
Verlagsanstalt, Stuttgart) führt uns
Etwas zahmer sind die Geschichten „Aus
Marie Janitschek in die Zeit der
der Tiefe des Lebens“ (Kürschners
Albigenserkriege. Dieser Roman ist einer
Bücherschatz, Verlag Hermann Hillger,
der reifsten Schöpfungen der Dichterin,
Berlin). Wohl die beste Erzählung dieses
wenn ei auch nicht frei ist von ihren
Bändchens ist „Das Telegramm“. Ein
besonderen Fehlern.
braver Kerl leistet unwissentlich einen
„Der König“, Roman von Hans
Meineid. Durch die Qualen, die er im
von Kahlenberg (Vita, Deutsches Ver¬
Zuchthause auszustehen hat, wird er
lagshaus, Berlin NW. 52) schildert den
schließlich wahnsinnig. Ein neuer Ro¬
Niedergang eines Königreiches, der
man „Gold“ von Hans Hyan schil¬
durch politische Wirren und unglücklich
dert in fesselnder Weise, aber doch recht
geführte Kriege herbeigeführt wird. So¬
oberflächlich, die moralische Verkommen¬
mit hat sich die Verfasserin des „Nixchen“
heit der „oberen Zehntausend“ der deut¬
auf das Gebiet der Politik gewagt.
schen Reichshauptstadt, und führt uns
Heinz Tovotes Roman „Hilde Van¬
weidlich durch den Schlamm des Lasters.
gerow und ihre Schwester“ (Verlag F.
Friedrich Huch, der feinsinnige Er¬
Fontane u. Co., Berlin) führt uns den
zähler, erschien mit einem neuen Werk
Lebensgang zweier Schwestern vor, die
„Wandlungen“ dessen Inhalt sich eng
sich mit aller Kraft von hergebrachten
an den früheren Roman des Verfassers
Vorurteilen freizumachen suchen, um
„Die Geschwister“ anschließt. Auch das
ihren eigenen Weg zu gehen. Der Ro¬
neue Buch — erschienen im Verlage
man ist reich an schönen Details, zum
S. Fischer, Berlin — zeichnet sich durch
Schluß steigert sich die Handlung span¬
Vornehmheit der Sprache und durch feine
nend dramatisch. Einen Genuß für
psychologische Details aus. Lob ver¬
Leser, die weniger das „Was“ als das
dienen zwei Erstlingswerke: Felix
„Wie“ an einem Werke schätzen, bietet
Speidels „Um des Weibes Willen“.
sicherlich der Novellenband „Schwüle
(Verlag F. Fontane u. Co., Berlin) und
Tage“ von E. von Keyserling (Ver¬
Otto Gysaes Roman „Die Schwe¬
lag S. Fischer, Berlin). Sie sind kleine
stern Hellwege“ (Albert Langens Ver¬
Meisterstücke in der Form. Zu der besten
lag, München). Speidel sucht nicht nach
Art von Unterhaltungslektüre gehört die
besonderem. Er gibt mit kräftigen Far¬
Erzählung „Der Welt Sünde“ von ben die Leidensgeschichte eines Arztes,