box 35/9
Gesannelte Nerke
In Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cieveland, Emssummn.
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis.
New-York, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus: Der Merker, Wien
vom:
Se
G
K 4
VON NEUEN BUCHERN UND NOTEN.
würdig ist das — findet man es so selten. Der
ARTHLR-SOLTEE
eine erfindet raffinierte Begebenheiten, die er
ungeschickt wiedergibt, seine Sprache knirscht
GESAMMELTE WERKE.
wie eine ungeölte Maschine; der andere kleidet
Erste Abteilung: Die erzählenden
ein abgenütztes Nichts von Handlung in tönende
Schriften.
Worte. Und die ganze Kunst besteht doch bloß
(S. Fischer, Verlag, Berlin).
darin, zu erzählen, zu sprechen, sich so geben
Es ist sehr schwer über den Inhalt dieser drei,
wie man ist. Dazu allerdings muß man erst einer
rein äußerlich betrachtet, entzückenden Bände
sein. Nicht Hofrat oder Medizinahat oder
etwas Neues zu sagen, denn Arthur Schnitzlers
Direktor, sondern bloß Mensch. Dieses Gefühl,
erzählende Schriften sind Werte, die feststehen.
das einen so beruhigend erfüllt, hat man bei
Zu betonen, daß es überflüssig sei, sie von
Arthur Schnitzler, daß er sich ungekünstelt gibt
literarhistorischer Etiquettierung zu säubern,
und ist wie er sich gibt, der nicht so exzeptionell
ist heute schon fast ebenso geschmacklos wie die
denkt wie kein anderer außer ihm denken kann,
Literaturfachüberschrift selbst. An Arthur
sondern so wie jeder denkt oder unter Umständen
Schnitzlers Erzählungen mit dem kühlen Hirn
denken muß. Liebe, Haß, Vornehmheit und
eines Kritikers heranzutreten, scheint mir ganz
Gemeinheit, Zartheit und Brutalität, bei Schnitz¬
verfehlt, denn ihr Wert will mit dem Gefühl in
ler sind sie so wie in Wirklichkeit, eng verbunden
erster Linie wahrgenommen sein. Ihre Schönheit
mit einander, sie können zu gleicher Zeit in
besteht in dem Duft, der sie umgibt, der dom
einem Menschen existieren, bereit, in einander zu
Flimmern gleicht, das an Sommerabenden über
verfließen. Und diese Verbundenheit der Elemente
Wäldern schwebt; es macht unsagbar froh odet
menschlicher Seelen bewirkt, daß uns bei der
unsagbar traurig, immer aber fühlt man, es isr
Lektüre niemals der Gedanke kommt: das ist
unsagbar schön. Die Stimmung solcher Sommer¬
erdacht, das könnte sich in Wirklichkeit nie
abende schwebt durch alle Werke Schnitzlers,
zutragen. Sie bewirkt, daß man diese Erzählun¬
diese Mischung von hellstem Glanz und erstem
gen aufnimmt, als hätten sie sich einmal wirklich
Nachtschatten, brennendes Leben, in das eine
ereignet, ihre Helden und Heldinnen werden zu
leise Ahnung vom Sterben zittert. Einseitig,
Menschen, die gelebt haben, ihre Begebenheiten
durch stilistische Kunststückchen oder durch
werden Sehnsuchtsziele, weil sie so menschlich
klug ersonnene Fabeln läßt sich das nicht be¬
sind, daß jeder einzelne von uns sie erleben kann.
wirken. Beide, Stil und Fabel müssen sich so
Diese Täusch ung erzeugt vor allem Schnitzlers
vermengen, daß sie zu Einem werden. Das ist ja
Stil. Es gibt in hohem Maße den Klang der
eigentlich die selbstverständliche Voraussetzung
menschlichen Sprache wieder, man liest die
einer guten Erzählung und doch — wie merk¬
Gespräche der Menschen nicht bloß, man hört
sie auch. Und da hört man eben auch aus dem
Tonfall der Worte den Eindruck heraus, den die
Geschehnisse auf die Menschen machen, man
hört das ungesagte Unsagbare, das Methaphy.“
sische. Man hört, was man selbst drängend:
unklar in sich gefühlt hat, den Zauber Wiens,
verliebter Tage, dämmernder Ahnungen der
Welträtsel, lebendiger Stunden, schauervoll
durch vorüberhuschende unfaßbare Erkenntnis.
Das alles wird nun klar und faßbar gemacht
durch den Dichter. An die einzelnen der Er¬
zählungen zu erinnern ist wohl nicht nötig. Sie
sind zu selbstverständlichem geistigem Besitz
geworden, so selbstverständlich, daß man an
manche von ihnen fast schon vergessen hatte.
Da war es nun eine gute Idee Schnitzlers, fünfzig
Jahre alt zu werden und seinem Verleger damit
absichtlos Anlaß zu dieser Gesamtausgabe zu
bieten, deren eine Gruppe schön gedruckt und
reizend gebunden nun vorliegt und uns in schöner
Ordnung unseren Besitz vorführt und in Er¬
innerung bringt. Die zweite Gruppe, die dra¬
matischen Arbeiten, erscheint im Herbst.
Felix Langer.
R
Gesannelte Nerke
In Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cieveland, Emssummn.
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis.
New-York, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus: Der Merker, Wien
vom:
Se
G
K 4
VON NEUEN BUCHERN UND NOTEN.
würdig ist das — findet man es so selten. Der
ARTHLR-SOLTEE
eine erfindet raffinierte Begebenheiten, die er
ungeschickt wiedergibt, seine Sprache knirscht
GESAMMELTE WERKE.
wie eine ungeölte Maschine; der andere kleidet
Erste Abteilung: Die erzählenden
ein abgenütztes Nichts von Handlung in tönende
Schriften.
Worte. Und die ganze Kunst besteht doch bloß
(S. Fischer, Verlag, Berlin).
darin, zu erzählen, zu sprechen, sich so geben
Es ist sehr schwer über den Inhalt dieser drei,
wie man ist. Dazu allerdings muß man erst einer
rein äußerlich betrachtet, entzückenden Bände
sein. Nicht Hofrat oder Medizinahat oder
etwas Neues zu sagen, denn Arthur Schnitzlers
Direktor, sondern bloß Mensch. Dieses Gefühl,
erzählende Schriften sind Werte, die feststehen.
das einen so beruhigend erfüllt, hat man bei
Zu betonen, daß es überflüssig sei, sie von
Arthur Schnitzler, daß er sich ungekünstelt gibt
literarhistorischer Etiquettierung zu säubern,
und ist wie er sich gibt, der nicht so exzeptionell
ist heute schon fast ebenso geschmacklos wie die
denkt wie kein anderer außer ihm denken kann,
Literaturfachüberschrift selbst. An Arthur
sondern so wie jeder denkt oder unter Umständen
Schnitzlers Erzählungen mit dem kühlen Hirn
denken muß. Liebe, Haß, Vornehmheit und
eines Kritikers heranzutreten, scheint mir ganz
Gemeinheit, Zartheit und Brutalität, bei Schnitz¬
verfehlt, denn ihr Wert will mit dem Gefühl in
ler sind sie so wie in Wirklichkeit, eng verbunden
erster Linie wahrgenommen sein. Ihre Schönheit
mit einander, sie können zu gleicher Zeit in
besteht in dem Duft, der sie umgibt, der dom
einem Menschen existieren, bereit, in einander zu
Flimmern gleicht, das an Sommerabenden über
verfließen. Und diese Verbundenheit der Elemente
Wäldern schwebt; es macht unsagbar froh odet
menschlicher Seelen bewirkt, daß uns bei der
unsagbar traurig, immer aber fühlt man, es isr
Lektüre niemals der Gedanke kommt: das ist
unsagbar schön. Die Stimmung solcher Sommer¬
erdacht, das könnte sich in Wirklichkeit nie
abende schwebt durch alle Werke Schnitzlers,
zutragen. Sie bewirkt, daß man diese Erzählun¬
diese Mischung von hellstem Glanz und erstem
gen aufnimmt, als hätten sie sich einmal wirklich
Nachtschatten, brennendes Leben, in das eine
ereignet, ihre Helden und Heldinnen werden zu
leise Ahnung vom Sterben zittert. Einseitig,
Menschen, die gelebt haben, ihre Begebenheiten
durch stilistische Kunststückchen oder durch
werden Sehnsuchtsziele, weil sie so menschlich
klug ersonnene Fabeln läßt sich das nicht be¬
sind, daß jeder einzelne von uns sie erleben kann.
wirken. Beide, Stil und Fabel müssen sich so
Diese Täusch ung erzeugt vor allem Schnitzlers
vermengen, daß sie zu Einem werden. Das ist ja
Stil. Es gibt in hohem Maße den Klang der
eigentlich die selbstverständliche Voraussetzung
menschlichen Sprache wieder, man liest die
einer guten Erzählung und doch — wie merk¬
Gespräche der Menschen nicht bloß, man hört
sie auch. Und da hört man eben auch aus dem
Tonfall der Worte den Eindruck heraus, den die
Geschehnisse auf die Menschen machen, man
hört das ungesagte Unsagbare, das Methaphy.“
sische. Man hört, was man selbst drängend:
unklar in sich gefühlt hat, den Zauber Wiens,
verliebter Tage, dämmernder Ahnungen der
Welträtsel, lebendiger Stunden, schauervoll
durch vorüberhuschende unfaßbare Erkenntnis.
Das alles wird nun klar und faßbar gemacht
durch den Dichter. An die einzelnen der Er¬
zählungen zu erinnern ist wohl nicht nötig. Sie
sind zu selbstverständlichem geistigem Besitz
geworden, so selbstverständlich, daß man an
manche von ihnen fast schon vergessen hatte.
Da war es nun eine gute Idee Schnitzlers, fünfzig
Jahre alt zu werden und seinem Verleger damit
absichtlos Anlaß zu dieser Gesamtausgabe zu
bieten, deren eine Gruppe schön gedruckt und
reizend gebunden nun vorliegt und uns in schöner
Ordnung unseren Besitz vorführt und in Er¬
innerung bringt. Die zweite Gruppe, die dra¬
matischen Arbeiten, erscheint im Herbst.
Felix Langer.
R