V, Textsammlungen 8, Die griechische Tänzerin. Novellen, Seite 1

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Die griechische Taenzerinn 3 Novellen
Prahleiste, Stochen
(Quellenangabe ehne Gewähr.)
Ausschnitt aus Mongr Mntiage-Tentet
vom: 1977
0174
„Die griechische Tänzerin.“ Novellen von Arthur
Schnitzler.
#eeschmlcken kleinen Bibliothek der Romane
hat der Verlag S. Fischer nun Novellen Schnitzlers zusammen¬
gefaßt. Bestes, Gültigstes und Dauerndstes von der Eigenart
-nonn, Sl.
des Dichters: Einige der dichtesten und plastischsten dieser
(Quellenangabe ohne, Gewähr.)
ironisch schillernden Tragik, in der Weh und Witz, Leid und
Münchener Neueste Nachlichten
Lustigkeit, Pose und Pathos so romantisch=burlesk und so
Ausschnitt aus:
dämmrig=zart ineinanderfließen. Geschichten, Anekdoten, kleine
29 00f. 1914 München
Alltagstragödien, deren zierliche und feingetönte Struktur
om:
gar oft mit schroffen Konturen aufragt und mit düster
1
Arthur Schnitzles: Die griechische Tänze¬
dramatischen Akzenten Gefühl und Raison überschattet. Die
rin und andere Novellen. Berlin, S. Fischer.
Schnitzlerschen Menschen wachsen auch hier voll aus dem oft
Die fünf Novellen, deren letzte dem Bande den
grazilen, oft altväterlich=steif zurechtkonstruierten Hinter¬
Titel gegeben hat, sind den „Gesammelten Wer¬
grund: Ratlose vor dem Leben, Schwächlinge ihres scharfen
ken“ entnommen und beweisen wieder nicht weni¬
Blickes, passive Genießer und überlegene Dulder. In einer
gen die tiefe Seelenkunde als die zarte und dabei
phantastischen Spannweite von der reinen Gebärde hoher
so treffsichere Künstlerhand Schnitzlers. In packen¬
Weiblichkeit bis zur irren Fratze verspielter Existenzen halb
den Skalen wandelt der Dichter die Gefühle seiner
parodistisch, halb erschütternd bewegt. Und leise rauscht die
tragischen Gestalten von der linden Melancholie
keimenden Seelenschmerzes bis zur beklemmenden
melancholische Schönheit der zärtlich gezeichneten, lebendig
Herzensangst vor dem jähen Gegenüber des Todes
gefärbten österreichischen Landschaft mit dem Silberblau
ab und fesselt uns immer. Die sanfte Trauer, die
ihrer Ferne und dem vollen Duft ihrer Nähe um dieses schöne
aus stummer Resignation schattenhaft über den
kleine Buch, das der kleinen Sammlung einen repräsentativen
ganzen Weg eines Menschen fällt, das tiefe Weh
Zuwachs abgibt.
junger Herzen, die sich nur selbst erlösen können,
sind es besonders, die ihn zur Schilderung reizen.
Die erste Novelle: „Der blinde Geronimo und
sein Bruder“, ist die Geschichte zweier Bettler, in
deren treue Gemeinsamkeit die übermütig fre¬
velnde Hand eines Dritten statt eines Almosens
eine Lüge hineinwirft und dadurch einen heißen
Konflikt heraufbeschwört. Sie gehört mit der
vierten: „Das neue Lied“ zum Zartesten, das der
Dichter in dieser Kunstform gegeben hat. In die¬
ser anderen Geschichte ist von der kleinen Wiener
Vorstadtsängerin Marie Ladenbauer und ihrem
Geliebten die Rede, dem Kleinbürgerssohn Karl
Breiteneder. Marie macht eine tückische Krank¬
heit durch, die ihr das Augenlicht raubt. Karl
darf sie während der Zeit nicht besuchen. Aber
endlich kommt der erste Tag ihres Wiederauftre¬
tens — nun als blinde Sängerin mit dem rühr¬
samen „neuen Lied“, das ihr der alte Kapell¬
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meister der Volkssängergesellschaft eigens zu dem
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Zwecke gedichtet und in Musik gesetzt hat.. Und
Zeitung:
das Publikum überschüttet sie mit Beifall. Und
Post
sie erfährt, daß Karl auch anwesend ist — aber er
kr
Ort:
ist noch nicht zu ihr gekommen. Da tastet sich die
Blinde zu ihm, und beide sitzen eng beieinander
Berlin
*
4. Juli 1912
wie früher. Aber sie spürt seine Verlegenheit, und,
Datum:
daß er von ihr fort möchte. Unbemerkt entfernt

sie sich aus der fröhlichen Gesellschaft und sucht den
Tod
Aufbau und Tempo dieser Novelle und die reine
e
fe
„Schilderung“ darin sind wirklich vollendet. —
Sehr eigenartig gefaßt ist auch das Problem der
Arthur Schnitzler. Die griechische Tänzerin und

„Weissagung". In dieser wie in der Novelle „Die
landere Rovellen. Fischers Bibliothek zeitgenössischer

Toten schweigen“ spielt über alles Tragische noch
Romane. Verlag S. Fischer, Berlin. Pappband 1 M.
in
die feine Ironie Schnitzlers. Weniger in der
Schnitzlers Novellen des vorliegenden kleinen Bändchens sind
„Griechischen Tänzerin“, die das Problem der
so gewählt, daß sie ein treffendes Bild von der Kunst dieses
selbstlosen Künstlerfrau wirkungsvoll beleuchtet.
Modernen geben. Man freut sich an der klaren Sprache und
München
R
Ewald Silvester
ninimt mit Genogtuung die künstkerische Feinheit des dichterischen
Milhele, Ganalas¬
Aufbaues wahr. Allerdings bleibt die zuweilen freie Un¬
La #damschaf4.1
Konzne Kershene
S
bekümmertheit des Gegenständlichen wie dessen leichte durch¬
geistigte Bearbeitung ein Spiel mit dem Verfänglichen, das mit¬
unker wohl Neize birgt aber doch auch konstruiert wirkt. #ik“