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Pamphle
s Offprints
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— Arthur Schnitzler.
Pflicht und Verdienst der Kunst erkennen und als eitel verachten, was nicht
Alufnahme der Stücke. „Das
seltene Nuance, malendes Adjectiv, gesuchte Metapher ist.“ Vollwerthig ist
kssingtheater angenommen, ist
jedes Wort dieser Kritik — bis auf den letzten Satz. Bahr kannte damals
Wien, wo es am Deutschen
nur „Anatol“ und „Märchen“ und einige Jugendwerke („Alkandis Lied“
Sonst ist es nirgends auf¬
und „Reichthum"). Seitdem wir die „Liebelei“ und die einzigsüße, wunder¬
dte eine erste Aufführung am
volle Mädchengestalt Christine, eine dichterische Schöpfung ersten Ranges,
hrend in Wien die Beliebtheit
kennen, seitdem wir den überaus fein und tief empfindenden Psychologen aus
in Berlin und Breslau von
der Meisternovelle „Sterben“ kennen, erscheint uns das, was Bahr im letzten
ist übrigens, übersetzt, viel an
Satze sagt, als ein nicht mehr gerechtes Urtheil. Ueberschwänglicher, aber um¬
ürdings spielte Adele Sandrock
fassender beurtheilt der Berliner Kritiker der „Neuen Deutschen Rundschau“.
ter Goethe=Theater die Christine
Alfred Kerr den Dichter. Er sagt: „Alles fluthet durcheinander: Innigkeit
d“ hatte eine erste Aufführung
und Eleganz, Weichheit und Ironie, Weltstädtisches und Abseitiges, Lyrik und
suber 1896. Der Erfolg, der
Feuilletonismus, Lebensraffinement und volksmäßige Schlichtheit, Oesterreicher¬
reslau war er verhältnißmäßig
thum und Halbfranzösisches, Schmerz und Spiel, Lächeln und Sterben.
Februar 1898 am Carltheater
Ein junger Meister, ein glücklicher Götterfreund, ordnet mit weicher, leiser,
hrstellungen verschwand es hier,
spielend vollbringender Hand die Bestandtheile. Das ist die unvergleichliche
er gegen die angebliche Tendenz
Welt Arthur Schnitzlers.“ Von den Worten des ersten Satzes dieser Kritik
atol“ sind einige Scenen mit
möchte ich namentlich die beiden ersten unterstreichen, dann vor Allem:
ngs auch in Berlin am Goshe¬
Feuilletonismus. Es ist wahr, die Grazie, mit welcher dieser Dichter er¬
in im „Abschiedssouper“) auf¬
zählt, plaudert und schildert, ist das Eigenartige, das Charakteristische, das
Ursprünglichste an seinem Wesen. Aber diese leichte, das heißt feine und
breiactiges Schauspiel „Das Ver¬
echte Kunst wirft oft einen dunklen Schatten. Der haftet ihr ebenso natürlich
fführung. Augenbliclich arbeitet
an. Schwer ist es für einen Dichter mit so eigenartiger, aber einseitiger
n Werke, über das er aber vor¬
Begabung, sich von feuilletonistischen Oberflächlichkeiten und Banalitäten frei
zu halten. Schnitzler liebt dann und wann die geistreiche Phrase und die con¬
shabt haben, kommen leicht in die
ventionelle Pose. Schon die Stoffe, die er wählt, sind gefährlich nach dieser
ndlich ist nicht Alles, was Schmibler
Richtung hin. Schnitzler vermeidet nicht die Abgründe. Er überkleidet sie
oft mit Rosen, ebenso oft aber auch steigt er behende in die tiefsten Tiefen
bunkte seines Schaffens möchte ich
sebelei“ und die Novelle „Sterben“
der Seele hinab (vgl. „Sterben"). Aber es sind gerade die Seichtheiten,
ler bisher noch immer von Hermann
die todten Stellen, über die er mit einer conventionellen Redensart, mit
dor Allem auf die Einseitigkeit des
einer effectvollen Geste hinwegsetzt. Das stimmt den Leser kühl. Sehr oft
urtheil Bahrs=): „Schnitzler hat
verdirbt Schnitzler durch eine derartige feuilletonistische Wendung die feinste
Stimmung. Namentlich im „Anatol“ und in den kleineren Novellen finden
denn mit der zärtlichsten Sorge,
sich solche Nichtigkeiten.
Geize schleifen, bis das Geringe
Schnitzlers enges Stoffgebiet ist die Welt des Wiener Lebemannes und
ad Würde verdient. Was er bringt,
der Wiener Grisette. Diese beiden Typen zeigen in Wien ganz eigenartige
gelten. Die großen Züge der Zell,
Physiognomicen oder vielmehr ein vielfältiges und verschiedenartiges Wesen.
der Menschen, die ungestüme Pracht
ist ihm versagt. Er weiß immer
Schnitzler hat sie alle für die Kunst entdeckt, er schildert sie alle meisterhaft.
Die Größe dieses Dichters spricht aus der vollendeten Menschendarstellung.
nur ein einziges Gefühl zu ge¬
Bahr hat sehr richtig beobachtet. Nur mit wenigen befaßt sich Schnitzler,
r Vollkommenheit, Vollendung.
aber was er anfaßt, das gewinnt Leben, das lebt und bleibt lebendig, steht
hen des „Parnasses“, jener Franzossnl,
immer wieder neu vor uns, so oft uns auch der Dichter dasselbe, ein wenig
sicht bekümmert, nur in der Fassung
anders gefaßt und gewendet, zeigt. Und so zieht diese leichtlebige Welt an
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— Arthur Schnitzler.
Pflicht und Verdienst der Kunst erkennen und als eitel verachten, was nicht
Alufnahme der Stücke. „Das
seltene Nuance, malendes Adjectiv, gesuchte Metapher ist.“ Vollwerthig ist
kssingtheater angenommen, ist
jedes Wort dieser Kritik — bis auf den letzten Satz. Bahr kannte damals
Wien, wo es am Deutschen
nur „Anatol“ und „Märchen“ und einige Jugendwerke („Alkandis Lied“
Sonst ist es nirgends auf¬
und „Reichthum"). Seitdem wir die „Liebelei“ und die einzigsüße, wunder¬
dte eine erste Aufführung am
volle Mädchengestalt Christine, eine dichterische Schöpfung ersten Ranges,
hrend in Wien die Beliebtheit
kennen, seitdem wir den überaus fein und tief empfindenden Psychologen aus
in Berlin und Breslau von
der Meisternovelle „Sterben“ kennen, erscheint uns das, was Bahr im letzten
ist übrigens, übersetzt, viel an
Satze sagt, als ein nicht mehr gerechtes Urtheil. Ueberschwänglicher, aber um¬
ürdings spielte Adele Sandrock
fassender beurtheilt der Berliner Kritiker der „Neuen Deutschen Rundschau“.
ter Goethe=Theater die Christine
Alfred Kerr den Dichter. Er sagt: „Alles fluthet durcheinander: Innigkeit
d“ hatte eine erste Aufführung
und Eleganz, Weichheit und Ironie, Weltstädtisches und Abseitiges, Lyrik und
suber 1896. Der Erfolg, der
Feuilletonismus, Lebensraffinement und volksmäßige Schlichtheit, Oesterreicher¬
reslau war er verhältnißmäßig
thum und Halbfranzösisches, Schmerz und Spiel, Lächeln und Sterben.
Februar 1898 am Carltheater
Ein junger Meister, ein glücklicher Götterfreund, ordnet mit weicher, leiser,
hrstellungen verschwand es hier,
spielend vollbringender Hand die Bestandtheile. Das ist die unvergleichliche
er gegen die angebliche Tendenz
Welt Arthur Schnitzlers.“ Von den Worten des ersten Satzes dieser Kritik
atol“ sind einige Scenen mit
möchte ich namentlich die beiden ersten unterstreichen, dann vor Allem:
ngs auch in Berlin am Goshe¬
Feuilletonismus. Es ist wahr, die Grazie, mit welcher dieser Dichter er¬
in im „Abschiedssouper“) auf¬
zählt, plaudert und schildert, ist das Eigenartige, das Charakteristische, das
Ursprünglichste an seinem Wesen. Aber diese leichte, das heißt feine und
breiactiges Schauspiel „Das Ver¬
echte Kunst wirft oft einen dunklen Schatten. Der haftet ihr ebenso natürlich
fführung. Augenbliclich arbeitet
an. Schwer ist es für einen Dichter mit so eigenartiger, aber einseitiger
n Werke, über das er aber vor¬
Begabung, sich von feuilletonistischen Oberflächlichkeiten und Banalitäten frei
zu halten. Schnitzler liebt dann und wann die geistreiche Phrase und die con¬
shabt haben, kommen leicht in die
ventionelle Pose. Schon die Stoffe, die er wählt, sind gefährlich nach dieser
ndlich ist nicht Alles, was Schmibler
Richtung hin. Schnitzler vermeidet nicht die Abgründe. Er überkleidet sie
oft mit Rosen, ebenso oft aber auch steigt er behende in die tiefsten Tiefen
bunkte seines Schaffens möchte ich
sebelei“ und die Novelle „Sterben“
der Seele hinab (vgl. „Sterben"). Aber es sind gerade die Seichtheiten,
ler bisher noch immer von Hermann
die todten Stellen, über die er mit einer conventionellen Redensart, mit
dor Allem auf die Einseitigkeit des
einer effectvollen Geste hinwegsetzt. Das stimmt den Leser kühl. Sehr oft
urtheil Bahrs=): „Schnitzler hat
verdirbt Schnitzler durch eine derartige feuilletonistische Wendung die feinste
Stimmung. Namentlich im „Anatol“ und in den kleineren Novellen finden
denn mit der zärtlichsten Sorge,
sich solche Nichtigkeiten.
Geize schleifen, bis das Geringe
Schnitzlers enges Stoffgebiet ist die Welt des Wiener Lebemannes und
ad Würde verdient. Was er bringt,
der Wiener Grisette. Diese beiden Typen zeigen in Wien ganz eigenartige
gelten. Die großen Züge der Zell,
Physiognomicen oder vielmehr ein vielfältiges und verschiedenartiges Wesen.
der Menschen, die ungestüme Pracht
ist ihm versagt. Er weiß immer
Schnitzler hat sie alle für die Kunst entdeckt, er schildert sie alle meisterhaft.
Die Größe dieses Dichters spricht aus der vollendeten Menschendarstellung.
nur ein einziges Gefühl zu ge¬
Bahr hat sehr richtig beobachtet. Nur mit wenigen befaßt sich Schnitzler,
r Vollkommenheit, Vollendung.
aber was er anfaßt, das gewinnt Leben, das lebt und bleibt lebendig, steht
hen des „Parnasses“, jener Franzossnl,
immer wieder neu vor uns, so oft uns auch der Dichter dasselbe, ein wenig
sicht bekümmert, nur in der Fassung
anders gefaßt und gewendet, zeigt. Und so zieht diese leichtlebige Welt an
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