VI, Allgemeine Besprechungen 1, 4, Der Merker Mai Heft 1912 mit Primärtexten, Seite 2


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Pamphletsofforints
Wie atm' ich auf! Wie will ich diese Luft
Voll Lenzeshauch und süßer Langeweile,
Auf daß sie meiner Seele Schmerzen heile,
Einsaugen, mich berauschen an dem Duft.
Geliebter Pöbel, der vorbeispaziert,
Ahnst du, wie wohl mir wird in deinem Kreise,
Wie sich in deines Denkens stille Weise
Gemächlich nun auch mein Gemüt verliert?
Die mich von meiner Einsamkeit befrein,
Die Hände möcht ich dankbar ihnen drücken,
Und wandeln in wohltätigem Entzücken
Inmitten dieser braven Bürger Reihn.
Es wallt ein mild Begehren auf in mir,
Auch dieses Glück als ganzes zu genießen,
In eins mit der Alltäglichkeit zu fließen,
Für alle Zeit zu sein wie diese hier.
So völlig wünschelos schreit ich dahin,
So herrlich dumm! Wie böser Traum der Kranken
Erscheint mir alle Sehnsucht nach Gedanken,
Und meine Schwermut fühl ich sanft entfliehn.
II. MORGENANDACHT.
Verschwunden ist der Mondenschein Was hab ich all in dieser Nacht
Von Zimmerwand und Decke:
In dich hineingeträumet!
Nun gleißt der dumme Tag herein
Den Leib, von wilder Lust umfacht,
In unsre Dämmerecke.
Mit heiliger Glut umsäumet.
Die Lichter sind herabgebrannt
Wie hab ich dich gebenedeit,
Die ich nicht löschen wollte,
Wie hoch emporgehoben,
Von einer neuen Jungfräulichkeit
Das Glas, das auf dem Tische stand,
Hin auf den Boden rollte.
Den Glanz um dich gewoben.
Und blaß in dem verschwommnen Licht,
Das war von einem holden Wahn
Inmitten heller Linnen,
Der trügevolle Schimmer,
Schau ich, wie um dein Angesicht
Ach, was du je gefühlt, getan,
Schleppst du mit dir für immer.
Die Locken ringeln und rinnen.
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