VI, Allgemeine Besprechungen 1, 6, Josef Körner Spätwerk, Seite 5


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1. Panphlets offorints
Tragik des Alterns der Frau wird nicht berührt; genau
so hat Arthur Schnitzler ja auch die Probleme der Liebe
und Ehe allezeit vorwiegend aus der Schau des Mannes
erörtert. Dem alternden Anatol tut sich die bisher unbekannte
peinliche Rückseite des Lebens auf, der Rausch von Jugend,
Leidenschaft und Macht ist zu Ende, von aller Glut, mit der
er einst die Welt umfaßt hatte, bleibt nur die Asche eines ohn¬
mächtigen Grimms, daß es damit vorbei sei. In solcher Ge¬
mütsstimmung werden die grenzenlosen Ansprüche von ehedem
zum Bettel herabgemindert, neben dem jugendstolzen Filippo
Loschi, der Beatrice wegen einer geträumten Untreue verstößt,
macht der alternde Sylvester Thorn eine klägliche Figur, wenn
er der geliebten Leonilda das sehr reale Liebeserlebnis am
Weiher und jedes künftige im voraus vergibt, wofern sie ihn
nur erhören und die seine werden will.
Schnitzlers Entwicklung zeigt indes nirgends jähe Sprünge.
Der weite Weg vom „Schleier der Beatrice“ (1899) bis zum
„Weihergang“ (1926) führt über Zwischenstationen. Der
45 jährige Herr von Sala im „Einsamen Weg“ (1903), ein
Dichter gleich Filippo und Sylvester, wie jener noch im vollen
Liebesgluck wohnend, wie dieser schon vom nahenden Alter
überschattet, trägt der 18 jährigen Johanna Wegrat, die ihm
Leib und Seele geschenkt hat, mit solchen zagen, verzicht¬
schweren Worten die Ehe an: „Du sollst nicht für alle Zeiten
an mich gebunden sein.... Denn all deine Träume kann
ich dir nicht erfüllen, das weiß ich ganz gut. — Wohl tritt
dieses melancholische Motiv und das Motiv des Alterns
überhaupt dann auf einige Zeit zurück, aber in der Novelle
vom Badearzt Dr. Gräsler kehrt es mit vermehrter Stärke
wieder, um seither nicht mehr zu verschwinden; in Schnitzlers
letzten Bühnenwerken — in der „Komödie der Verführung“
steht es im Mittelpunkt und
wie im „Gang zum Weiher“
Vordergrunde.
Hier verschlingt es sich mit der immer heftigeren Kritik
jener absoluten Amoralität, die Schnitzler selbst in früheren
Schriften verkündet hatte; eine Kritik, die noch sehr schüchtern
und sozusagen widerwillig im „Einsamen Weg“ anhebt, im
„Zwischenspiel“ und vornehmlich in der „Hirtenflöte“ zur ent¬
schiedenen Ablehnung eines bequemen laisser aller in Liebes¬
sachen ansteigt. So gelangt Schnitzler, der stets die gleichen
Probleme und Figuren und Motive wiederkehren läßt, nur
freilich jedesmal von einer anderen Seite besehen, in seinem
Spätwerk dazu, die Geschichten und Menschen älterer, noch
völlig im Bereich sittlicher Indifferenz angesiedelter Schriften
noch einmal vorzunehmen und von dem neugewonnenen Stand¬
punkt strengerer Sittlichkeit aus zu bewerten. Wer diesen
Wandel des Standpunktes nicht beachtet, mag leicht den irrigen
Eindruck empfangen, der Dichter wiederhole sich, habe sich
ausgeschrieben, wisse nichts neues
heit sind diese Wiederholungen Wi
Absicht.
Schnitzlers Spätwerk, von den
Produktion der Nachkriegszeit, umf
drei Novellen; doch darf man das
wenig bedeutende) Lustspiel „Die
seines Datums wohl beiseite lassen u
Veröffentlichungen der drei letzten
„Komödie der Verführung“ und die
von 1924, die dramatische Dichtung
und die „Traumnovelle“ von 1926#
erschienene Erzählung „Die Frau d
geschlossene, rund geratene Wortkun
sind die Novellen vor d
gesagt
an Gehalt, Tiefsinn und Fülle stehe
Zehn Jahre nach Ausbruch
festlich=heitere Leben der vornehmen
schwunden und vergessen, in so
daß der Dichter ohne Scheu und G
die letzten Friedenswochen von 19
Märchens von der unheimlichen,
so gar nicht unheimlichen, schönen
doch nur der Apparat des Wunderh
und Geisterwesen, um das bunte G
völligen Märchen zu machen.
Eine schöne junge Gräfin, elternlos und
verpflichtet, hat mit ihren drei Freiern ein
prächtigen Frühlingsfest: es sind zwei Jüng
und ein 40jähriger, etwas sonderlicher Mann,
wählt Aurelie. Er aber, sich wie ihr nicht trauen
halte, was im Grunde nur Freundschaft und
zu ergreifen, stellt sie auf die Probe, indem
heißt, und durch ihre immer leidenschaftlich
wahres Wesen vermeintlich belehrt, weist er sie
auf Erden gibt, die ihr Schicksal nicht aneinan
und ich ... du kanntest dich selbst noch nicht
dir ... Wärst du, von allem äußeren und
tiefsten Drange gefolgt, schon von diesen ersten
wärst du nicht mehr zurückgekehrt... Ich gebe
was du bist.“ Aurelie, in ihrem Tiefsten vern
gestoßen, stürzt sich, wie eine andere ins Wass
einem schönen Jüngling, der gerade zur recht
von Reisenberg, ihren jungfräulichen Leib,
schurkischen Malers Gysar Beute, der sie nich
jedem Weibe schlummernden Höllendämon a#
bis zur Teilnahme an schändlichen Orgien
zarte Seele nicht erträgt, so daß sie zuletzt
Meeresstrand flüchtet, wo ein Zufall aberm
auch Falkenir, der nicht als Nächer noch als 9
bewußter. Zwar spricht Aurelie ihn frei von
sie zur rechten Zeit erkannt hat als die, die sie
wußte; er aber weiß jetzt, daß es allzu wohlf
Sichhe