VI, Allgemeine Besprechungen 1, 6, Josef Körner Spätwerk, Seite 7

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Pamphlets OffD1
genügen zu lassen. „Erst über aliem Erkennen beginnt, was einer menschlichen
Beziebung ihren Sinn verleiht: Verantwortung“ —, so spricht er?), der in der
Einsamkeit von hundert Tagen und Nächten Besseres erworben hat als Weisheit,
nämlich Liebe. Aber nach allem, was geschah, ist eine Wiedervereinigung des
Paares nicht möglich. Wie soll ein Falkenir, den ferne Zukunftsmöglichkeiten
schon so quälten, daß er lieber auf das Glück verzichtete, vergangenen Wirklich¬
keiten standhalten können? — Märchen, die nicht mit Hochzeit enden, gehn mit
dem Tode aus. Falkenir und Aurelie finden sich zu gemeinsamem Sterben,
dem höchsten Liebeserweis, der zugleich jede Gefahr künftiger Enttäuschung
und Untreue aufhebt.
Dem Kenner von Schnitzlers Schriften kann es nicht ent¬
gehen, daß diese Handlung noch einmal das Problem auf¬
nimmt, das schon dem „Zwischenspiel“ und der „Hirtenflöte“
zugrunde lag. Schon in diesen Werken war die Bekämpfung
jeglichen Glaubens an Frauentreue, wie sie Anatol sich zum
liebsten Geschäft macht, abgelöst worden durch die Absage an
solchen blinden Zweifel; als Resultante blieb die Einsicht, daß
es höchste Weisheit sei, das Weib nicht freventlich Prüfungen
auszusetzen, die es unmöglich bestehen kann. Ist der Kapell¬
meister Amadeus Adams des Glaubens, „daß: Verlockungen
widerstehen mit Sehnsucht in der Seele, von allen Lügen
die schlimmste und gefährlichste wäre und daß man aus Aben¬
teuern eher heil nach Hause käme als aus Wünschen“
(„Zwischenspiel"); ist Andrea Bassi („Schwestern“) gemeint,
daß Sehnsucht
Um tausendfaches schlimmer als Erfüllung,
Weil sie fortwährend in der Seele Gründen
Den reinen Läuf ihr bis zur Quelle trübt —
so erweist sich Falkenir als Gesinnungsgenosse, wenn er be¬
hauptet: „Möglichkeiten sind unheimlichere Gespenster als
Wirklichkeiten, die vergangen sind. Tausendfältig, unsaßbar,
namenlos schweben sie um uns; als Wünsche und Träume...
Durchlebtes, und wäre es das Furchtbarste, ist abgetan.“ Aber
Falkenir und Amadeus und Erasmus („Hirtenflöte“), die sich
sehr weise dünken, wenn sie um ihre Frauen nicht kämpfen wollen,
sa sie vorsätzlich ins Abenteuer hineintreiben, sie erscheinen
zuletzt doch nur als lieblose Narren, die eines edlen Weibes
gar nicht wert sind. Dabei wird der Dichter in der Ver¬
urteilung immer radikaler: im „Zwischenspiel“ läßt er das Ehe¬
paar ruhig auseinandergehen; die „Hirtenflöte“ endet mit einem
Fluch auf die frevelhafte Wißbegier des Gatten
—, das Unheil,
das Falkenir angerichtet hat, bringt ihn und die Geliebte zu
Tode. Und allemal wird den frevlerischen Versuchern der
eignen Frau der Vorwurf gemacht, daß ihre Untat dem Mangel
an Liebe entspringt. Wider Amadens und Erasmus schleudern
deren Gattinnen solche Anklage, Falkenir erhebt sie mit nicht
1) Vgl. eine ähnliche Rede des Heinrich Vermann in Schnitzlers Noman,
die Körner a. a. O., S. 68f. angeführt ist.
——
geringerer Entschiedenheit gegen sich selbe
begrifsen, daß es nicht der Sinn der Liebe
Besitzes sich zu erfreuen, daß Liebe vielm
Kämpfen, Werben und auch Bereitsein 3
fordern, sondern Opfer bringen, ist das W
eine Erkenntnis, die bereits dem Herrn
(vgl. Körner S. 51). Aber dieser Männ
unfähigkeit wird durch das Bewußtsein sol
behoben. Zur vollen Hingabe fehlt ihnen d
reißen die Kraft, so werden sie hin= und he
sprechenden Gefühlen, seelische Vettern
Adolphe —, toujours la victime de ce mé
,prevcyant le mal av
de sensibilité
reculant avec désespoir après l’avoir fait
Noch an andere ältere Dichtungen S
durch Wesen und Schicksal von Falkenir un
Drei Männer um eine Frau werbend
falls ein Dichter und ein Fürst — stellte
der Beatrice“ vor, und mit Filippo Loschi b
in der maßlosen Forderung, die Geliebte
zu besitzen, „wie kein Mann eine Frau,
Mann, wie niemals ein Mensch einen a
und darf“
Auch Falkenirs und Aureli
ist vorgebildet in einer Dialogpartie de
Dort redet Beatrice, die aus des Herzo
geliebten Dichter zurückflüchtet:
Nach solchem Tag zusamn
Das könnten andré, doch nicht du und
Wie bald im Ekel sänken wir dahin,
Wohin wir jetzt erhob'nen Hauptes schr
Wir wollen sterben.
Und Filippo stimmt bei:
Nänn' unser Leben weiter
Den Schmutz der letzten Stunden bräch
Nie wieder fort; und die Gewißheit ni
Daß unser Ende nah ist, macht uns rei
Wie Kinder.
Auch Frau Beate weiß sich und den
Sohn aus dem Schmutz, in den sie hinal
anders zu erretten, als durch die entsch
diesem Leben.
Wer in Schnitzlers Gesamtwerk 1
Motiven sucht, die denen aus der „Komö
verwandt sind, wird ohne Mühe reichlich
Der stolze Faikenir z. B. teilt manchen C
bescheidenen Dr. Gräsler, der durch den
gehrte Sabine ihm das Jawort gibt, gena#