VI, Allgemeine Besprechungen 1, 6, Josef Körner Spätwerk, Seite 25


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Panphlets Offorints
Sylvester.
's wär' eine arme Welt,
Wenn Jugend alles wär'.
Kanzler.
Sie ist so viel,
Daß Ruhm — und Macht — und Weisheit — alle drei,
Wenn in des Mädchens Hand die Wage schwingt,
So schwer nicht wiegen als der blonde Flaum
— und daß ihr Atem
Um eines Knaben Mund;
Von grauen Häuptern Lorbeerkränz' und Kronen,
Von Postamenten Marmorbilder bläst.
So auch der Hohn, den Sylvester über seinen Anspruch
auf Unsterblichkeit, der „Lügen Lüge“, ausgießt, er, der für
einen Atemzug von Erdenlüften den blassen Wundertrank der
Ewigkeit verkaufen, — künftiger Welten Dank, später Ge¬
schlechter brünstiges Verstehen und glutvolle Sehnsucht lachend
hingeben möchte für eine einzige lebendige Liebesstunde.
Blättern wir in Schnitzlers früheren Schriften, so er¬
kennen wir erstaunt, daß nicht erst der Alternde das Gut
der Jugend so hoch schätzt; man vergleiche etwa einen Dialog
aus der „Frau mit dem Dolche“:
Leonhard: Zürnen Sie mir nicht, Pauline. Ich weiß
ja, daß mein ganzes Recht, so mit Ihnen zu reden,
nur darauf beruht, daß mich nichts auf der Welt
kümmert als Sie, daß ich bereit wäre, für Sie zu
sterben, und daß ich jung bin.
Pauline: Das ist vielleicht nicht so wenig.
Was besagt daneben ein Wort des — notabene selber
erst fünfundzwanzigjährigen — Ambros Doehl, das wie aus
Sylvesters Munde klingt: „Wie wenig wäre Jugend, wenn
sie alles wäre“. Immerhin hat sich Schnitzler in seinen letzten
Werken neben der Altersklage auch einen guten Alterstrost
zurecht gelegt. Wenn im „Einsamen Weg“ Sala unwider¬
sprochen das Altern der Genießer und Verführer als einen
besonders traurigen Zustand hinstellt, so wird einem gleich¬
gerichteten Ausspruch in der Verführungs=Komödie das Paroli
geboten: „Ein pensionierter Postbeamter oder selbst ein
General im Ruhestand sind auch nicht immer sehr ergötzlich
anzusehen.“ Und Elegius Fenz, der unverwüstliche Sechziger,
will die Legende vom Altwerden, als eine von der Jugend
gesponnene Intrigue, gar nicht wahr haben: „Man muß diese
Legende zerstören. ... Mit sechzig fängt das Leben im ge¬
wissen Sinne erst an. So um fünfzig herum gibt es freilich
bittere Tage. Darauf gründet sich die Legende. Man ist manch¬
mal selbst in Gefahr, ihr zu unterliegen. („Komödie der
Verführung", S. 67.) Er endet das Stück, in dem zwei junge
Menschen vor Liebe sterben müssen, mit den Worten, „daß
das Leben immer köstlicher wird, je weniger davon übrigbleibt“.
Wenn das Alter seinen Schatten wirft, verblaßt das ge¬
lebte Leben zum Schemen der Erinnerung. Erinnerung..
Was ist ihr Wesen und ihr Sinn —? Das ist keine neue
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